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„Deine Mutter ist wirklich nett."

Ich lachte peinlich berührt auf.
Wir saßen auf meinem Bett. Während ich mich mit einem gemütlichen Schneidersitz an die Wand lehnte, hatte sich Damon auf die Bettkante platziert.
Ich hatte ihn retten können, bevor meine Mutter ihn die peinlichsten Fragen hatte stellen können, dennoch war er von ihrer Neugier nicht ganz verschont geblieben.

„Du ähnelst ihr."

Ich wusste nichts mit diesem Satz anzufangen.

„Ist das gut, oder schlecht?"

„Natürlich gut.", er fing an zu lachen und um seine Augen bildeten sich kleine Falten. Wenn er so unbekümmert war, sah er viel jünger aus und leider auch noch attraktiver.

„Warum warst du vorhin eigentlich so entsetzt gewesen, als du mich in eurer Küche gesehen hast? Ist ja nicht so, als wäre ich das erste Mal bei euch."

Meine Gedanken schweiften wieder zu Kyle. Damon hatte recht. Ich war absolut neben der Spur gewesen und dies war wohl Kyle zu verdanken. Noch immer waren mir seine Beweggründe vollkommen unklar und langsam regte ich mich darüber auf.
Ich war ein Mensch, der sich über alles Gedanken machte. Jedes Wort, jeden Satz, den mir jemand zuwarf, hinterfragte ich. So auch Kyles seltsame Entschuldigung.

Hatte ich richtig reagiert, als ich ihn so abgewiesen hatte? Hätte ich ihm mehr entgegen kommen sollen?
Ach Quatsch! Was war das denn für ein Gedanke? Meine Kälte ihm gegenüber war absolut berechtigt gewesen. Schließlich war er der Idiot gewesen, der mich so ignoriert hatte.

„Ary?", Damon sah mich sanft an. Erst seit Kurzem verwendete er diesen Namen. Jedes Mal, wenn er mich so nannte, bildete sich Gänsehaut auf meinem Nacken und mein Herz begann schneller zu schlagen. Irgendwie schaffte Damon es meinen Namen viel schöner klingen zu lassen.

„Ja?", ich horchte auf.

„Ich werde das Gefühl nicht los, dass du gerade ganz wo anders bist."

Ich seufzte.

„Da hast du nicht ganz Unrecht."

Kurz überlegte ich, ob ich ihm von meinem Treffen mit Kyle erzählen sollte, doch dieser Gedanke wurde von Damons aufleuchtenden Handy unterbrochen. Es lag neben ihm und ich versuchte gar nicht erst zu schauen, wer ihm geschrieben hatte. Wir waren in keiner Beziehung und er war mir keine Rechenschaft schuldig, mit wem er im Kontakt stand. Was dies betraf, musste ich einfach auf sein Verhalten mir gegenüber vertrauen.

Wenn wir zusammen waren und er eine Nachricht bekam, schaute er normalerweise kurz auf sein Handy und antwortete erst später. Doch als er heute einen Blick darauf warf, nahm er es in die Hand und tippte eine kurze Antwort. Sein Gesicht sah angespannt aus und ich spürte, wie er sich verkrampfte. Seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren, als er wieder aufsah.

„Tut mir leid. Notfall. Ich muss los.", diese Worte kamen kalt, duldeten keinen Widerspruch. Ich erkannte Damon Mitchell nicht wieder. Er erhob sich und schob sein Handy in seine Hosentasche.

„Ähm... okay. Ich komme mit an die Haustür."

Er antwortete nicht. Wir liefen schweigend die Treppe herunter und er zog seine Jacke über. Seine Bewegungsabläufe wirkten mechanisch. Ich fühlte mich vollkommen fehl am Platz.

„Ist was passiert?"

Meine Stimme wirkte meilenweit entfernt. Wie ein Echo ertönte es versetzt in meinen Ohren. Plötzlich wurde mir übel.

„Nein, alles gut.", wir beide wussten, dass dies eine Lüge war. Wohl die Erste, die er mir seit unserem Treffen aufgetischt hatte. Es musste wirklich ernst sein. Wie hatte ihn eine Nachricht nur so verändern können? Als er die Haustür öffnete, suchten meine Augen seine, doch sie fanden sie nicht.

„Tja dann...", antwortete ich völlig überfordert.

„Wir sehen uns.", murmelte er. Nun sah er mich endlich an. Ich versuchte ihm wortlos verstehen zu geben, dass ich ratlos und hilflos war und vielleicht auch ein klein wenig Angst vor dieser neuen Seite an ihm hatte. Aus lauter Verzweiflung, stricht ich ihm mit einem Finger über die Stirn. So wie bei der Verabschiedung unserer ersten Verabredung.

Wie als Antwort beugte er sich zu mir herunter. Aber nicht um mich -wie erwartet- in eine Umarmung zu schließen, sondern um mir einen kleinen aber sehr bedeutenden Kuss auf den Mund zu geben. Es wirkte, als täte er es wie in Trance, als würde er gar nicht mitbekommen, was er da tat. Doch ich spürte es im vollkommenen Ausmaß. Für mich war es wie ein Traum und eine Backpfeife zugleich.
Dies war unser erster Kuss gewesen! Und wahrscheinlich hatte er es nur so weit kommen lassen, um mich vom eigentlichen Thema abzulenken.

Das hatte auch funktioniert. Als ich aus meiner Starre erwachte, war er schon längst über alle Berge. Ich knallte mit aufkeimender Wut die Tür zu, sodass ich sogar dir Teller in der Küche klirren hören konnte. Die empörenden Rufe meiner Mutter ignorierend, stampfte ich die Treppenstufen hoch und betonte dabei jeden einzelnen Schritt so, als hätte die Treppe mich persönlich beleidigt. In meinem Zimmer angekommen, warf ich mich in hohem Bogen in mein Bett, vergrub mein Gesicht unter einem Kissen, gab einen lauten Schrei von mir und fing dann still und leise an zu weinen.

Gaps in my HeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt