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„Wovon sprichst du denn?", fragte ich etwas überfordert. Anscheinend redeten wir gerade vollkommen aneinander vorbei. Langsam wurde ich ungeduldig.

„Ich spreche von dem gestrigen... Vorfall.", sagte er ernst und richtete sich langsam auf. Ganz so, als würde er mich nicht verschrecken wollen, „wie geht es dir?"

„Damon, ich habe dir gerade schon gesagt, dass dieser Kuss-...", weiter kam ich nicht.

„Kuss?!! Was für ein Kuss??", von seiner bisherigen Ruhe war nun nichts mehr übrig. Stattdessen sprang er entsetzt auf und war mit einem Satz bei mir. Er packte mich an den Schultern und sah mich mit großen Augen an. Seine Pupillen bewegten sich unkontrolliert und begutachteten mein ganzes Gesicht und besonders meine Lippen.

„Na unser Kuss. Unser erster Kuss.", meinte ich kleinlaut. Ich konnte mit seine Stimmungsschwankungen nicht erklären. Es war einfach noch zu früh.

Als hätte Damon bis jetzt einen riesigen Sack voller Stein getragen, fiel sämtliche Spannung von ihm ab. Er lehnte sich erschöpft an mich an und vergrubt seinen Kopf in meiner Halskuhle. Ich hatte nicht mit so viel Körperkontakt gerechnet, doch seine Nähe tat mir gut, weshalb ich ihn noch näher an mich heran zog. Ich konnte es mir nicht erklären, doch auf einmal fühlte ich mich schlagartig besser.

So standen wir also da. Mein Rücken an den Schreibtisch gelehnt, eng umschlungen mit Damon. Von uns beiden ging Verzweiflung aus, doch wusste ich nicht, wo diese bei mir herkam.

„Willst du nicht über gestern reden?", murmelte er, immer noch an mich gedrückt.

„Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Damon. Es ist nichts passiert... mit Ausnahme unseres Kusses natürlich.", flüsterte ich zurück.

Langsam richtete er sich wieder auf uns sah mich misstrauisch an.

„Du warst gestern so aufgelöst...niemals würdest du jetzt schon Witze darüber machen...", nachdenklich strich er sich mit seinen Händen über die Wangen. Es lag Unruhe in dieser Bewegung.

„Ist es möglich, dass du dich wirklich nicht mehr daran erinnerst?"

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, worüber er gerade sprach.

Er riss seine Augen auf, als wäre ihm soeben etwas klar geworden.

„In der Pause vor einigen Wochen, als ich dich auf unser erstes Treffen angesprochen habe und du mir erst sagtest, dass dieses Treffen nie stattgefunden habe... das war kein Witz, oder? Du hattest es wirklich vergessen."

Sein kritischer Blick wurde mir zu viel. Ich drückte ihn leicht zur Seite und eröffnete mir somit einen freien Weg. Ich trat in die Zimmermitte und verschränkte meine Arme vor der Brust. Ich wollte nicht, dass er sah, wie mich das Thema verunsicherte. Der Verlauf dieses Gespräch wurde mir langsam sehr unangenehm.

„Wird das hier eine Ausfragung?"

Damon packte mich an meinem Handgelenk. Etwas zu grob.

„Antworte mir!", er sah verrückt aus.

Ich entriss mich seinen festen Griff und taumelte nach hinten. Ich fühlte mich in die Enge getrieben. Gleichzeitig machte mir sein Verhalten Angst.

„Ja ja, schon gut.", versuchte ich ihn zu beruhigen, „ich konnte mich wirklich nicht mehr daran erinnern und -bevor diese Frage kommt- ich kann mich auch, wenn ich über gestern nachdenke, an nichts Besonderes außer an unseren Kuss erinnern.", und an das Treffen mit Kyle. Aber das tat hier nichts zu Sache.

„Aria! Wie kannst du so ruhig bleiben? Verstehst du nicht, was das bedeutet?"

Ich trommelte nervös mit dem Zeigefinger auf meinen Oberarm herum.

„Dass ich einen langweiligen Tag hatte? Ist ja wohl kein Weltuntergang."

„Aria! Kannst du nicht einmal ernst bleiben?!", nun schrie er fast. Tränen bildeten sich in meinen Augen. Teils aus Wut, teils aus Verzweiflung.

Ich wusste nicht, was ich noch erwidern konnte. Ich wollte nicht, dass Damon auf solch grober Weise mit mir sprach.

„Hör auf damit.", sagte ich schlicht. Mehr brachte ich auf Anhieb nicht heraus.

„Was?", er trat wieder einen Schritt näher an mich heran. Aus irgendeinem Grund störte mich diese plötzliche Annäherung. Es fühlte sich an, als würden sich die Teilchen zwischen uns beschleunigen und irgendwann so schnell sein, bis sie sich entzündeten und als kleine Funken wieder zum Leben erwachen würden.
Doch ich hatte keine Nerven für solche wohligen Gefühle Damon gegenüber. Vielmehr war ich mit dieser Situation überfordert.

„Ich sagte, dass du damit aufhören sollst!", ich stieß ihn weg. Nur weg von diesem schönen Gefühl, welches mir gerade so falsch vorkam.

„Aria...", seine Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Doch steckten darin mehr Emotionen, als in meinem vorherigen hysterischen Geschrei.
Ich wollte ihn nicht so verletzt sehen. Er sollte stark sein. Er hatte die Aufgabe mich in schwachen Zeiten zu unterstützen. Er sollte mein Fels in der Brandung sein.
Wieso also hatte ich nun das Gefühl ihn trösten zu müssen? Ich war doch gerade diejenige, bei der eindeutig etwas schief lief.

Geblendet von meinem Egoismus und ertrinkend in meinem Selbstmitleid, suchte ich jemandem an dem ich meine ganze Wut auslassen konnte. Und dieser jemand war in diesem Moment leider Damon.

„Geh weg! Hau einfach ab!", schrie ich. Dabei fuchtelte ich wie wild mit meinen Armen. Ich musste wohl aussehen, wie eine betrunkene Krake. Doch daran verschwendete ich in dieser Situation natürlich keinen Gedanken.

„Ary...bitte."

„Verschwinde!", schrie ich. Meine Augen waren tränenverschleiert. Meine Umgebung konnte ich nur erahnen. Ich tastete mich zu meinem Bett, in welchem wir vor einiger Zeit noch zusammen gelegen hatten und warf ein Kissen nach Damon.
Doch aufgrund meiner mangelnden Sicht verfehlte ich ihn um ein ganzes Stück und das Kissen prahlte laut an einem Schrank ab.

Auch wenn ich ihn nicht getroffen hatte, machte er den gegenteiligen Eindruck. Vollkommen schockiert stand er für einige Sekunden reglos da. Dann griff er nach seinen Sachen, lief wortlos zur Tür und knallte sie mit einer Wucht zu, die mein Herz zerreißen ließ.

Ich war für einige Momente unfähig zu atmen. Dann schluckte ich den bitteren Geschmack, der sich inzwischen auf meiner Zunge gebildet hatte, runter und begann wie im Schlafwandel durch mein Zimmer zu torkeln, ohne wirklich zu wissen, wo ich hinwollte.

Einige Augenblicke später klopfte es an meiner Tür. Hatte Damon es sich doch noch anders überlegt?
Voller Hoffnung starrte ich auf die Tür, die sich zeitlupenartig öffnete.

Meine Mutter steckte ihren Kopf in mein Zimmer.

„Ich habe Geschrei gehört. Ist alles in Ordnung?"

Diese Frage war absolut berechtigt. Nein, nichts war in Ordnung. Da war ich mir nun sicher.

„Mama. Irgendetwas stimmt nicht mit mir.", begann ich mit zitternder Stimme.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt