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-Samus Sicht-

Nachdem ich alle Proben hinter mir habe, treffe ich mich mit Thore noch auf ein Gläschen Wein. „Und Samu, gewinnst du diese Staffel?", fragt er nach einiger Zeit. „Ich hoffe doch, sonst bin ich der Oberlooser", zeufze ich grinsend und nehme einen Schluck. „Hast du schon nen Favoriten?" Uff, schwere Frage. „Ich habe ein starkes Team. Aber das ist kompliziert." „Warum", will mein Kumpel wissen. „Erinnerst du dich noch an Penny?" Thore schaut etwas ratlos drein. „Die, die immer so Angst hat", helfe ich ihm auf die Sprünge und fühle mich schlecht, weil ich sie darauf reduziere. „Ach die! Ja die hat schon riesen Talent, aber wenn sie nicht über ihren Schatten springt, dann kann sie nicht mithalten." Meine Kiefer spannen sich an. Er hat ja Recht, aber ich will das einfach nicht hören! „Sie wird", sage ich mit Nachtrug - ein Stück weit vielleicht auch, um mich selber zu überzeugen. Ich habe sie ja gehört, wie sie richtig singt und das ist der Wahnsinn!
Am nächsten Tag sind wieder Proben. Als ich kurz vor Beginn am Proberaum vorbeilaufe, höre ich Penny, die bereits zu üben scheint. Sie hat einen starken Willen, das muss man ihr lassen!
Als ich dann mit den Proben anfangen will, wird mir vom Hotelpersonal mitgeteilt, dass der Raum gesperrt ist, weshalb ich mich spontan entschließe, die Proben in meinem Raum durchzuführen. Der Raum ist zwar kleiner, aber da meine Vocalcoaches schon nach Finnland, wo ich mit meinem Team morgen hinreisen werde, sind, reicht der Platz vollkommen.
Als ich denke, dass ich alle Proben hinter mir habe, steige ich erstmal in die Dusche und ziehe mir anschließend nur eine Jogginghose an. Aber als ich gerade gedankenverloren aus dem Fenster schaue, klopft es auf einmal an der Tür. Habe ich noch einen Termin? Dann fällt mein Blick auf die Uhr und ich erstarre. „Scheisse!" Ich habe mich um eine Stunde vertan und das wird Penny sein, deren Probe jetzt anfangen soll. Vollkommen überfordert mache ich einfach die Türe auf. In Jogginghose. Oberkörperfrei. Mit total verwuschelten Haaren. Scheisse. Ich sehe, wie Penny mich für eine Sekunde verwundert mustert, aber dann schüchtern auf den Boden schaut. Ich muss ein wenig grinsen. „Komme ich unpassend?", fragt sie verunsichert. „Nein, sorry ich..." Ich breche ab, denn ich habe keine Entschuldigung hierfür. „.. Sorry ich habe einfach die Uhrzeit vertauscht, du bist schon richtig. Komm rein." Schüchtern tritt sie ein. Ich klatsche in die Hände: „Ok, fangen wir an!", sage ich motiviert, ohne auf die Idee zu kommen, mir vielleicht mal was anzuziehen. Typisch. Penny hat sich mittlerweile wieder gefangen und beginnt voll motiviert. Allerdings klappt heute irgendwie garnichts und am Ende der Probe steht sie da wie ein Häufchen Elend. Ich sehe, wie ihr Tränen in den Augen stehen, die sie tapfer versucht zurückzuhalten. Als sie ihren Kopf senkt und gehen will, halte ich sie impulsiv am Arm fest. Als sie stehen bleibt, hebe ich mit meiner Hand ihr Kinn an, sodass sie mir direkt in die Augen schauen muss. „Sei nicht unglücklich, Penny. Du kannst das, ich weiß es und du wirst es bis zu den Singoffs auch noch merken, versprochen", sage ich sanft. Ihr rollt eine Träne über die Wange, die ich mit meinem Daumen wegwische, ohne dabei den Blickkontakt abzubrechen. Sie schluckt und schenkt mir ein müdes Lächeln. Selbst dieses Lächeln steckt mich an und ich lächel unwillkürlich zurück. Sogar wenn sie weint, sieht sie wunderschön aus. Ich war nicht verrückt, sie sieht aus wie ein gottverdammter Engel! Auf einmal sehe ich nur noch sie im Tunnelblick und ohne es wirklich zu merken, habe ich mich ihr mit meinem Gesicht genähert, bis wir nurnoch wenige Zentimeter auseinander sind. Mit großen Augen schaut Penny mich an, nicht in der Lage sich zu bewegen. Da sie nicht zurückweicht schließe ich die Augen und will sie küssen. Aber anstatt auf ihre Lippen zu treffen, trifft mich eine schallende Ohrfeige und ich werde zurückgestoßen. Als ich erschrocken die Augen öffne, ist Penny schon aus der Tür raus. Ich will ihr nachrennen, aber dann merke ich endlich auch mal, dass das echt eine schlechte Idee ist. Wenn mich mit den verwuschelten Haaren und meinem freien Oberkörper jemand sehen würde, würde er sonstwas über mich denken. Und so falsch würde er auch nicht liegen! Ich riesiger Idiot! Scheisse, was habe ich getan?! Wütend auf mich selbst laufe ich in meinem Zimmer auf und ab und finde für den Rest des Abends keine Ruhe mehr. Ich hasse mich selber dafür, aber in meiner Verzweiflung greife ich zum Alkohol, der mich aber auch nicht beruhigen kann. Irgendwann muss ich heulend wie ein Kleinkind an Ort und Stelle eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wache ich auf dem Fußboden liegend und mit wahnsinnigem Kater wieder auf. Das war gestern wohl etwas zu viel Alkohol... Eilig werfe ich mir Aspirin ein und begnüge mich mit dem ekligen Filterkaffe, den die Kaffeemaschine mir ausspuckt. Dann packe ich eilig meine Sachen in die Koffer und springe in Rekordzeit unter die Dusche, um pünklich am Bus zu sein, der uns zum Flughafen bringt.

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