Gütig

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Genervt zerknüllte ich das vollgekritzelte Blatt und warf es über die Schulter. Natürlich trat genau in dem Moment Bucky ein und bekam das Geschoss gegen den Kopf. Schlecht gelaunt ließ ich die Stirn auf den Tisch fallen und gab einen langgezogenen Grummellaut von mir.

„Was ist denn bei dir los?", fragte er, aber seine Stimme war immer noch so zurückhaltend wie in den letzten beiden Tagen nach dem Film.

Das hatte meine Laune logischerweise auch nicht gerade verbessert. Entnervt drehte ich mich um und sah zu ihm hinüber.

„Ich will Shadows Sattel upgraden, aber ohne Tonys Hilfe kriege ich nicht mal eine vernünftige Skizze zustande!", beschwerte ich mich und betrachtete die zig anderen Papierbälle, die ich im Laufe des Tages verteilt hatte.

„Es tut mir leid", murmelte Bucky.

Verwundert blickte ich auf und stellte fest, dass er reuevoll auf das Chaos schaute.

Na super, jetzt fühle ich mich schlecht, weil das wie eine Anschuldigung klang.

Ich seufzte: „Das ist nicht deine Schuld. Auch ohne dich wäre ein Streit über diesen Regierungswisch ausgebrochen und ich hätte mich so oder so dagegen wenden müssen. Shadow zuliebe."

Er starrte mich einen Augenblick lang an, dann wandte er den Blick ab.

„Ich werde nie verstehen, wie diese Verbindung zwischen euch funktioniert. Das ist wirklich verwirrend", wechselte er das Thema.

Ich zuckte mit den Schultern, dann stand ich auf und klatschte in die Hände. Gleichzeitig verdrängte ich erfolgreich alle negativen Gedanken.

„Auf geht's, hol deine Sachen. Wir gehen in ein Altersheim."

Er stutzte, dann sah er mich wieder mal mit seinem „Hast du sie noch alle?"-Blick an. Ich grinste schief.

„Das nächste Wort. Auf", drängte ich und scheuchte ihn vor mir her aus dem Jet.

****

Das Altersheim, das ich anstrebte, war eigentlich eher ein betreutes Wohnen. Es war in Irland auf einem netten Anwesen nahe des Meeres. Als wir dort auftauchten, musste ich erstmal eine halbe Stunde mit den Leuten in der Rezeption diskutieren. Sie waren wohl einfach verwirrt, dass jemand freiwillig ein Altersheim besuchte, ohne irgendwelche Verwandte dort zu haben.

Bucky war reichlich verkrampft, als wir dann in den Aufenthaltsraum geführt wurden. Er bleib erstmal stehen, während ich zielstrebig auf eine alte Dame zuhielt, die allein auf einem Sofa saß und vor sich ein Kartenspiel hatte.

„Meine Spielpartner sind beide in den letzten zwei Wochen gestorben", krächzte sie, nachdem ich uns vorgestellt hatte.

„Oh, da können wir vielleicht einspringen", schlug ich vor und winkte Bucky näher.

Er ließ sich angespannt neben mir nieder und flüsterte: „Das ist eine schlechte Idee."

„Nein, ist es nicht. Lass mich nur machen!"

Er benimmt sich, als wären das alles HYDRA-Leute in Rente, die gleich aufspringen und ihn mit Häkelnadeln bedrohen!

Es war herzerwärmend für mich, wie die alte Dame sich freute. Ich hatte mal eine Zeit lang mit meiner Tante Lily alte Demenzkranke besucht und daher wusste ich, wie man mit alten Leuten umging. Lily hatte mir beigebracht, dass das Güte bedeutete und Barmherzigkeit. Sie hatte mir gezeigt, dass die Menschen nicht alle böse waren. Alte hatten ein ganzes Leben voller Erfahrungen hinter sich und ihre Geschichten waren es wert, gehört zu werden.

Night Wolf  ~Avengers/Marvel FF~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt