„Haben wir jetzt ein Date?"
Ich saß gemütlich auf meinem Bett und telefonierte mit Lara. Ich hatte mir zwar geschworen, ihre Zeit nicht mir so oft zu beanspruchen, aber jetzt brauchte ich ihren Rat wirklich dringend.
„Das ist schwer zu sagen. Jedenfalls ist es gut, dass er sich bei dir gemeldet und dich eingeladen hat. Er ist also doch nicht so ein Blödmann, wie du immer sagst."
„Wahrscheinlich hast du recht. Ich sollte ihm eine Chance geben.", seufzte ich.
„Kommen wir zum Wichtigsten. Was möchtest du anziehen?"
Darüber hatte ich noch nicht nachgedachte.
„Puh...keine Ahnung. Wahrscheinlich einfach Shorts und ein Top."
Ich hörte ein lautes Klatschen am anderen Ende der Leitung. Wahrscheinlich hatte Lara sich soeben an die Stirn geschlagen.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein."
„Wieso?"
„Willst du ihn nicht ein wenig beeindrucken?"
„Ich weiß ja nicht einmal, ob es ein richtiges Date oder einfach nur eine Entschuldigung ist."
„Aria, wenn sich eine Junge schon die Mühe gibt, sich für sein Verhalten mit einer Verabredung zu entschuldigen, kannst du doch wenigstens ein Kleid anziehen."
„Ich weiß aber nicht, welches."
Kurz herrscht Stille, dann höre ich ihre Stimme umso deutlicher.
„Das schreit nach einem Videoanruf!"
Ich stöhnte theatralisch auf. Doch obwohl ich mehrfach sagte, dass ich keine Lust dazu hätte, Sachen anzuprobieren, stand ich fünf Minuten später in einem kurzen dunkelblauen Kleid vor meiner Laptopkamera und präsentierte Lara meinen ersten Look.
„Ich glaube, das ist zu festlich."
Nach einem zu langem, zu kurzem und einem zu bunten Kleid, wählte ich nun ein cremefarbenes aus. Es war mir Blumen in dezenten Farben verziert, wurde an der Taille schmaler und bauschte sich dann ein wenig auf.
Ich hatte mich noch gar nicht richtig vor die Kamera platziert, als Lara schon: „Das ist es.", sagte.
„Ich finde es auch ganz gut", gab ich zu. Ich drehte mich und das Kleid wirbelte um meine Beine. In dieser schnellen Bewegung verschwammen die Blumen vor meinen Augen und formten sich zu einem bunten Strich. Ich stoppte und strich über das Kleid.
Ich schaute direkt in die Laptop-Kamera.
„Ich bin furchtbar nervös."
Lara zog ihren Computer näher zu sich heran, und ich konnte ihr Gesicht besser sehen.
„Das verstehe ich und dennoch finde ich es gut, dass du dort hingehst. Wer weiß? Vielleicht wird es ja besser als du denkst!"
Wir redeten noch eine Weile.
Irgendwann schickte sie mich ins Bett. Sie meinte, ich solle mich ausruhen, da morgen sicher stressig werden würde. Mal wieder tat ich genau das, was Lara mir sagte. Sie war eine spitzen Freundin und wenn sie mir einen Tipp gab, meinte sie es nur gut.
Im Bett wälzte ich mich hin und her. Damon Mitchell hatte mich um eine Verabredung gebeten. Er hatte sich entschuldigt und wollte mich besser kennenlernen. Euphorie strömte durch meine Adern wie ein Aufputschmittel und ich konnte mich nicht beruhigen. Ich fühlte mich als könnte ich Bäume ausreißen. Ich fühlte mich unantastbar. Doch genau dieses unglaublich wunderbare Gefühl machte mir Angst. Wieso empfand ich nur Extreme, wenn es um Damon ging? Wieso konnte ich ihn entweder hassen oder anhimmeln? Bei Kyle war es doch auch nicht so! Was hatte Damon an sich, dass ich meine gesamte Weltanschauung, die ich mir viele Jahre lang angeeignet hatte, sofort über Bord warf und mich von ihm eines Besseren belehren ließ?
Ich hatte so viele Fragen und ich wusste, dass ich diese nur beantworten könnte, wenn ich mich morgen mit ihm traf....
„Ary!! Wach auf!"
Ein Kissen flog mir ins Gesicht. Egal, wer nach mir rief, hatte eine viel zu laute Stimme. Ich war noch nicht bereit, aufzuwachen und klammerte mich an meinem jetzigen Halbschlaf-Zustand fest.
„Ary! Mama und Papa haben gesagt, ich soll dich aufwecken. Ich soll dich an deine Verabredung mit einem Jungen erinnern und das mache ich lieber gleich, bevor ich es auch noch vergesse.", gluckste meine hyperventilierende Schwester. Ich hatte meine Augen immer noch nicht geöffnet, doch ich spürte ihren schnellen Atem an meiner Wange, als sie sich nach vorne beugte und mir gegen meine Stirn schnipste.
„Jetzt weiß ich wenigstens, was ich nicht vermisst habe, als du weg warst.", murrte ich.
Ich hörte ein leises Kichern. Blitzartig richtete ich mich auf, schnappte nach ihr und drückte sie fest an mich. Das Kichern verwandelte sich in ein hysterisches Lachen.
Ich roch an ihren Haaren und erkannte den Geruch von Erde und Moos wieder. Sie hatte sich wohl sehr ins Zeug gelegt.Ich hatte sie zwar nur eine Woche nicht gesehen, dennoch fühlte es sich gut an, dass sie wieder da war. Dieses kleine Mädchen mit den strubbligen Haaren wiederzusehen, schaffte mit Erleichterung.
„Du darfst deine Verabredung nicht vergessen!"
Verabredung?
„Ach du meine Güte. Damon.", ich griff hektisch um mich. Wo war mein Handy abgeblieben?
„Wie spät ist es?"
„Ich glaube 10 Uhr. Du hast noch Zeit.", sie nahm sich eine Kunstpause, „aber so, wie du gerade aussiehst, wirst du sie auch brauchen."
Ich warf ihr einen giftigen Blick zu, stieg aus meinem Bett und eilte in die Küche.
Wie erwartet, klebten dort schon einige Klebezettel. Ich näherte mich einem pinken Exemplar, welches am Kühlschrank befestigt war.„Verabredung mit einem Jungen. 15 Uhr. Bei Manoli's. Deine Kleidung hast du dir schon zurechtgelegt."
Ich erkannte die geschwungene Handschrift meiner Mutter wieder. Den letzten Hinweis hätte sie nicht aufschreiben müssen. Dennoch war ich dankbar für die Information, wann das Treffen war, denn das hatte ich schon wieder vergessen.
Aus Neugierde blickte ich mich in der Küche um und las mir die anderen Nachrichten durch.„Eis-Essen mit Jungen.", „15 Uhr. Treffen mit geheimnisvollen Jungen.", „Kleid liegt schon bereit."
Über den vorletzten Zettel musste ich schmunzeln. Meine Eltern überließen es meistens mir, welche Informationen ich mit ihnen teilen wollte. Sie vertrauten mir.
Ich nahm mir eine Schüssel und die Müsliverpackung aus dem Schrank und trottete zu dem Esstisch.

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Gaps in my Head
Novela JuvenilInhaltsangabe: Wie wäre es, jeden Abend mit der Angst einzuschlafen, am nächsten Tag aufzuwachen und sich nicht mehr an den Vortag erinnern zu können? Wie wäre es, das Gefühl zu haben, man hätte Lücken in seinem Kopf? Das ist der Alltag von Aria...