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Am Mittwoch schrieben wir einen Test in Geografie. Ich hatte ihn nicht vergessen! Deshalb konnte ich mich im Vorfeld gut vorbereiten und hatte keine Probleme die Aufgaben zu lösen.
Zufrieden gab ich den Test am Ende der Stunde ab und schlenderte mit Mary nach draußen. Wir setzten uns auf eine Bank, die im Schatten von Bäumen stand und redeten über gestern. Ich erzählte ihr von meinen langen Gesprächen mit Lara und dass ich mich sehr gefreut hatte sie wieder zu sehen.

Nach einigen Minuten nahm ich eine Bewegung hinter mir wahr und schaute über meine Schulter. Dort stand Damon Mitchell. Was zum Teufel machte Damon Mitchell hier?

„Hey, Aria. Schön dich zu sehen."

„Was machst du hier?"

Er grinste. „Wird das jetzt zu unserem Begrüßungsritual?"

„Keine Ahnung, wovon du sprichst.", ich zuckte mit den Schultern.

Er setzte sich zu uns auf die Bank.

„Ich spreche von gestern. Da hast du genau dasselbe zu mir gesagt."

Ich rückte von ihm ab.
„Was soll gestern gewesen sein? Wo sollen wir uns getroffen haben?"

„Im Café? Wir haben uns unterhalten und dann kam deine Freundin. Hast du das schon wieder vergessen?"

Irgendwie sah er geknickt aus.

„Moment...woher weißt du, dass Lara und ich uns im Café getroffen haben?"

„Na, das habe ich dir doch gerade gesagt. Weil du und ich vorher miteinander gesprochen haben. Das kannst du doch nicht vergessen haben."

„Dieses Gespräch hat nie stattgefunden."

„Meinetwegen. Dann frag deine Freundin.", da war etwas aufforderndes in seinem Blick. Sein Selbstbewusstsein machte mich unsicher. Hatte dieses Gespräch mit ihm gestern wirklich stattgefunden? War es möglich, dass ich es komplett vergessen hatte? Mein Gehirn wollte mir den Zugang zu einigen Erinnerungen nicht gestatten. Es fühlte sich so an, als würden meine Erinnerungen ein großes Puzzle sein, aus welchem wahllos ein paar Teile entfernt wurden. An einigen Stellen machte es deshalb keinen Sinn mehr.

Weil ich nicht wie ein totaler Freak dastehen wollte, entschied ich mich meine Strategie zu ändern.

Ich kicherte.

„Man, Damon. Ich meine das doch nicht ernst. Du hättest mal dein Gesicht sehen müssen! Natürlich erinnere ich mich an gestern."

Sein Gesicht hellte sich auf. Er lehnte sich zurück und wirkte erleichtert.
Es war seltsam so zu tun, als würde ich mich an etwas erinnern, was ich komplett vergessen hatte. Als würde ich ein Leben erfinden, das ich niemals so führen würde. Ein Leben, in dem ich mit Damon Mitchell sprach, als wären wir Vertraute. Doch, obwohl diese Geschichte ausgedacht war, saß er in der Wirklichkeit neben mir.

„Verdammt, kannst du gut lügen.", fuhr es aus ihm heraus. Er stricht sich durch seine Haare. Das taten so viele Jungen.

„Ja. Manchmal ist diese Eigenschaft ganz schön hilfreich."

Mary, die bis jetzt still im Hintergrund die Szene verfolgt hatte, räusperte sich. Ich drehte mich mit einem Fragezeichen im Gesicht zu ihr. Sie hob verständnislos die Schultern. Anscheinend wusste sie genauso wenig wie ich, was hier vor sich ging. Irgendwie beruhigte mich das.

„Damon, darf ich dir Mary vorstellen?"

Ich wollte weg von dem Thema, welches mich betraf, bei dem ich aber nicht mitsprechen konnte.

„Hallo Mary. Schön dich mal wieder zu sehen."
Mary sah ihn mit spitzen Lippen an, doch Damon ließ sich nicht beirren.

„Ich habe was für dich." sagte er zu mir.

Er zauberte eine Tüte Kekse hinter seinem Rücken hervor.

„Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich gestern so gierig war und dir die als Friedensangebot überreichen."

Ich freute mich über das Geschenk. Die Kekse waren klein und lieblich verziert. Ich hatte Lust sie gleich aufzureißen und zu probieren. Doch dann bildete sich ein Klos in meinem Hals. Was, verdammt, war gestern passiert?

„Danke... das war doch nicht nötig gewesen.", stammelte ich verlegen. Die Tüte knisterte, als ich sie in meiner Hand drehte, um die Kekse zu betrachten.

„Doch. Das war es. Wir hatten keinen guten Start, was mitunter an den Keksen lag. Ich möchte, dass wir einen Neuanfang wagen."

Er interpretierte meinen verlorenen Gesichtsausdruck falsch.

„War das zu dramatisch? Tut mir leid. Ich habe das nur noch nicht allzu oft getan."

Jetzt konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich wollte umgehend wissen, was gestern passiert war, dass Damon so nett zu mir war. Hatte er mir irgendetwas anvertraut? Hatte ich durch Zufall ein wichtiges Geheimnis von ihm herausgefunden und deshalb wollte er sich mit mir gut stellen? Dann müsste ich dieses Spiel auf jeden Fall weiterspielen.
Es war schön, auch mal freundlich von den Footballspielern behandelt zu werden.

„Ist schon ok, Damon. Ich sehe, dass du dir Mühe gibst. Das ist das Wichtigste. Das werde ich mir merken.", versuchte ich anzudeuten. Ich würde sein Geheimnis nicht verraten, wenn er weiterhin freundlich zu mir sein würde.
Doch ich merkte schnell, dass ich auf dem Holzweg war, denn sein Blick war fragend.

„Alles klar... cool... schätze ich...", meinte er unschlüssig.

Ich wäre am liebsten im Boden versunken.

„Ups. Jetzt war ich wohl zu dramatisch.", versuchte ich mich aus der Situation zu retten. Zum Glück funktionierte es und er musste lachen.

„Ich trage es dir nicht nach."

Ich sah, wie seine Freunde ihm aus einigen Metern Entfernung zu sich winkten.

„Tja. Die Pflicht ruft.", sagte er, grinste mich ein letztes Mal schief an und schlenderte dann in Seelenruhe zu seinen Freunden.

Jetzt müsste ich erstmal einen Anruf tätigen.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt