„Du bist in dem Abschlussjahrgang, oder?"
Wir hatten es uns in einem kleinen Café bequem gemacht. Ich war hier noch nie gewesen, aber es machte einen angenehmen Eindruck auf mich. Mal davon abgesehen, dass der Erdbeermilchshake, den ich ausgewählt hatte, einfach köstlich schmeckte.
„Ja. Das bin ich.", bestätigte Kyle meine Vermutung. Er hatte sich eine riesige Schokoladentorte gekauft. Ich war mir sicher, dass er sie nicht schaffen würde, doch tatsächlich hatte er schon ein ganzes Stück hinuntergeschlungen.
„Hast du schon irgendwelche Pläne, was du danach machen möchtest?"
Er machte mit seiner Gabel knirschende Kratzgeräusche auf den Teller. Sofort bildete sich Gänsehaut auf meinem Nacken. Wie ich diesen hohen Ton hasste.
„Puh. Das weiß ich noch nicht. Vielleicht in die wirtschaftliche Richtung. Ich bin ganz gut in Mathe, aber eigentlich kann ich mich nicht hinter einem Schreibtisch vorstellen."
Ich sah ihn verständnisvoll an.
„Ja. Vor so einer Zukunft graut es mir auch."
„Du hast zwar noch ein paar Jahre Zeit, aber hast du denn schon eine Richtung, die dich besonders interessiert?"
„Menschen!"
Ich musste über seinen erstaunten Gesichtsausdruck kichern. Er hatte wohl nicht mit so einer schnellen Antwort gerechnet. Deshalb erklärte ich mich.
„Ich möchte auf jeden Fall Kontakt mit Menschen haben. Mehr Zeit mit einem Computer zu verbringen, als mit Menschen würde mich bestimmt depressiv machen, oder sowas.", ich kratze mir verlegen am Kopf. Hoffentlich hatte ich mit dieser Aussage nicht übertrieben.
Ich konnte Kyle immer noch nicht ganz einschätzen. War er einer der vielen Frauenhelden an unserer Schule oder blieb er seinen Eroberungen treu? Ich wollte es unbedingt herausfinden.„Und... deine Freundin stört es nicht, dass du mit einer anderen unterwegs bist?", fragte ich und sah ihn unschuldig an.
Er sah amüsiert aus.
„Versuchst du damit herauszufinden, ob ich eine Freundin habe?"
Verflucht! Es war zu auffällig gewesen. Weil ich nicht wusste, was ich erwidern sollte, schlürfte ich an meinem Milchshake. Ich musste Zeit schinden, um mir zu überlegen, wie ich mich aus der Affäre ziehen könnte.
Er grinste mich die ganze Zeit an, als wüsste er genau, dass er mich erwischt hatte.
„...Nein. Das interessiert mich gar nicht.", log ich ihn an. Ich rührte währenddessen mit einem Strohhalm in der dickflüssigen Masse meines Getränkes herum und traute mich nicht ihm in seine Augen zu sehen. Ich war mir sicher, er würde den Scham sehen.
„Na dann.", er lehnte sich zurück und wir beide schwiegen.
Nach einigen Momenten verlagerte er seinen Körper wieder nach vorne und schaute mich selbstsicher an.„Ich sage es dir aber trotzdem", ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen, „ich habe keine Freundin."
Ich nickte wissend. Er sollte nicht glauben, dass mir diese neue Erkenntnis etwas bedeuten würde. Mal davon abgesehen, dass wir uns erst seit einem Tag kannten.
„Du scheinst nicht überrascht.", seine selbstsichere Miene verrutschte ein wenig. Sah ich da Unsicherheit in seinen Augen? Sieh an.
„Tja.", ich zuckte mit den Schultern und spürte, dass er unruhig wurde. Langsam bekam ich das Gefühl, dass dieser Junge es nicht mochte, wenn ein Mädchen ihm nicht zu Füßen lag. Anscheinend war auch er ein anderes Verhalten vom anderen Geschlecht gewohnt.
Eine Gruppe Mädchen aus unserer Schule betraten das eh schon überfüllte Café und nahmen den letzten freien Raum, den wir hatten.
Sie grüßten Kyle mit einem verführerischen Lächeln und sofort war er wieder der Alte. Er strahlte Selbstvertrauen aus und wickelte die Mädchen mit einem Blick um den Finger. Ich beobachtete die Szene mit einem fetten Grinsen im Gesicht. So sah es also aus, wenn Jungs Mädchen aufreißen wollten. Es war interessant, das mal so nahe zu sehen. Besonders von so einem Profi wie Kyle. Es wirkte, als wüsste er genau, was er tat. Jede Bewegung wirkte eingespielt. So auch, als er mit seinen Fingerkuppen vorsichtig den Arm einer besonders hübschen Blondine streichelte.Mir wurde das langsam zu viel. Ich griff in mein Portemonnaie und angelte einen Geldschein heraus. Diesen warf ich auf den Tisch und schlenderte betont gelassen aus dem Café, ohne mich von Kyle zu verabschieden. Dieses Treffen war ein Reinfall gewesen.
Anfangs hatte er nett gewirkt. Er war zuvorkommend gewesen und höflich. Doch, wenn er es nicht einmal schaffte, eine halbe Stunde lang nicht mit anderen Mädchen zu flirten, dann war er eindeutig nicht der Richtige für mich. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal bemerkt, dass ich verschwunden war.
Ich war ihm nicht wirklich böse und ich war auch nicht eingeschnappt wegen seines ignoranten Verhaltens, aber ein wenig versetzt fühlte ich mich schon. Ich schaut nach rechts und nach links. Wo war ich hier nur? In diesem Stadtviertel war ich noch nie gewesen und leider war mein Orientierungssinn extrem unzuverlässig. Man, Kyle! Warum musstest du dich auch so blöd verhalten?
Etwa fünf Minuten starrte ich unentschlossen in der Gegend herum, dann lief ich einfach los, in der Hoffnung ich würde irgendwann auf vertrautes Terrain stoßen.
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Gaps in my Head
Ficção AdolescenteInhaltsangabe: Wie wäre es, jeden Abend mit der Angst einzuschlafen, am nächsten Tag aufzuwachen und sich nicht mehr an den Vortag erinnern zu können? Wie wäre es, das Gefühl zu haben, man hätte Lücken in seinem Kopf? Das ist der Alltag von Aria...