Inzwischen musste der Film bereits begonnen haben, aber ich konnte gut und gerne auf die angepriesene Gewalt verzichten.
„Das hättest du wirklich nicht tun müssen.", wisperte ich verlegen und deutete auf die Nachos und die Erdnüsse in meiner Hand. Ich war stolz auf mich, dass ich einen halbwegs normalen Satz herausgepresst bekam. Mein Hals war plötzlich fürchterlich trocken.„Nicht der Rede wert.", er lächelte leise. Die gesamte Atmosphäre war so viel anders, als bei unserer letzten Begegnung. So viel bedachter. Aber seit unserem letzten Aufeinandertreffen war einfach viel passiert. Es waren nur wenige Tage vergangen und doch fühlte es sich so an, als wäre ich um Jahre gealtert. Ich konnte mir aber nicht erklären, weshalb Damon auch so viel älter wirkte.
„Ich musste irgendwie verhindern, dass du ihm deine Nummer gibst. Typen wie er führen immer etwas im Schilde."
Ich kicherte. „Es war doch eigentlich ein nettes Angebot. Er sah auch nicht sonderlich bedrohlich aus."
„Das sind die Gefährlichsten, Aria.", seine Stimme war ernst und sein Blick undurchdringlich. Was hatte er denn auf einmal wieder? Da versuchte man mal mit ihm zu scherzen und sofort war er total verändert. Es war ja süß, dass er sich Sorgen um mich machte, doch ich konnte immer noch auf mich allein aufpassen.
„Es ist ja nichts passiert. Danke für deine Fürsorge, aber die ist wirklich nicht notwendig.", sagte ich ein wenig ungehalten. Ich wirkte wohl ruhig und kühl auf ihn, doch das entsprach dem kompletten Gegenteil, von meinen inneren Gefühlen. So viel spielte sich in meinem Körper ab. Wut, Liebe, Verzweiflung und gleichzeitig die absurde Zufriedenheit, dass er sich um mich kümmerte. Doch das durfte ich nicht spüren. Ich musste mich von solchen intensiven Gefühlen für Damon lossagen. Es war gefährlich ihn so nah an mich heranzulassen.
„Aria, wir müssen reden...", er kam nicht weiter.
„Nicht schon wieder Damon. Akzeptieren wir doch einfach, dass das mit uns nichts wird. Andauernd geraten wir aneinander, ständig streiten wir. So kann das nicht weiter gehen. Es ist das Beste, wenn wir Abstand zueinander halten. Das zwischen uns ist falsch.", jedes einzelne Wort tat weh.
Jeder Satz fühlte sich wie eine große Lüge an und brannte sich in mein Herz hinein. Dieses wiederrum starb. Zumindest fühlte es sich so an. Was blieb, war ein dumpfes, schmerzendes Gefühl. Schnell drehte ich mich von Damon weg, mit der Angst, er hätte das verdächtige Glitzern in meinen Augen gesehen.
Ich wollte mich von ihm entfernen, doch so schnell ließ er mich nicht fortgehen. Er griff nach meinem Arm und zog mich zu sich. Hätte ich in diesem Moment Cola in der Hand gehabt, hätte ich alles auf uns geschüttet, doch die einzelnen Nachos machten keinen großen Dreck, als sie lautlos auf den Boden fielen. Sie waren mir auch vollkommen egal, denn das, was nun geschah, war viel wichtiger, als irgendwelche dreieckigen Stückchen.
Er küsste mich. Einfach so. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Ich schmeckte den süßen Geschmack von Popcorn und fragte mich, ob dieser von mir oder von ihm kam. Gleichzeitig wurde ich von einer Welle Emotionen mitgenommen. Es war, als würde aller Kummer, aller Schmerz aus mir herausgesaugt und stattdessen mit Freude und Liebe ausgetauscht werden.
Ich fühlte mich so lebendig, voller Leben, dass es mir wie eine Art Neugeburt vorkam. Damon ließ mich etwas spüren, das ich noch nie so erlebt hatte.
Dieser Kuss fühlte sich an, wie in einem Traum, doch er war real. Damon war real.Am liebsten hätte ich meine Arme um ihn gelegt, meine Finger in seine Haare vergraben, doch leider hinderten mich diese blöden Nachos daran. Kurz überlegte ich, sie einfach auf den Boden zu werfen, doch das wollte ich den Reinigungskräften nicht antun.
Der Kuss dauerte lang und war bei weitem nicht so intensiv, wie die Gefühle, die in mir grummelten, doch als er sich vorsichtig von mir löste, wünschte ich, er wäre noch nicht vorbei.
Damon sah mich mit einer solchen Zärtlichkeit an, dass ich am liebsten mit meinen Fingern über seine glühenden Wangen gefahren wäre.
„Sag mir ins Gesicht, sag mir in die Augen, dass sich das falsch angefühlt hat."
Ich war sprachlos. In einer anderen Welt hätte ich die Nachos an die Wand geschmissen, in einem anderen Leben hätte es mich nicht gekümmert, dass andere Leute die Schweinerei sauber machen müssten, noch vor ein paar Wochen hätte ich Damon stattdessen an mich herangezogen und ihn gleich nochmal geküsst. Und dieses Mal, verdammt nochmal länger.
Doch wir waren nicht in einer anderen Welt. Wir waren im Hier und Jetzt, wo es mir unmöglich erschien, derart egoistisch zu sein und Damon für mich zu beanspruchen, obwohl doch alle anderen Mädchen ihm eine viel bessere Zukunft bieten konnten. Wenn ich ihm jetzt nicht ein für alle Mal verständlich machte, dass es kein „Wir" gibt, würde ich es niemals schaffen.
So sehr sehnte ich mich jetzt schon nach dem Gefühl seiner Lippen auf meinen, nach der Art wie er mich an sich heranzog, als ob uns nie wieder etwas trennen könnte. Doch es ging nicht! Ich durfte es nicht.
„Damon...", flüsterte ich leise und sah ihn schwach an. Er musste in meinen Augen gesehen haben, was ich vorhatte. Er musste das Zittern, welches meinen gesamten Körper erfasste, gespürt haben, denn er ließ von mir ab und taumelte mit entsetzen Gesichtsausdruck zurück. Sofort ergriff mich eine schmerzende Kälte, die meine Glieder schmerzen ließ.
Mein Herz war davon ausgeschlossen, es war schließlich schon längst tot.
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Gaps in my Head
Teen FictionInhaltsangabe: Wie wäre es, jeden Abend mit der Angst einzuschlafen, am nächsten Tag aufzuwachen und sich nicht mehr an den Vortag erinnern zu können? Wie wäre es, das Gefühl zu haben, man hätte Lücken in seinem Kopf? Das ist der Alltag von Aria...