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Nach diesem Desaster brauchte ich erst einmal etwas Abkühlung. Die Diskussion in Kombination mit dem schwülen Wetter tat mir nicht gut und drückte auf meine Lunge. Ich erklomm die dunklen Stufen des Schulhauses und lief, ja rannte fast zur Mädchentoilette.
Dort angekommen, stellte ich erstaunt fest wie ordentlich sie aussah. Nicht ein Stückchen Papier lag auf dem Boden. Dies war den Putzkräften zu verdanken, die am Freitag-Nachmittag die gesamte Schule wieder ansehnlich gemacht hatten.

Ich taumelte mit aufkeimenden Schwindelgefühl Richtung Waschbecken und versuchte mich an ihm festzuhalten, um nicht auf die kalten Fliesen zu stürzen. Langsam atmete ich die drückende Luft ein und spürte wie sich meine Lunge allmählich ausbreitete. Die Kühle, die hier herrschte war angenehm und regulierte meine verschwitze und heiße Haut wieder nach unten.

Ich war überrascht wie sehr mich dieses Aufeinandertreffen mit Damon und Kyle aus der Bahn geworfen hatte. Ich hatte Damon nicht mehr wiedererkannt, so zornig und ungestüm er gewirkt hat. Sein Gesicht hatte sie rot gefärbt und seine sonst ebenmäßigen Züge hatten sich zu einer wütenden Maske verzogen. Er hatte mir wirklich Angst gemacht. Und das alles nur, weil Kyle ihn provozieren musste! Er wusste doch selber wie rasend eifersüchtig Damon war und musste doch immer wiederholt mit seinen kindischen Spielereien anfangen. Das war doch wirklich nicht nötig!

Ich seufzte und schaute in den Spiegel. Meine Haare saßen noch normal aus, was mich wunderte, da ich in den letzten Minuten ständig durch sie durchgefahren war. Meine Augen glühten mich in braunen Steinen mit gelblichen Umrandungen an. Ich sah aufgebracht aus. Aber nicht ramponiert. Ein Glück.

Ich ließ meinen Blick schleifen und blieb an einen, mit Edding geschnörkelten Satz hängen. „Oh sweetie. You're not ugly. Society is!", stand in fetten Buchstaben am obersten Rand des Glases. Dieser Spruch stand schon seit Ewigkeiten dort und brachte mich jedes Mal, wenn ich ihn las, erneut zum Lächeln. Egal, wem es zu verdanken war, dass er mir gerade wieder entgegenstrahlte, insgeheim klopfte ich dieser Person auf den Rücken. Es war eine wahnsinnige Aufmunterung für jedes Mädchen, das in den Spiegel schaute und wieder mal einen „Fehler" an sich sah, welcher sie nicht hässlicher, doch umso schöner machte.

Wann hatte die Gesellschaft beschlossen, dass es ein Makel ist, dünn oder dick zu sein? Seit wann gab es „zu große", oder „zu kleine" Menschen? Warum konnte man sich gegenseitig nicht einfach leben lassen und ist unter den Druck gekommen, perfekt sein zu müssen? All diese Fragen stellte ich mir, als ich wieder mein Spiegelbild betrachtete. Und auch als ich die große, hölzerne Eingangstür meiner Schule aufschob, war ich noch ganz in Gedanken versunken.

Sonst hätte ich wohl vorher die Schreie gehört. Hätte früher gesehen, was sich auf dem Football-Feld abspielte. Und hätte schneller dort hinrennen, vielleicht verhindern können, dass Damon zu einem weiteren Schlag ansetze und dieser mit voller Wucht Kyles Kiefer traf.
Ich rannte. Sprintete über die harten Pflastersteine. Hätte ich nicht das Brennen meiner Lungen und den Schweiß in meinen Augen, welcher mir die Sicht einschränkte, gespürt, hätte ich beinahe gedacht, dass ich mich gar nicht fortbewege.

Die Menschengruppe, welche sich inzwischen um die beiden Streitenden gebildet hatte, kam einfach nicht näher. Panik droht von meinem Körper Besitz zu ergreifen und schlich wie Gift durch meine Adern, ließ mich aufkeuchen. Fast stolperte ich und knicke mit meinem linken Fuß um. Doch ich ignorierte das entsetzlich schmerzende Stechen und konzentrierte mich nur auf eine Sache. Damon.

Als ich nur noch wenig Meter von der Ansammlung entfernt war, sah ich, dass mehrer Spieler alle Hand damit zu tun hatten, Damon in Schacht zu halten, dass er nicht wieder auf Kyle losgeht. Sie griffen eisern an seine Arme und sein Trikot, während er um sich schlug, zog und zerrte, sodass es ein wahres Wunder war, dass seine Kleidung noch nicht in Fetzen lag. Sein Gesichtsausdruck war mörderisch. Als ich auf ihn zutrat, wagte ich mich nicht ganz an ihn heran, denn in diesem Augenblick wirkte er animalisch, tödlich. Ich blickte in eine verzehrte Grimasse und erkannte den Jungen, den ich liebte nicht wieder.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt