Tagesanbruch

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Ächzend wickelte ich das Handtuch fest um meinen Körper und starrte in den Spiegel. Es war zwei Stunden her, seit Natasha mich blutend aus der Tür geschleppt und in ein Taxi gesetzt hatte. Wanda war fuchsteufelswild gewesen, Steve dagegen unendlich besorgt. Aber ich hatte keinen Arzt gewollt. Ich wollte Bruce. Aber der war fort.

Meine Laune war wirklich miserabel. Ich hatte eine halbe Stunde mit Clint telefoniert, dann kurz mit Tony. Beide machten sich Sorgen um mich und waren absolut außer sich, dass Daltonson freigekommen war. Kaum war ich zur Pension gekommen, hatte Shadow mich besorgt belagert. Nur wegen meinen Wunden war ich nicht - mal wieder - in einem Baum gelandet, um über mein Verhalten nachzudenken.

Dieser Drache ist schlimmer als mein Vater!

Jetzt lagerte sie auf dem Dach und bewachte alles und jeden, der sich dem Gebäude näherte.

Mit einem Mal ging die Tür auf und ich fuhr überrascht herum, eine Hand hielt das Handtuch davon ab, sich zu verabschieden. In der Tür stand Bucky und starrte mich überrumpelt an.

„Oh, das... tut mir leid", brachte er hervor und starrte mich an.

Man musste ihm zugutehalten, dass das beschissene Handtuch gerade so meine Brüste bis zu meinen Oberschenkeln bedeckte und ich nass war und gerötete Haut hatte. Dennoch funkelte ich ihn entnervt an.

„Guck woanders hin, du Spanner!", motzte ich.

Er wurde doch tatsächlich rot und drehte sich weg, sodass ich nach meinem Schlafanzug greifen konnte. Hastig und unter Schmerzen zog ich mich an, dann gab ich ihm mit einem Grummeln zu verstehen, dass er sich wieder umdrehen konnte. Langsam wandte er sich um.

Er hätte auch einfach rausgehen können.

„Was willst du denn noch?", blaffte ich und stellte mich vor den Spiegel, um meine zerzausten Haare irgendwie zu bändigen.

Sicher hätte das auch Wanda gemacht, doch als sie in ihrer Überfürsorge mit mir duschen gehen wollte - „Was ist, wenn du dich auf die Nase legst und nicht mehr hochkommst?" - hatte ich sie rausgeschmissen. Ich wollte einfach alleine sein und in Selbsthass ertrinken, weil ich es schon wieder geschafft hatte, mich fast umbringen zu lassen.

„Wie geht es dir?"

Seine Stimme war so ruhig, dass ich innehielt. Bekümmert ließ ich meine Haare Haare sein und sah an mir herunter. Meine Hose war kurz, sodass man die genähte Verletzung sehen konnte, die der Streifschuss hinterlassen hatte.

Ich hätte intelligenter sein sollen. Schneller. Stärker.

„Mir geht's wundervoll. Wieso auch nicht? Ich bin ohne meinen Drachen offenbar nicht lebensfähig, wie soll's mir denn da schlecht gehen?", murrte ich und atmete ein paarmal tief durch.

Dabei starrte ich verbissen auf mein Spiegelbild. Ich wollte nicht sehen, was Bucky dachte, der doch ein verdammter Killer gewesen war und alles überleben konnte. Ohne ihn wäre ich tot.

„Das bist du nicht. Du lebst noch, oder nicht? Du hast dich doch nur für Natasha in Gefahr gebracht", widersprach er ernst.

Ich drehte mich um und sah ihn an. So viele Erkenntnisse hatten mich bestürmt, dass ich in meiner Überforderung einfach versucht hatte, alle Leute von mir zu stoßen und ein paar dieser Gedanken zu sortieren. Seufzend verschränkte ich die Arme und verzog das Gesicht, als es in meiner Seite pochte.

„Danke für deine Hilfe. Ich wusste, dass du trotzdem kommen würdest, auch wenn ich einfach abgehauen bin", wechselte ich das Thema.

Tatsächlich hatte ich keine Sekunde daran gezweifelt. Er zog verwundert eine Augenbraue hoch.

Night Wolf  ~Avengers/Marvel FF~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt