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„Es war bis jetzt keine Seltenheit, dass ich kleine Sachen vergesse. Mal eine Hausaufgabe oder einen Test. Daran war bis jetzt auch nichts Schlimmes. Aber seit kurzem vergesse ich ganze Teile eines Tages. Freunde sprechen mich auf angebliche Treffen an, die es für mich niemals gab.", fürsorgliche Blicke musterten mich.
„Bis jetzt war das alles nicht so wild. Ich tat so, als würde ich mich daran erinnern und damit war die Sache geklärt. Ich habe mir auch nie sonderlich Gedanken darüber gemacht. Und dann war heute diese Sache mit einem Freund. Irgendetwas schien gestern passiert zu sein und mir ist auch so, als gäbe es da etwas, an das ich mich erinnern sollte. Aber..."

„Es ist weg.", beendete meine Mutter meinen Satz. Ich nickte benommen. Vertrauenserweckende graue Augen strahlten mich an. Ich schaute ein wenig beschämt zu Boden und betrachtete, das weiche helle Holz. Die Praxis meines Hausarztes gefiel mir jedes Mal aufs Neue. Ging der Patient zu der weißen Tür herein, wurde er von einer lichtüberfluteten Eingangshalle begrüßt. Einige Schritte weiter kam man an die Theke, an welcher freundliche Schwestern saßen und einem sofort die Anspannung nahmen. Während der Wartezeit hatte man die Möglichkeit die neusten Zeitschriften zu lesen, oder in der Kinderecke mit kleinen Puppen zu spielen, doch dafür war ich leider schon zu alt.

Ich blickte wieder auf und sah zu, wie mein Arzt sich einige Notizen machte. Ich konnte ihn sehr leiden. Er war groß und wirkte souverän aber nicht arrogant. Ich war vollkommen überzeugt, dass er herausfinden würden, was mit mir nicht stimmte.

Meine Mutter hatte es sich auf einem grauen Stuhl in einer Ecke bequem gemacht und wirkte sehr beunruhigt. Ich hatte ihr von meinem Zustand berichtet. Sie zögerte keine Sekunde und ist sofort mit mir zu meinem Arzt gefahren. Wir hatten kein Termin, weshalb wir uns schon darauf vorbereitet hatten, eine Ewigkeit im Wartezimmer zu sitzen, doch heute hatten wir Glück und Doktor Adams konnte uns zwischen zwei Termine schieben.

Während Doktor Adams nun etwas auf seinem Laptop tippte, faltete ich meine Hände ineinander. Sie zitterten, was ich versuchte zu unterdrücken. Ich war aufgeregt, schrecklich aufgeregt. Doch gleichzeitig war ich unendlich erleichtert, endlich jemandem davon erzählt zu haben... und das war zum großen Teil Damons Verdienst. Er war derjenige, der mich in die Ecke gedrängt und mir unangenehme Fragen gestellt hat. Genau das war nötig gewesen, um mich wachzurütteln.

„Also Aria...", begann mein Doktor. Sofort straffte sich meine Haltung. So musste sich wohl ein Verurteilter fühlen, der nun seine Strafe erhalten würde, „du musst nicht so angespannt sein. Ich möchte dir erstmal noch ein paar Fragen stellen.", während er das sagte, musste er lachen und entpuppte damit kleine Lachfalten, die ich noch nie an ihm bemerkt hatte. Auch er wurde älter.

„Fragen Sie.", antwortete ich so ruhig wie möglich, doch auch mir fiel das Zittern, welches diese zwei Wörter begleitete, auf.

Mit seinem Drehstuhl verkleinerte er den Abstand zwischen uns beiden und schaffte somit eine vertraute Stimmung. Ganz so, als müsste ich nicht zurückschrecken ihm alles zu berichten.

„Wenn es dir lieber ist, dann kann ich deine Mutter bitten für einen Augenblick den Raum zu verlassen. Diese Fragen werden persönlich.", erklärte mir mein Arzt mit gesenkter Stimme. Ich lächelte müde. „Das ist nicht nötig. Sie kann gerne hierbleiben."

Er richtete sich ein wenig auf und nickte zur Bestätigung.

„Darf ich dich fragen, in welchen Mengen du Alkohol konsumierst?"

„Mal zu Geburtstagen oder auf Feiern. Aber dann nur gemischtes Bier oder so etwas. Alles andere ist mir zu bitter.", erzählte ich ihm wahrheitsgemäß. Ich wurde noch unruhiger. Wozu benötigte er dieses Wissen?

„Und bevor du zu mir gekommen bist... hattest du da irgendwann mal eine schlimme Kopfverletzung, eine Hirnblutung oder Ähnliches?"

„Nein, alles nicht."

Er betrachtete mich skeptisch. Dann richtete er seinen Blick wieder auf seinen Notizzettel und schrieb meine Antworten nieder. Ich blickte unruhig im Raum herum und entdeckte ein Bild, welches über meiner Mutter hing. Es sah aus, als wäre es von einem Kind gemalt wurden. Darauf war eine Wiese mit Blumen zu sehen, welche alle unterschiedliche aber sehr kräftige Farben hatten. Es machte einen friedlichen Eindruck.

„Hat Ihr Kind dieses Bild gemalt?"

Doktor Adams hob seinen Kopf und folgte meinem Blick.

„Nein meine Frau. Sie ist Künstlerin."

Ups.

Mir wurde plötzlich ganz warm. Warum hatte ich nicht erst überlegen und dann sprechen können? Doktor Adams sagte darauf nichts weiter, doch ich erwischte ihn dabei, wie er den Kopf schüttelte und seine Stirn runzelte, was das Ganze noch schlimmer machte.

Was meine Mutter anging, wurde sie in ihrem Stuhl um einige Zentimeter kleiner.

Das hatte ich wieder sehr klug angestellt. In dem Moment, wo ich gerade überlegte, einfach aus dem geöffneten Fenster zu springen, stand Doktor Adams auf und drückte mir einen Zettel in die Hand.

„Hier habe ich aufgeschrieben, wie wir in solchen Fällen normalerweise vorgehen. Wir beginnen mit einigen Untersuchungen. Wir werden dir Blut abnehmen, außerdem werden wir deine Rückenmarksflüssigkeit untersuchen. Des Weiteren fertigen wir ein EEG an.
Oft haben Patienten mit ähnlichen Syndromen nur kleine Aussetzer und erinnern sich nach einiger Zeit ganz von selber wieder an das Vergesse, aber wir wollen ganz sicher gehen, ob da nicht doch mehr dahinter steckt."

„Vielen Dank Doktor Adams.", sagte meine Mutter. Ich blickte zu ihr und sah, dass ihre Augen glänzten. Schnell steckte ich den Zettel in meine Hosentasche, bedankte mich bei meinem Doktor und schob meine Mutter aus der Tür, ehe sie die Möglichkeit hatte, Doktor Adams womöglich noch zu umarmen.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt