30

171 9 0
                                    

„Ich weiß ja nicht, ob es eine so gute Idee war, in diesen Film zu gehen. Ich habe mir mal den Trailer dazu angeschaut und der hatte es schon ganz schön in sich."

Es war ein ganz normaler Freitag. Ich saß mit meiner Freundin in einem ganz normalen Kino und in wenigen Minuten würden wir einen ganz normalen Film schauen, der anscheinend -laut Mary- ein wenig brutal sein würde. Doch das machte mir nichts aus. Ich freute mich darüber, endlich mal wieder etwas zu tun, was auch eine einfache Jugendliche in meinem Alter tat. In letzter Zeit gab es in meinem Leben ganz schön viele Tiefs, da musste es doch langsam mal wieder bergauf gehen.

„Ich will ja nichts sagen, aber ich finde es schon etwas fragwürdig, wenn die angeblichen „Guten" in den Filmen immer in Städten kämpfen müssen. Ständig explodieren Häuser, in denen Menschen arbeiten und wohnen, aber das ist denen ja egal."

Ich schmunzelte über ihre Bemerkung und griff in meine Popcorntüte. Doch alles, was ich erfühlte, war Luft. Skeptisch äugte ich in den Behälter und kniff meine Augen zusammen. Durch das gedämmte Licht konnte ich nur schlecht den Boden ausmachen, doch auch als ich sie schüttelte, gab die Tüte keine Geräusche mehr von sich. Der Fall war klar.

„Mist", murmelte ich genervt.
Mit gerunzelter Stirn verfolgte Mary meinen Blick, sie schien kurz zu überlegen und schaute mich dann vollkommen entsetzt an.

„Sag nicht, dass du dein Popcorn jetzt schon aufgegessen hast.", kicherte sie ein wenig zu laut, sodass sie viele giftige Blicke erntete. Meine Güte, was war denn mit allen los? Der Film hatte doch noch gar nicht angefangen.

„Ich kann doch nichts dafür, dass die Werbung so lange ging.", erwiderte ich zerknirscht. Ich war frustriert. Die ganze Zeit war ich mit meinen Gedanken immer wieder abgeschweift, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie ich mir mechanisch die Zuckerklumpen in den Mund gesteckt hatte.

„Ich hole mir Nachschub.", beschloss ich kurzerhand und erntete damit einen vorwurfsvollen Blick von Mary.

„Lass mich mal bitte durch. Kann ich dir noch was besorgen?", sie ließ machte sich dünn, schüttelte ihren Kopf und schlürfte an ihrem Wasser. Ich hatte langsam das Gefühl, dass sie immer pingeliger wurde. Doch mir sollte es recht sein. Ich verzichtete nur selten auf eine mächtige Kalorienbombe.
Mit gesenktem Kopf lief ich Richtung Ausgang und wurde wieder missmutig von einigen Menschen beäugt. Diesmal konnte ich es aber verstehen, schließlich wurden soeben die Eissorten des Kinos gezeigt.

Ich lief eilig zur Kasse und überlegte meine Wünsche. Ein großer, blondhaariger Junge stand vor mir und grinste mich an, er hatte schon vorhin meine Bestellung aufgenommen. Er war vielleicht ein bis zwei Jahre älter als ich und strahlte ein Selbstbewusstsein aus, welches mich für einen Augenblick sprachlos machte.

„Was darf es sein? Nochmal Popcorn?", oh verdammt. Er konnte sich wohl an mich erinnern. Ich muss ihm wahnsinnig gefräßig vorkommen.

„Nein, ich hätte gerne Nachos,", kurz hielt ich inne „und eine Packung Erdnüsse bitte. Für meine Freundin.", den letzten Satz flüsterte ich beschämt und spürte wie sich mein Gesicht vor Scham rötete.

Während der Junge meine Nachos in einen Plastikbehälter schüttete, sah er mich belustigt an.

„Welchen Film schaust du dir an?"

„Diesen neuen Actionfilm, von dem alle so schwärmen."

Das schien ihn zu überraschen.
„So ein harter Tobak für so ein zartes Mädchen?"

„Ich kann mehr aushalten als du denkst!", antwortete ich kampflustig. Er ahnte ja gar nicht, wie wahr diese Aussage war.

„Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.", er schob mir die Nachos entgegen und legte die Erdnüsse mit dazu.

„Wie viel schulde ich dir?", fragte ich ihn und öffnete mein Portemonnaie.

„Gar nichts, wenn du mir deine Nummer gibst.", ich hielt in meiner Bewegung inne und schaute ihn ungläubig ab. Es war das erste Mal, dass mich ein Junge so direkt nach meiner Nummer fragte und ich wusste tatsächlich nicht, was ich tun sollte. Für einen kurzen Augenblick dachte ich tatsächlich darüber nach. Was wäre denn schon groß dabei? Doch gerade, als ich ihm die erste Ziffer nennen wollte, berührte mich etwas an meiner Schulter.

„Das wird nicht nötig sein.", grummelte ein tiefe Stimme hinter mir und zog mich näher an sich heran. Vor Schreck wirbelte ich schockiert herum und sah in die wunderschönen grünen Augen meines Schwarms.
Er betrachtete mich mit einem sanften Blick und brachte mein Gehirn augenblicklich zum Stillstand.
Nicht einen klaren Gedanken konnte ich mehr fassen. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, meinen Körper zu beruhigen. Doch er gehorchte mir nicht länger. Er hatte längst verstanden, dass die Person meiner Begierde nur wenige Millimeter von mir entfernt war und schaltete sich deshalb in den Alarmmodus.

Die Härchen auf meinem Nacken richteten sich auf, als ich mich wieder zum Kassierer umdrehte und Damons Atem auf meiner Haut spüren konnte. Mein Herz hüpfte munter hin und her, bis ich versuchte wieder klar zu denken.

Nein, ich durfte so nicht mehr reagieren. Es ist falsch, dass sich seine Nähe so richtig anfühlt. Ich durfte keine Gefühle für ihn haben, weil ich ihn somit unweigerlich verletzten würde.
Dieser Gedanke ließ mein Gehirn wieder in die Realität kommen. Mein Herz wurde allmählich langsamer und ich hatte beinahe Angst, dass es ganz zum Stillstand kommen würde.

Es konnte die Vorstellung, Damon einfach ziehen zu lassen, nicht ertragen. Eine Übelkeit ergriff mich und die Nachos, die soeben noch so furchtbar lecker aussahen, ließen meinen Magen umdrehen.
Damon bekam von dem Gefühlschaos, welches er unwissentlich angerichtet hatte, nichts mit. Er fragte den Kassierer nach dem Preis und schob ihm dann einen Schein zu. Das alles ging so schnell, dass ich nicht wirklich reagieren konnte. Ich stand einfach nur reglos da, bis mich Damon vorsichtig mit sich zog. Ich ließ ihn gewähren.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt