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Ich wusste, dass es nicht leicht werden würde Mary davon zu überzeugen, mir eine zweite Chance zu geben. Ich hatte mich darauf eingestellt, wütend angefunkelt und beleidigt zu werden. Und doch fühlte ich einen stechenden Schmerz, als ich sie am nächsten Tag in der Schule abfing, um mich nochmals bei ihr zu entschuldigen und mich ihr eiskalter Blick traf. Ich dachte, ich würde stark genug sein, mit ihr reden zu können, und doch stammelte ich nervös herum.

„Mary- es tut mir leid, wie wir vorgestern verblieben sind. Ich- ich gebe dir recht. Ich war eine schreckliche Freundin-."

„Allerdings.", sie war so abweisend. Gar nicht, wie ich Mary kannte. Ich dachte, ich wüsste, was ich sagen müsste, um sie wieder zu besänftigen. Aber ich musste mir eingestehen, dass ich die Person, die vor mir stand, nicht mehr kannte.

„Alles, was du zu mir gesagt hast, war richtig. Ich war ignorant und fies und habe dich ausgenutzt. Aber ich will das wieder in Ordnung bringen."

„Ich bin mal gespannt, wie du das hinbekommen willst."

Ich atmete ein letztes Mal tief durch.

„Ich weiß, dass du dir zu deinem Geburtstag schon immer eine Party gewünscht hast, deine Eltern das aber nie bei sich zu Hause wollten. Deshalb habe ich mir überlegt, der Gastgeber sein zu können. Wir laden einige Leute aus unserer Schule ein und du bekommst einen unvergesslichen Abend. Wie findest du das?", unsicher schaute ich ihr in die Augen und war mir fast sicher, dass sie die Idee bei weitem nicht so gut finden würde wie Lara und ich. Doch zu meiner Überraschung sah sie ein wenig besänftigt aus. Gefiel ihr etwa mein Friedensangebot?

„Warum eigentlich nicht?", sagte sie nach einigen Momenten des Überlegens. Ich war so erleichtert, dass ich ihr am liebsten um den Hals gefallen wäre. Doch was früher normal gewesen war, hatte sich nun zu etwas Unpassenden verwandelt. Zumindest vorerst. Wenn ich Mary wieder für mich gewinnen wollte, musste ich Geduld haben. Ich musste ihr das Gefühl geben, mir wieder vertrauen zu können.

„Aber das heißt nicht, dass ich dir vergebe.", sagte sie und doch sah ich das verräterische Funkeln in ihren Augen. So wie ich sie kannte, freute sie sich jetzt schon auf diese Feier. Sie war zwar nicht das typische Highschool-Mädchen und doch hatte sie eine Schwäche für gute Partys. Wenn sie einmal mit den Gästen warmgeworden war, konnte sie ungemein locker und witzig sein. Ich war mir sicher, dass sie in diesem Moment bereits gedanklich ihren Kleiderschrank nach einem passenden Outfit durchging.

„Natürlich nicht. Ich bin nur froh, dir zeigen zu können, wie viel du mir trotz allem bedeutest.", sie nickte zur Antwort. Ich sagte ihr noch schnell, dass ich ihr die genauere Zeit noch mitteilen würde und dann war sie auch schon weg. Ich war erleichtert, dass dieses Gespräch so gut verlaufen war und schrieb Lara gleich eine Nachricht, dass die Idee ein wahrer Erfolg war.

„Handys sind in der Schule verboten. Das solltest du eigentlich wissen, Clarke.", überrascht drehte ich mich um. Vor Schreck ließ ich mein Handy reflexartig in meine Hosentasche gleiten, aus Furcht ein Lehrer würde hinter mir stehen. Als ich mich jedoch umdrehte, stand niemand Geringeres als Damon Mitchell vor mir. Obwohl sein Mund zu einem Lächeln verzogen war, erkannte ich etwas Trauriges in seinem Gesicht. Augenblicklich schaltete sich mein Beschützerinstinkt an und ich litt mit ihm. Doch dann erinnerte ich mich an die gestrige Szene. Wie er mich angesehen, was er mir unterstellt hatte.

„Ich bin ein Idiot.", er fuhr sich durch die Haare und ging einen winzigen Schritt auf mich zu. Nur einen kleinen, um zu sehen, wie ich reagierte.

„Ein Riesiger.", pflichtete ich ihm mit unruhiger Stimme bei. Meine Hände begannen zu Zittern und ich spürte, dass ich mich bald wieder in seiner Andockzone befand. Gigantische Tentakel schossen aus seinem Körper und umwickelten meinen Willen. Sie zogen und zerrten an ihm, bis er Damon machtlos verfallen war.

„Ein Blödmann.", wieder ein Schritt näher. Wieder dieses Bedürfnis ihn zu küssen. Auch, wenn er Fehler gemacht hatte, auch wenn er fies zu mir war. Wie konnte ich ihm je böse für seine Taten sein? Ich brauchte Damon. Ich hatte verlernt, ohne ihn leben zu können. Was war der Tag ohne die Nacht? Sonne ohne den Regen? Sommer ohne den Winter? Doch nur unbedeutende Naturphänomene, die ohne ihren Gegensatz nicht vollkommen wären. Keiner freute sich auf die ersten Blühten im Frühling, wenn er nicht vorher den tristen, grauen Herbst gesehen hatte.

„Der Größte.", wisperte ich. Seine Hand streifte meine. Seine Finger hackten sich in die Meinigen und ich wurde mit Bildern des gestrigen Nachmittags konfrontiert. Nicht mit denen unserer Auseinandersetzung. Sondern mit welchen, die Damon nah an mir zeigten. Mit welchen, die so unanständig waren, dass ich alleine bei der Erinnerung an sie rot wurde. Doch sie waren mir so kostbar, dass ich sie nicht aus meinem Kopf streichen wollte.

„Woran denkst du gerade?", fragte er und strich sanft mit seiner Hand über meinen Kopf. Als wäre ich etwas Wertvolles, was auf keinen Fall kaputt gehen dürfte.

„An etwas Schönes.", murmelte und lächelte geheimnisvoll.

„Verzeihst du mir mein Verhalten?", noch bevor ich antworten konnte, drückte er mir einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Kurz und süß und als er sich wieder von mir löste, durchfuhr mich ein schmerzliches Ziehen.

„Aber natürlich.", antwortete ich hypnotisiert und vollkommen verliebt und wusste insgeheim, dass er mit dieser Antwort gerechnet hatte.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt