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„Wie kannst du dir nur unter all diesen leckeren Sorten Zitrone auswählen?", sein Blick strotzte nur vor Verständnislosigkeit. Seine Augenbrauen waren hochgezogen und die Augen zusammengekniffen.

„Ich verurteile dich nicht, wegen deiner Wahl, also verurteile du mich nicht, wegen meiner.", genüsslich schleckte ich an der cremigen Masse.

Wir saßen auf einer Bank im Schatten eines Baums. Die ersten Blätter waren auf den Boden gefallen, was darauf hindeutete, dass der Herbst vor der Tür stand. Dann könnte diese furchtbare Hitze doch bitte bald vorbei sein!
Die Atmosphäre war friedlich. Wir redeten nicht ununterbrochen, da es keineswegs unangenehm war, wenn mir mal schwiegen. Genau genommen war es unsere stille Verständigung, die uns enger zusammenschweißte. Enger, als es Worte je gekonnt hätten.

„Warum lächelst du so?"

Seine Frage riss mich aus meinen Gedanken. Oh nein. Ich spürte ein breites Grinsen auf meinen Lippen. Meine Wangen taten allmählich weh, was mich darauf schließen ließ, dass ich schon eine ganze Weile so dagesessen hatte.

„Habe ich etwas im Gesicht?"

Von deinen unglaublichen Augen mal abgesehen...

„Nein... Entschuldigung. Ich habe nur über etwas nachgedacht."

Kaum merklich rückte er näher an mich heran. Ganz automatisch reagierte mein Körper mit einer Welle von Gefühlen, die ich mit einem Räuspern zu quittieren versuchte.

„Ich würde zu gerne wissen, was in deinem Kopf vor sich geht."

Lange, zu lange sah er mich einfach nur an. Wenn er nicht bald wegsah, überhitzte mein Körper womöglich noch. Wie konnte er das nur verantworten?

„Schau mich nicht so an.", sagte ich nach einer Weile schüchtern und blickte auf meine Füße.

„Wieso denn nicht?"

„Das macht mich ganz wuschig."

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Es wirkte so sorglos, so ehrlich. 

„Vielleicht mag ich es ja, wenn du wuschig wirst."

Ich sah ihn wieder an. In seinen Augen sah ich nichts Anzügliches. Viel eher wirkte er auf mich aufgeräumt, was ich gar nicht nachvollziehen konnte, da meine innere Gefühlslage momentan einem überfüllten Rummelplatz glich. Überall Hektik und Stress und dennoch hing die Vorfreude auf ein nächstes Fahrgeschäft in der Luft.

„Wer bist du?"

Diese Frage kam mir absurd vor. Völlig fehl am Platz. Wer würde denn solch eine Frage aus dem Nichts stellen? Dann fiel mir auf, dass ich sie soeben gestellt hatte. Da ich sie nunmal nicht zurücknehmen konnte, presste ich meine Lippen angestrengt aufeinander und wartete auf seine Reaktion. Diese war viel verständnisvoller als erwartet.

„Das versuche ich auch noch herauszufinden."

Völlig perplex von diesem Geständnis konnte ich nicht anders, als ihn einfach nur anzustarren. Seine wunderschönen Augen. Die Konturen, die seine Nase umrahmten. Selbst seine Schläfen sahen perfekt aus.

„Jetzt bist du es aber, die mich anstarrt.", amüsierte er sich.

„Oh entschuldige.", antwortete ich ein wenig verlegen, „es schwirren mir nur so viele Fragen im Kopf herum. Ich werde nicht schlau aus dir."

„Frag mich doch einfach."

Das Gespräch mit ihm wirkte so unkompliziert. Es machte Spaß mich mit ihm zu unterhalten. Es machte Spaß ihn kennenzulernen. Ich wurde ihm gegenüber immer offener.

„Was machst du hier?", flüsterte ich ihm zu. Vielleicht wäre mir diese Frage unter normalen Umständen peinlich gewesen. Doch jetzt, wo ich hier mit ihm auf dieser unbequemen Bank saß, konnte ich nicht anders, als auf seine Lippen zu starren, die sich öffneten, um mir meine Frage zu beantworten.

„Ich sitze hier neben einem Mädchen, das mich absolut beeindruckt. Und ich versuche dieselbe Wirkung auf sie zu erzielen."

Aus dem Mund jedes anderen Jungen hätten diese Worte wie eine billige Anmache geklungen. Doch er sah mir dabei so fest in die Augen, dass meine Kehle ganz trocken wurde. Unsere Blicke verhakten sich so stark miteinander, dass es schier unmöglich schien, wegzusehen. Nach einer Weile schaffte ich es doch und kicherte nervös.

„Das meine ich nicht. Ich frage mich, warum du ausgerechnet jetzt in mein Leben purzelst. Wieso du einfach so auftauchst, scheinbar aus dem Nichts."

„Ich habe dich gesehen in der Schule. Du bist so unbeschwert und so natürlich."

Er verringerte den Raum zwischen uns beiden und sorgte unbewusst dafür, dass ich mit der Atemnot zu kämpfen hatte.

„Aria, du hast so darum gekämpft, dich unauffällig zu verhalten, dass du nicht gemerkt hast, dass gerade das dich besonders macht."

„Ich verstehe nicht ganz."

Er blickte mich liebevoll an.

„In einer Welt, in der alle darum ringen, besonders und beliebt zu sein, ist es bemerkenswert, dass es noch Leute gibt, die dieses Leben zu vermeiden wissen. Menschen, die mit einer übersichtlichen Anzahl an Freunden so viel glücklicher sind, als die, die nicht einmal die Namen ihrer ganzen Freunde wissen."

Er war mir nun so nahe, dass unsere Knie sich berührten. Vorsichtig griff er nach meiner Hand. Ich ließ ihn gewähren.

„So viele legen sich ins Zeug so zu sein, dass sie von allen geliebt werden. Dir macht das alles nichts aus und genau deshalb beneiden sie dich. Du bist du und kannst gar nicht besser sein."

„Ich fürchte, ich habe dich ganz falsch eingeschätzt.", hauchte ich. Zu etwas anderem war ich gar nicht fähig.

„Deshalb wollte ich unbedingt diese Verabredung mit dir. Ich weiß nicht wieso, aber ich wollte dir unbedingt beweisen, dass ich nicht so ein oberflächlicher Idiot bin, wie du denkst."

Mir fehlten die Worte.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt