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„Mein Kollege kennt eine Patientin, die unter einer ähnlichen Krankheit leidet. Auch sie vergisst in unregelmäßigen Abständen Abschnitte aus ihrem Leben.", die Besuche bei Dr. Adams brachten mich immer wieder auf unsanfte Weise in die Realität zurück. Auch dieses Mal traf es mich härter als erwartet über diese blöde Krankheit zu reden, als würde sie tatsächlich existieren. Als wäre sie nicht nur ein dummer Traum.

„Und was bringt uns diese Erkenntnis?", schaltete sich nun meine Mutter ein. Sie war mal wieder alles andere als höflich, doch wer konnte es ihr verübeln?

„Bringt uns das eine Möglichkeit Aria zu heilen? Wird die Frau erfolgreich therapiert?", fragte sie weiter und rutschte nervös auf ihrem hatten Stuhl hin und her. Sie hatte sich zwar schon ein Kissen mitgenommen, doch es wirkte so, als würde es nicht wirklich Abhilfe schaffen.

„Nein. Sie konnte nicht geheilt werden. Doch sie hat mit ihrem Schicksal Frieden gefunden. Sie hat inzwischen eine Familie gegründet und lebt ein einigermaßen normales Leben."

„Vergisst sie denn nichts mehr?"

„Doch, aber sie kann irgendwie damit umgehen. Und das ist der Grund, weshalb ich dich hierher gebeten habe. Wenn du möchtest, kann ich die Frau fragen, ob sie ihre Kontaktdaten weitergeben möchte, um sich mit dir zu treffen. Vielleicht könnt ihr so ins Gespräch kommen und euch ein wenig austauschen. Du könntest sie nach ihren Tricks fragen, wie sie ihren Alltag meistert. Vielleicht hilft dir das Gespräch ja weiter."

„Sie denken also, dass mein Kind nach einem Kaffeekränzchen mit einer anderen Erkrankten wieder ein normales Leben führen kann?", fragte meine Mutter mit sehr sarkastischem Unterton.

„Es könnte ihr wohlmöglich helfen, ja. Dennoch ist es ganz ihr selber überlassen."
Ich spürte die Blicke der Beiden auf mir ruhen. Nun war es an mir, meine Meinung kund zu geben.
Ich überlegte eine Sekunde.

„Warum nicht? Ich meine, ich habe doch nicht wirklich was zu verlieren.", ich sah zu meiner Mutter, „vielleicht hilft mir die Frau ja. Ich finde den Vorschlag von Dr. Adams gut."
Meine Mutter nickte leise. Es gab keinen Grund mir zu widersprechen.

„Fantastisch,", er klatschte enthusiastisch in die Hände, „dann werde ich die Frau mal fragen, was sie davon denkt und dann rufe ich dich an, um dir ihre Kontaktdaten durchzugeben. Selbst dann kannst du immer noch überlegen, ob du das wirklich tun willst. Niemand zwingt dich, eine Entscheidung zu treffen. Tu einfach das, was du für richtig hältst."

Das war definitiv einfacher gesagt als getan. Doch ich sparte mir einen reservierten Blick und wägte lieber die Vor- und Nachteile des Treffens ab. Für mich sprach nichts dagegen es zumindest zu versuchen. Vielleicht würde mich die Frau und ihre Lebensweise abschrecken, doch es bestand auch die Möglichkeit, dass sie mir helfen konnte. Ich musste es einfach riskieren!

„Hast du schon mit Lara gesprochen?", fragte mich meine Mutter am Abend. Wir hatten gerade gegessen und ich war dabei die Teller vom Tisch zu räumen.

„Das sollte ich wohl mal, oder?", mir graute es davor, Lara davon zu erzählen. Sie wäre die erste Person, der ich dieses Geheimnis anvertrauen würde, doch aus irgendeinem Grund war sie die geeignetste Person dafür.

Ich wählte ihre Nummer auf dem Handy und blickte meine Mutter mit verunsichertem Blick an, doch diese nickte nur eifrig. Na dann!

„Hallo?"

„Hallo Lara. Hast du ein wenig Zeit? Ich muss dir etwas sehr wichtiges erzählen.", und so beichtete ich ihr alles. Von dem Morgen, an welchem Damon plötzlich in meinem Bett lag, von meinem Besuch beim Arzt und der Diagnose, welche gestellt wurde und auch davon, dass ich mich von Damon losgesagt hatte. Wir wechselten zwischendurch zum Videochat und so starrte mich Lara zwei Stunden später mit feuchten Augen an.

„Du hast mit ihm Schluss gemacht?"

Ich rückte meinen Laptop verlegen zur Seite.

„Wir waren nie zusammen, also habe ich nicht wirklich mit ihm Schluss gemacht. Es war viel eher eine Entscheidung in beiderlei Einverständnis."

„Er hat dich einige Augenblicke vorher geküsst. Ich glaube nicht wirklich, dass er mit diesem Ergebnis zufrieden war."

„Er weiß aber auch gar nicht den Grund, weshalb ich mich von ihm fernhalten möchte."

„Ary,", sie stoppte und kratzte sich verlegen an den Kopf. Ich sah, dass sie mit sich selber zu kämpfen hatte, fast so, als müsste sie mir in den nächsten Augenblicken ein Geständnis machen, „weißt du, ich finde, dass er da irgendwo auch noch ein Mitspracherecht hat."

„Was?", ich wusste nicht, worauf sie hinaus wollte.

„Irgendwie nimmst du ihm mit deiner Entscheidung die Möglichkeit selber zu wählen.", langsam fing ich an zu verstehen. Doch das, was sie vorhatte mir zu sagen, wollte ich nicht hören.

„Du solltest ihm von deiner Erkrankung erzählen. Du solltest ihm sagen, dass du ihm diese Bürde nicht auflasten willst. Findest du nicht, dass er das verdient?"

„Aber ich laste ihm doch schon diese Bürde auf, wenn ich ihm von meiner...Situation erzähle. Lara, er wird kämpfen wollen. Er wird sagen, dass er damit umgehen kann und irgendwann wird er neben mir aufwachen und diese Entscheidung bereuen. Ich will ihm das nicht antun, kann ihm das nicht antun."

„Ich verstehe deinen Ansatz. Aber hör auf mich, wenn ich dir sage: er wird es früher oder später herausfinden."

Ihre Worte schwirrten mir noch lange nach unserem Gespräch im Kopf herum. Doch ich blieb bei meiner Meinung. Ich wollte Damon nicht mit dieser Situation belasten, zumindest noch nicht. Ich müsste selber erstmal damit zurechtkommen und sehen, wie oft es vorkam, dass ich nicht nur einen Geburtstag oder eine Hausaufgabe, sondern richtige Abschnitte aus meinem Leben vergaß. Erst, wenn ich mich vergewissert hatte, dass ich für ihn keine Belastung war, würde ich mich ihm anvertrauen. Bis dahin würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um ihn von mir fernzuhalten. Schon alleine bei dem Gedanken, mich so radikal von ihm zu entfernen wurde mir speiübel und am liebsten hätte ich aus Frust geschrien. Doch Damon bedeutete mir so viel, dass ich diese Schmerzen doppelt und dreifach für ihn ausgehalten hätte.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt