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-Pennys Sicht-

Ich sitze gerade in der Maske, als ich im Spiegel Niko erblicke, der den Raum betritt. „Guten Morgen! Wie fühlst du dich?" Er klingt recht freundlich und sieht auch so aus. Ich bin ein wenig erleichtert. „Wohl eher guten Mittag", grinse ich, „und es könnte mir besser gehen, aber ist schon ok." Er schnappt sich einen Hocker und setzt sich neben mich. „Hey hör mal, wenn das wegen gestern ist... Tut mir Leid, wenn ich zu neugierig war und dich damit bedrängt habe." Dankbar blinzle ih ihn an, werde jedoch von der Stylistin, die mir die Haare macht, zurecht gerückt und muss geradeaus schauen. „Danke, dass du das verstehst." „Ist doch klar! Samu tut das auch." „Hmpf, so klang es aber nicht gerade... Und wo ist er überhaupt?" „Noch vor der Halle einige Autogramme verteilen..." Er will mir also aus dem Weg gehen... Super! Genau diesen miesen, kleinen Stich ins Herz brauche ich vor dem Konzert... „Er wird noch kommen", redet Niko mir zu, der wohl meine Unruhe bemerkt haben muss. Tatsächlich erscheint Samu einige Minuten später und verhält sich, als wäre nichts weiter gewesen. Ist es für ihn doch in Ordnung? Oder will er mir nur vor dem Konzert die Laune nicht vermiesen?! Mit dieser Unsicherheit muss ich schließlich die Bühne betreten und verabschiede mich von den Jungs. „Denk dran, danach lassen wir die Sau raus", grinst Niko und ich nicke lächelnd. Mit einer Umarmung verabschiede ich mich erstmal von ihnen und steure die Bühne an, während sie von einem Crewmitglied in die erste Reihe geführt werden. Der Ausblick von der Bühne raubt mir den Atem. So viele Leute! „Wow, so viele wundervolle Menschen! Ich danke euch!" Der Applaus klingt nichtmal ansatzweise ab. Als das erste Lied kommt bin ich total nervös und verhaue einige Töne. Scheisse! Die Leute haben dafür doch gezahlt! Ich darf sie nicht enttäuschen! Hilfesuchend blicke ich in die erste Reihe und entdecke nach einem Moment, der mir jedoch wie eine Ewigkeit erscheint, Niko und Samu. Ich sehe ihn an, sehe in seine wundervollen Augen, die ohne wenn und aber auf mir ruhen und singe den Song zu Ende. Er gibt mir Kraft! Selbst wenn wir uns streiten oder zumindest nicht alles geklärt zu sein scheint! Ich liebe diesen Mann und muss einfach alles versuchen um besser mit seiner Offenheit klarzukommen. Das bin ich ihm schuldig, so viel wie er für mich tut! Das Konzert neigt sich dem Ende zu und das Publikum bettelt um eine Zugabe. „Na gut, noch einen Song!", verkünde ich lächelnd und beginne erneut zu singen. Samu, dieser Song ist allein für dich, denke ich mir und singe das wohl schönste Liebeslied aus meinem Album. Dabei kann ich ihn natürlich nicht die ganze Zeit ansehen, da das Publikum ja meine Aufmerksamkeit will und auch verdient hat! Ich hoffe er weiß, dass das für ihn ist! Ende. Ich verlasse die Bühne und verschwinde erstmal direkt in der Umkleide, um mich frisch zu machen. Erst jetzt merke ich, dass ich total starke Kopfschmerzen habe. Ich wasche mir mein Gesicht und schminke mich ab, nur um mich dann frisch zu schminken, da nach Konzerten immer noch viele Fotos entstehen. Anschließend werfe ich mir eine leichte Strickjacke über und will gerade den Raum verlassen, als es klopft. Ich öffne und erblicke Niko, der mich strahlend ansieht und dann in die Arme schließt. „Man, das war der Wahnsinn, hörst du! Ich werde in Zukunft auf jeden Fall wieder zu einem deiner Konzerte kommen!" Seine Umarmung tut mir gerade so gut, auch wenn eigentlich Samu an seiner Stelle sein sollte... „Danke Niko, ehrlich!" Ich schlucke um nicht los zu weinen; die Aufregung legt sich nämlich wieder und das ganze Gefühlschaos bricht erneut über mich hinein. „Kommst du dann jetzt mit in den umfunktionierten Partyraum?" „Okay." Ich lasse mich von Niko hinter ihm herziehen, bis uns laute Musik entgegenschallt. Himmel, mein Kopf platzt gleich! Direkt will mir jemand einen Drink in die Hand drücken, aber mir ist jetzt nicht danach. Ich hole mir lieber ein Glas Wasser. Auf dem Rückweg zu Niko halte ich nach Samu Ausschau, den ich allerdings in dem Gewimmel nicht entdecken kann. „Siehst du hier irgendwo Samu?", frage ich Niko, der dank seiner Größe einen besseren Überblick über die Räumlichkeit hat. Er sieht sich um. „Nein... warte, doch! Doch dort hinten!" Er springt auf und ab und winkt wild, bis Samu ihn gesehen zu haben scheint, da er damit wieder aufhört. „Kommt er?", frage ich hoffnungsvoll. „Ja." „Na? Tolle Show, Penny! Ich bin stolz auf dich!" Ich lächle ihn dankbar an, aber mich belastet die Situation zwischen uns immer noch und die Tatsache, dass er im Gegensatz zu sonst eher auf Abstand geht, beweist mir, dass es noch dringenden Redebedarf gibt. „Leute, ich habe starke Kopfschmerzen und gehe mal eben vor die Tür!", schreie ich gegen die Musik an. „Ok, mach das!" „Ach Samu, kannst du mitkommen, ich würd gern kurz mit dir reden!" Kurz... wers glaubt! „Ja, kl..." „Herr Haber, es will sie dringend jemand sprechen! Es ist wichtig und kann nicht warten!" Hin- und hergerissen sieht er zwischen dem streng dreinblickenden Mann und mir her. Der Mann beugt sich zu ihm und flüstert etwas in sein Ohr, woraufhin Samu sich wohl entscheidet mit ihm zu gehen. „Ich komme nach!", ruft er noch und dreht sich weg. Autsch. Mein kleines Herz fühlt sich an, als hätte es gerade einen kleinen Riss bekommen. Ich will doch nur eine Umarmung... Nur kurz spüren, dass wir uns lieben, auch wenn wir gerade streiten... „Na, ich geh dann mal, bis gleich!", entschuldige ich mich bei Niko und suche mir durch die vielen Gänge meinen Weg nach draußen. „Luft!" Ich atme tief durch und lehne mich erschöpft an die Wand. Ich hoffe, dass Samu tatsächlich gleich nachkommt, denn ich möchte das so schnell wie möglich alles klären! Als er nach etwa zehn Minuten immer noch nicht da ist, laufe ich wie ein Tiger im Zoo an der Scheibe entlang immer hin und her, als mir ein schwarzer Van auffällt, der uns vermutlich wohl später zum Hotel bringen wird. Man, die müssen noch ganz schön lange auf uns warten! - Hat denen denn niemand Bescheid gegeben?! Naja wie auch immer... Das ist Sinis Job und ich habe gerade andere Sorgen! Ich laufe weiter und kicke einen Kiesel vor mir her, der in kleinen hüpfenden Bewegungen davon springt, ehe ich ihn erneut wegtrete. Ich höre Schritte hinter mir. Samu! Er kommt doch noch! Ich will mich umdrehen, als ich ein Tuch vor den Mund gepresst bekomme und grob von hinten festgehalten werde, sodass ich keine Chance habe mich zu wehren. Ich will schreien, aber das Tuch vor meinem Mund hindert mich daran. Ich stolpere. Alles ist auf einmal ganz verschwommen und wankt. Ich versuche verzweifelt um mich zu schlagen, aber der Griff ist zu stark und ich habe das Gefühl, die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren. In mir breitet sich Panik aus. Hilfe!, denke ich. Dann spüre ich einen stechenden Schmerz im Arm und mir wird immer schwindeliger. Ich bekomme noch vage mit, wie ich in den Van von vorhin getragen werde. Die Tür schließt sich mit einem lauten Knall; dann wird mir schwarz vor Augen.

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