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Das Spiel begann und langsam machten Charles Erklärungen Sinn. Alle paar Minuten wurde das Spiel unterbrochen und die Spieler diskutierten mit dem Schiedsrichter über einen angeblichen Regelverstoß. Ich versuchte gar nicht erst herauszufinden, wo vermutlich die Probleme lagen. Verstehen würde ich es eh nicht.

Trotz meines Unwissens machte es mir Spaß Damon zuzusehen. Selbst wenn er rannte, sah er unglaublich attraktiv aus. Der grüne Helm strahlte im Sonnenlicht aber verdeckte leider sein fantastisches Gesicht.

„Was möchtest du später einmal werden, Aria?", fragte mich Marleen auf einmal. Ich drehte mich zu ihr um und sah, dass sie sich eine große, dunkle Sonnenbrille aufgesetzt hatte. Ich bereute, dass ich nicht auch an dieses Accessoire gedacht hatte. Die Sonne funkelte am Himmel und reflektierte sich an nahezu jeder Oberfläche. Ich blinzelte Damons Mutter an.

„Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Auf jeden Fall irgendetwas mit Menschen.", unwillkürlich musste ich an ein früheres Gespräch mit Kyle denken. Er hatte mich dasselbe gefragt und ich habe ebenso leidenschaftlich reagiert. Doch Damons Mutter sah bei weitem nicht so entspannt aus wie Kyle.

„Du weißt noch nichts Genaueres? Aber bei dir ist es doch auch bald soweit!", ich widerstand dem Drang meine Oberlippe schmollend nach vorne zu schieben. Ich hatte immerhin noch zwei Jahre. Es war nicht so, als würde ich nächste Woche meinen Abschluss machen und müsste mich für eine Universität bewerben. Ich hatte noch Zeit. Langsam erschlich mich das Gefühl, Marleen hätte etwas gegen mich. Und dann war es plötzlich wieder da. Das unwohle Gefühl, welches mich klein und hilflos erscheinen ließ.
Ich musste ganz schnell hier weg, ehe ich noch anfing zu weinen, wie ein kleines Kind, welches eben für eine Missetat ausgeschimpft wurde.

Als hätte mich eine höhere Macht erhört, pfiff der Schiedsrichter zur Pause des ersten Quarters und ich nutze die Chance, um vor der peinlichen Situation zu fliehen.

„Ich gehe mal eben zu Damon, schauen, wie es ihm so geht.", murmelte ich in mich herein und stürzte Richtung Spielfeld. Ich hörte gerade noch, wie Charles „aber die Pause geht nur zwei Minuten!", rief, dann duckte ich mich schnell ab und suchte den Platz nach Damon ab.

Doch ich fand ihn nicht. Ich biss mir auf die Lippen. Zum Glück waren einige Eltern gekommen. So konnten Damons Eltern meine Orientierungslosigkeit nicht sehen. Ich war nicht mehr in ihrem Blickwinkel. Peinlich war mir meine Flucht allerdings trotzdem.

„Hallo, du Schöne. Bist du auf der Suche nach deinem Biest?", er war noch einige Meter entfernt und doch hörte ich seine Stimme, als stünde er genau neben mir. Mit ihr verband ich nichts Gutes. Eine gefühllose Kälte durchwanderte meinen Körper und nahm von meinem Innersten Besitz an.

„Das geht dich gar nichts an, Kyle.", zischte ich völlig verändert. War meine Stimme vorhin noch leise und schüchtern gewesen, hatte sie nun eine ganz andere Farbe angenommen. Sie war kalt und bitter und ließ sogar mich überrascht schaudern.

„Natürlich geht mich das was an. Besonders, weil ich dir etwas sagen muss, was dich mit Sicherheit interessieren wird.", nun stand er genau vor mir. Er hatte in einer Hand eine Trinkflasche und in der anderen seinen Helm. Schweiß glänzte auf seiner Stirn und ließ sein Gesicht ungewohnt belebt aussehen.

Kyle war ein Spieler der Offense, was im Klartext bedeutete, dass er Damons Gegenspieler war. Wenn das nicht Ironie des Schicksals war. Doch was hatte er da angedeutet? Was wollte er mir erzählen? Etwa eine weitere Lüge über Damon, welche einen Keil zwischen uns bringen sollte? Keine Chance!

„Na dann schieß mal los.", erwiderte ich genervt und stützte meine Hände in die Taille. Ich war gespannt, was er mir berichten wollte. Etwa etwas, über eine von Damons Exfreundinnen oder vielleicht doch eine Affäre? Welchen Weg würde Kyle wählen? Einen harmlosen, oder doch den skrupellosen?

„Vielleicht solltest du ihn zu seiner besonderen Freizeitaktivität befragen. Seit einiger Zeit spielt er eine sehr ambivalente Rolle. Dir gegenüber ist er der perfekte Gentleman, aber du solltest nicht so leichtgläubig sein. Er verbirgt ein Geheimnis hinter seiner glaubwürdigen Fassade.", worauf wollte Kyle damit anspielen? Ich hatte nicht mit solch einer wagen Aussage gerechnet. Er konnte mit dieser Anschuldigung praktisch alles meinen.

Kyles Taktik funktionierte. Langsam wurde ich unsicher.
Während ich mit mir selber kämpft, ob ich ihm Glauben schenken sollte, nutze er meine abwesende Phase und überbrückte den Abstand zwischen uns. Ehe ich mich versah, stand er unmittelbar vor mir und ich erinnerte mich an den Tag unseres Kusses zurück. Genau so hatte es angefangen.
Ich hielt den Atem an. Mir war es unmöglich, mich zu bewegen.
Kyle nahm eine meiner blonden Strähnen in die Hände und drehte eine Locke in sie.

„Ich liebe Mädchen mit blonden Haaren. Sie sehen aus wie Engel.", flüsterte er an meine Wange. Jetzt reichte es aber! Gerade, als ich dazu ansetze, ihm zu sagen, wo der Engel ihm eine Faust hinschlagen würde, sollte er nicht seine Giftgriffel von meinen Haaren nehmen, hörte ich Damons Stimme. Und sie war wütend. Aggressiv.

„Nimm deine Finger von ihr!", mit einer brutalen Bewegung schubste Damon Kyle von mir weg, sodass er unvorbereitet nach hinten taumelte.

„Du lässt sie ein für alle Mal in Ruhe! Sie will dich nicht. Sie gehört zu mir!", er spuckte ihm die Worte entgegen. In seiner Stimme war so viel Abschaum zu hören, dass ich für einige Sekunden erstarrte und die Szenerie hilflos mitverfolgte.

„Das hat sich anders angefühlt, als sie mich geküsst hat.", ganz offensichtlich hatte sich Kyle wieder gefangen und holte zum Gegenschlag aus. Wenn das kein Fehler gewesen war. Grüne Augen fixierten braune. Hass traf auf Spott. Eine explosive Mischung. Ich spürte, dass Damon in den nächsten Augenblicken auf Kyle losgehen würde. Sofort wurde mir klar, dass ich etwas dagegen tun musste. Ich wollte nicht wie die Mädchen in den Büchern und Filmen enden, die lediglich dabei zusahen, wie die Jungen sich wegen ihr schlugen. Ich wusste das zu verhindern. Deshalb stellte ich mich zwischen die beiden. Nicht um Kyle zu schützen, sondern um Damon davon abzuhalten sich selber zu verlieren. Das war er nicht. Er war so viel besser als das.

„Damon.", hauchte ich ihm zu. Wieder traf grün auf braun. Aber es war eine andere Art von braun. Weniger dunkel und viel glitzernder, was an den Tränen, die sich unbewusst in meinen Augen gesammelt hatten, lag. Ich war schlicht weg überfordert mit dieser Situation. Durch meinen verzweifelten Blick versuchte ich Damon meine Gefühle zu übermitteln. Ich spürte, wie er sich allmählich wieder entspannte. Seine gerade noch trüben Augen wurden wieder klar und er blinzelte einige Male. In diesem Moment hörte ich einen Pfiff, welcher den Beginn des zweiten Quarter ankündigte.

„Ich liebe dich. Und jetzt zeig es den Idioten da draußen.", flüsterte ich meiner großen Liebe ins Ohr und blickte ihm wieder ins Gesicht. Auch wenn er deutlich besser aussah, als vor wenigen Sekunden, war seine Miene immer noch undurchdringlich. Er erwiderte nichts auf mein Geständnis, sondern drückte mich lediglich kurz an sich und stürmte dann wieder auf das Spielfeld.
Dann fiel mir Kyle wieder ein. Ich drehte mich zu ihm um und beäugte ihn missmutig.

„Das ist nur wegen dir passiert!", meine Stimme überschlug sich, während ich ihn mit meinen Blicken zu töten versuchte.

„Das glaubst du doch wohl selber nicht! Damon ist, wie er ist. Und vergiss nicht, ihn nach seiner Lieblingsbeschäftigung auszufragen.", er setze seinen Helm wieder auf und versuchte mir beim Vorbeigehen über die Wange zu streicheln.

„Wag es bloß nicht.", fauchte ich und blickte wütend in das Innere des Kopfschutzes. Er warf mir einen letzten verschmitzten Blick zu, ehe er sich umdrehte und ebenfalls wieder auf das Feld rannte.

Was war das denn eben gewesen?

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt