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Montag. Schule. Und wieder begann eine neue Woche. Ich hatte große Angst Damon zu begegnen, da ich vollkommen ahnungslos war, wie ich ihm gegenüber auftreten sollte. Wäre es besser ihm von meinem Arztbesuch zu erzählen? Es wäre wohl ehrlicher, aber dann würde ich aus einer Mücke einen Elefanten machen. Wahrscheinlich würden die Testergebnisse sowieso zeigen, dass ich gesund war. Wieso sollte ich ihn dann derart in Sorge versetzen? Am besten wäre es, dort aufzuhören, wo wir bei unserer letzten Begegnung geendet hatten. Im Streit. So konnte ich ihn zumindest von Vermutungen fernhalten.

„Die verlorene Freundin ist also wieder zurückgekehrt.", begrüßte mich Mary, als ich mich im Physik-Raum zu ihr setzte.

„Was meinst du damit?", ich war ein wenig irritiert von dieser Bemerkung und konnte sie nicht ganz einordnen. Spottete sie etwa über mich?

„In den letzten Wochen hast du mich ziemlich vernachlässigt.", sie biss in ihren Schokoriegel und musterte mich. Da lag eindeutig etwas Abschätziges in ihrem Blick.

„Das ist mir gar nicht aufgefallen. Es war nicht meine Absicht dir auf irgendeiner Weise gegen den Kopf zu stoßen."

Die Größe des Schokoriegels verringerte sich und das Kauen wurde immer schneller.

„Es wundert mich nicht, dass dir dein ignorierendes Verhalten nicht aufgefallen ist. Du hattest ja genügend Ablenkung."

Ich wusste von Anfang an, dass Mary kein großer Fan von Damon war, doch sie hatte kein Recht ihn mit so viel Abneigung gegenüber zu treten. Er hatte ihr nichts getan.
Doch ich wollte nicht, dass die ganze Situation eskaliert. Mary hatte schließlich nicht ganz unrecht. In den letzten Wochen hatten wir uns weniger gesehen, was wohl mir zu verdanken war. Dabei wusste ich genau, wie sehr sie es hasste, ignoriert zu werden.

„Mein Verhalten tut mir leid. Du hast recht, ich war ziemlich ignorant in den letzten Tagen. Aber ich habe vor, es wieder gut zu machen.", ich überlegte für einen kurzen Augenblick, „ich lade dich ins Kino ein. Wir waren viel zu lange nicht gemeinsam dort und vor kurzem ist so ein beliebter Actionfilm herausgekommen. Wie wär's?", ich zog meine Augenbrauen spielerisch nach oben.

Sie knüllte das bunte Papier in ihren Händen zusammen. Es machte knirschende Geräusche.

„Meinetwegen. Aber du lädst mich ein."

„Natürlich.", sagte ich ein wenig zu überschwänglich.

Ich kramte mein Physikbuch aus der Tasche und freute mich insgeheim, dass ich Mary wieder für mich gewonnen hatte.

Im Laufe des Tages hatte ich einige langweilige Fächer zu durchlaufen. So war ich bereits nach der fünften Stunde auffällig müde. Doch das änderte sich schlagartig, als mir Damon im Flur begegnete. Es waren noch einige andere Schüler unterwegs zu ihren Unterrichtsräumen, doch wir beide waren ohne Begleitung.
Zunächst dachte ich, er würde einfach an mir vorbeilaufen, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Doch inzwischen hätte ich ihn besser kennen müssen. Damon Mitchell ging keiner auch noch so schwierigen Situation aus dem Weg. Er hatte einfach zu viel Selbstvertrauen.

„Aria. Hast du einen Augenblick?"

Mein Herz machte einen Satz. Doch ich wusste nicht, ob aus Freude oder aus Angst.
Kurz überlegte ich, so zu tun, als hätte ich ihn nicht gehört. Denn ich war keinesfalls eine Person, die sich komplizierten Situationen stellte. Viel eher wollte ich ihnen aus den Weg gehen.
Keine besonders starke Eigenschaft, ich geb's zu.
Doch dann erwiderte ich seinen Blickkontakt. Ich konnte mich nicht wie ein schmollendes Kleinkind verhalten. Das hatte er schlicht und weg nicht verdient.

„Ja, was gibt es denn?", schon seltsam, dass ausgerechnet ich ihn das fragte. Schließlich war ich diejenige, die ihm einen Arztbesuch verschwiegen hatte.

„Nichts...naja... irgendwie musste ich immer wieder an das Ende unserer Verabredung denken... an den Streit.", er strich nervös über den Reißverschluss seines Rucksackes, welchen er in der Hand hielt.

„Ja, wir waren wohl beide etwas neben der Spur.", erwiderte ich und biss mir schmunzelnd auf die Unterlippe. Bloß nichts anmerken lassen. Verhalte dich ganz normal!
Aber warte mal! Biss ich mir normalerweise auf die Lippe?
Oh Gott. Ich dachte schon wieder zu viel nach.

„Jedenfalls war es nicht in Ordnung von mir, dich derart anzugehen. Ich muss einen mörderischen Eindruck gemacht haben."

„Oh bitte. Du warst nicht derjenige, der ein Kissen als Wurfgeschoss verwendet hat."

Er lachte. Verdammt, hör auf zu lachen! Sonst werfe ich alle meine Vorsätze, dich -bis die Testergebnisse da sind- von mir fernzuhalten, über den Haufen.

„Da hast du recht. Ich hatte kein Attentat auf dich vor."

Ich erwiderte seinen amüsierten Gesichtsausdruck. Wenn auch nur sehr unterkühlt.

„Ich habe mich gefragt, ob du am Donnerstag schon etwas vor hast. Wir könnten ja etwas unternehmen. Ich habe gehört, dass die erste Eisbahn schon geöffnet hat."

Jetzt oder nie, Aria.

„Weißt du, ich glaube, das ist keine gute Idee.", ich blickte an ihm vorbei, um nicht in seine Augen schauen zu müssen, die mich definitiv wieder hätten schwach werden lassen.

„Wieso? Bist du mir immer noch böse?"

Ich schüttelte ein wenig den Kopf. Damon übersah diese Geste.

„Ich habe mich bei dir entschuldigt. Was kann ich noch tun, damit du siehst, dass es mir leid tut, Ary?"

Gott, hör auf mich so zu nennen!

„Was?"

Himmel, hatte ich das gerade laut gesagt?

„Aria, was hast du auf einmal?"

„Nichts Damon. Ich finde nur, dass momentan einfach nicht der richtige Augenblick ist."

„Für was?"

„Für uns!", ich sagte es zu laut, rief es fast aus. Anders hätte ich diese Lüge nicht aussprechen können. Ich musste ihn diese eine Woche von mir fernhalten. Einen einzigen Anruf meines Arztes würde ich abwarten müssen und dann könnte ich Damon alles erklären.

Und was war, wenn die Ergebnisse schlecht ausfallen würden? Was würde ich dann mit Damon tun?

Daran konnte ich jetzt nicht denken.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt