Freier Fall

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Ich glotzte ihn dumm an und war ausnahmsweise sprachlos. Die Gefangenschaft war ihm wohl nicht gut bekommen. Er sah älter aus, als er sein sollte und er wirkte ausgezehrt und wild. Ich wollte gar nicht wissen wie lange er an diesem Plan gesessen hatte. Offenbar ziemlich lange, wenn es ihm gelungen war, mich zu überlisten.

Wie konnte er wissen, dass ich hier hoch fliehen würde? Seine Frau wollte doch, dass ich nach unten gehe!

„Schauen Sie nicht so, meine Liebe. Es war leicht, Ihr Vorgehen zu erraten. Entweder Sie würden zu Ihren Freunden fliehen, die gerade übrigens reichlich beschäftigt sind, oder Sie würden nach oben gehen oder einfach zu mir kommen, um mir Ihre niveaulosen Sprüche um die Ohren zu hauen. Das war ziemlich leicht", höhnte er.

Ich verzog das Gesicht. War ich wirklich so leicht zu lesen?

„Was soll das denn heißen? Meine ‚Sprüche' haben mehr Niveau als Ihre Frau!", blaffte ich beleidigt.

Er blinzelte kurz und ich stellte belustigt fest, dass er offenbar erwartet hatte, dass ich jetzt Panik schieben würde. Jetzt, wo er vor mir stand und ich nicht mehr flüchten musste, fühlte ich mich gleich viel wohler. Ich war zur Hälfte ein Raubtier, da gefiel mir einfach die Rolle des Gejagten nicht.

Ich ließ kurz meinen Blick schweifen. Es war zu gefährlich, mich hier zu verwandeln. Beim ersten Angriff würde ich ausrutschen und einen auf abgeschossene Ente machen. Ein toter Wolf da unten in der Halle war nicht gerade mein Ziel. Also musste ich es so schaffen. Ohne Shadow und als Mensch. Das würde spaßig werden.

Zum Glück bin ich gut im Improvisieren.

Gelassen verschränkte ich die Arme und hoffte, dass das im Kleid nicht allzu scheiße aussah.

„Das ist ja alles schön und gut, aber was genau haben Sie jetzt eigentlich vor? Mich umbringen, ja, das ist ja logisch. Aber darf ich erfahren, wie?", versuchte ich rauszufinden.

Er starrte mich an, dann schnaubte er: „Immer die Schlagfertige, was?"

„Das ist wirklich nervig", sagte eine Stimme und seine Frau schwang sich hinter mir hoch, stolzierte um mich herum und stellte sich neben Daltonson.

Dabei fuhr sie ihm erotisch mit der Hand unterm Kinn entlang. Ich verzog angewidert das Gesicht.

„Ist ja schön, dass Sie sich gefunden haben, aber könnten Sie das bitte woanders machen? Oder am besten nie? Vor allem ist sie ja größer als Sie, Daltonson! Das sieht doch total scheiße aus", palaverte ich und scannte dabei unauffällig die Umgebung.

Richards ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und auch Daltonson wurde von ihr sanft, aber bestimmt zurückgehalten. Sofort witterte ich meine Chance.

Wenn ich die beiden trenne und Daltonson wütend mache, dann wird er wieder Amok laufen und eine leichte Beute. Tja, nur leider ist das mit dem Trennen quasi unmöglich.

Da bemerkte ich, dass sie leicht angeschlagen aussah und ihr Hals Würgemale aufwies. Ich fragte mich, mit wem sie zusammengetroffen war. Wahrscheinlich Natasha. Aber wo war sie dann jetzt?

Wenn sie verletzt ist, dann ist mir alles egal!

„Nun, Sie haben mich ruiniert. Aber dank Ihnen habe ich meine bezaubernde Frau getroffen und beschlossen, dass ich Ihnen dafür danken muss", erklärte er mir geduldig und mit einem gütigen Lächeln.

„Wer's glaubt", brummte ich.

„Ich werde Sie deshalb schnell töten", endete er und richtete aus dem Nichts eine Pistole auf mich.

Schwungvoll tat ich einen Satz zur Seite und sprang. Gerade so erreichte ich die Gerüstebene über mir und zog mich langsam hoch. Zwei Schüsse ertönten, als ich mich aufrappelte und dann sprang Richards hinter mir her. Ich rannte los und sprang zwischen Farbeimern, Werkzeugen und Plastikplanen hin und her, immer schön im Kreis um die Kuppel. Meine Schritte hallten in dem riesigen Gewölbe.

Night Wolf  ~Avengers/Marvel FF~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt