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Meine Mutter hatte es vorausgesehen. Die Tage vergingen unglaublich langsam. Nachdem Damons und mein Gespräch am Montag kein sonderlich angenehmes Ende gefunden hatte, sind wir uns nicht mehr begegnet, was wahrscheinlich auch ganz gut war.
Ich war kein sonderlicher Fan von meiner selbst auferlegten Regel, mich von ihm fernzuhalten, bis ich wusste, was nicht mit mir stimmte, doch ich war mir sicher, dass dies die beste Entscheidung war.

Meine Mutter versuchte mit aller Kraft die lange Wartezeit zu verkürzen. So oft, wie sie nur konnte, jagte sie mich aus dem Haus oder unternahm Dinge mit mir. Wir backten einen Zebrakuchen, der bis zuletzt wie ein Erfolg aussah, doch dann viel zu lange im Ofen verharrte, und den wir deshalb mit schwerem Herzen wegwerfen mussten.

Außerdem spielten wir Karten, bis meine Mutter mit mir schmollte, da sie dachte, ich würde schummeln. Dabei hatte ich einfach nur Glück.
Am Ende jedes Spieles pflegte sie zu sagen „Pech im Spiel, glück in der Liebe", um ihren schlechten Durchlauf zu rechtfertigen. Ich lachte jedes Mal aufs Neue, musste aber immer an Damon denken. Vielleicht war mir das Unglück in der Liebe ja vorbestimmt?

Es war doch nicht normal, dass das erste Mal nach langem alles wunderbar lief und ich glücklich mit Damon war, (verdammt, er hatte mich sogar geküsst) und dann, ein paar Tage später, hatte sich wieder alles geändert. Das Schicksal konnte sich wirklich nicht entscheiden.

Es kam mir so vor, als wäre es eine Frau in der Midlifecrisis, die von jetzt auf gleich ihre Haare färbte, ihren Mann verließ und ein teures Auto kaufte, um dann festzustellen, dass sie diesen ganzen Mist gar nicht brauchte. Die Tönung würde aus ihren Haaren wahrscheinlich noch herausgehen, doch ihren Mann hätte sie für immer verloren.

In einem wirklich langweiligen Moment hat meine Mutter doch tatsächlich ein dunkelblaues Wollknäul und zwei Stricknadeln herausgeholt und versucht mir die Grundlagen des Strickens zu erläutern. Doch das hatte sie binnen weniger Sekunden wieder aufgegeben, da ich eine Aufmerksamkeitsspanne von zehn Sekunden hatte.
Immerhin hatte sie es versucht.

Der sehnsüchtig erwartete Anruf kam in einer Chemiestunde am Montag in der daraufkommenden Woche. Bis dahin war ich in der Schule ein umhergeisterndes Gespenst gewesen. Alle Schüler nahmen an, dass es etwas mit meiner angeblichen Trennung von Damon zu tun hatte, da ich ausschließlich nur noch mit Mary oder allein zu sehen war.

Dass wir uns gar nicht voneinander hätte trennen können, da wir gar nicht zusammen gewesen waren, schien niemand zu glauben oder zu interessieren. Mary tat -Gott sei Dank- so, als würde sie nichts über die Gerüchte wissen und sprach Damon mit keinem Wort an. Dafür rutschte ihr aber ab und zu ein abfälliger Kommentar zu seinen Freunden heraus, den ich jedes Mal unerwidert ließ.

Alles in allem war die letzte Woche eine Folter gewesen. Zu Hause hatte meine Mutter für Ablenkung gesorgt, doch ihre Fürsorge schützte mich nicht vor den neugierigen und unermüdlichen Blicken meiner schamlosen Mitschüler. Wahrscheinlich hatte Damon für keine Geradebiegung dieser Gerüchte gesorgt, doch ich konnte ihm keinen Vorwurf darüber machen. Schließlich hatte ich mich ebenfalls nicht geäußert.

Ich saß gerade in Chemie, schaute aus dem Fenster und betrachtete Vögel, die sich um ein Brotstückchen stritten, welches wohl aus der Brotdose eines jüngeren Schülers kam, als mein Handy anfing zu vibrieren. Die ganze Woche über hatte ich es auf laut gestellt, um den Anruf ja nicht zu verpassen. Mein Puls beschleunigte sich und als ich eine fremde Nummer auf dem Display erkannte, sprang ich sofort auf. Mein Lehrer hatte die abrupte Bewegung aus dem Augenwinkel bemerkt und drehte sich zu mir.

„Es tut mir leid, aber ich muss da drangehen. Es ist wirklich wichtig.", murmelte ich, schon halb aus dem Fachkabinett und achtete in keinem Augenblick auf das empörte Gesicht meines Chemielehrers. Er würde es schon überleben!
Ich knallte die Tür zu und schob den grünen Schalter auf meinem Display zur Seite.

„Ja hallo?", meldete ich mich ein wenig unglücklich der unbekannten Nummer.

„Hier ist die Arztpraxis unter Doktor Adams. Sabine Meyers mein Name. Spreche ich mit Fräulein Clarke?", fragte mich eine Frau mit freundlicher Stimme.

„Ja, haben Sie die Ergebnisse der Untersuchungen?", ich wirkte wohl ziemlich respektlos, doch meine Manieren mussten jetzt mal für einen kurzen Augenblick aussetzen. Ich war viel zu nervös, um mir Gedanken zu machen, ob ich die passenden Worte verwendete.
Ein Schweißfilm bildete sich auf meinen Händen, den ich kurzerhand an meiner Hose abwischte.

„Deshalb habe ich Sie angerufen. Wir haben sie heute erhalten."

„Und?", die Frau ließ mir gar keine andere Wahl, als unhöflich zu sein. Sie musste doch ahnen, wie unruhig ich wegen der Ergebnisse war. Mein Atem hatte sich beschleunigt und ich wühlte wie verrückt mit meiner freien Hand in den Haaren herum. Wahrscheinlich glich ich gerade einer Vogelscheuche.

Ich begann hin und her zu laufen, um das überschüssige Adrenalin loszuwerden, dabei betrachtete ich Plakate und Auszeichnungen, die an der sonst kahlen Wand des Schulgebäudes befestigt waren, ohne auch nur ein Wort zu lesen.

„Wir müssen für die Auswertung Ihrer Ergebnisse einen neuen Termin vereinbaren."

Ich stöhnte leise auf.

„Doktor Adams bestand darauf, Sie so schnell wie möglich wiederzusehen. Würde Morgen 18 Uhr bei Ihnen passen?", ohne zu zögern oder groß darüber nachzudenken, bejahte ich diese Frage. Wir verabschiedeten uns kurz angebunden voneinander und ich legte auf. Dann schrieb ich meiner Mutter eine Nachricht und informierte sie über den Termin.

Noch während ich das Fachkabinett wieder betrat, fragte ich mich, weshalb Doktor Adams darauf bestanden hatte,  mich so schnell wieder zu sehen.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt