⊱Kapitel 8⊰

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Shane redet schon wieder über den Herbstball. Ein Thema, welches ich langsam wirklich satthabe. Anscheinend macht sich Caesy Gedanken über die passende Kleiderwahl. Ich nicke nur ab und an mit dem Kopf und murmele zustimmende Worte, während ich insgeheim die Sekunden zähle, bis ich die Chance habe etwas anderes anzusprechen.

Ich blinzele gegen die hoch am tiefblauen Himmel stehende Sonne an und wir biegen in unsere Straße ab. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als mir ein vertrauter schwarzer Mercedes ins Auge fällt. Sofort gibt es für mich kein Halten mehr. Der Wagen ist Dads Heiligtum, er hat ewig gespart um ihn kaufen zu können und sieht nach all den Jahren noch immer aus wie neu.

»Dad ist da!«, unterbreche ich Shane, der innehält und meinem ausgestreckten Arm folgt. Ein einziger Blick in Shanes blaue Augen genügt, um festzustellen, dass er die gescheiterte Ehe meiner Eltern bedauert.

Er weiß, dass ich traurig darüber bin und meinen Vater jeden Tag ein bisschen mehr vermisse. Für Mom versuche ich stark zu sein und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich unter der Scheidung und dem Verlust von Dad leide.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem mir meine Eltern verkündet haben von nun an getrennte Wege zu gehen. Weil ich zu diesem Zeitpunkt erst siebzehn und damit noch minderjährig war, haben sie mich gefragt, bei wem ich von nun an lieber leben möchte.

Ich habe mich für meine Mutter entschieden, weil ich sie nicht noch mehr verletzen und schon gar nicht Shane verlieren wollte. Mit Tiffany, Dads neuer Freundin, möchte ich ohnehin nichts zu tun haben.

Shane und ich verabschieden uns mit einer Umarmung voneinander.
»Valerie, es ist so schön dich zu sehen!«

Die Haustür ist nur angelehnt, weswegen ich Tiffany Jacksons Stimme eindeutig identifiziere. Während ich mich noch frage, wie Dad den Fehler begehen konnte, seine neue Freundin mitzubringen, stoße ich die Tür auf, um das Schlimmste zu verhindern.

»Ach und deine violette Bluse ist ganz bezaubernd! Du musst mir unbedingt verraten, wo du sie herhast.«
»Tiffany, wie schön, dass du ebenfalls gekommen bist.«
Bin ich die einzige, die den Serienkiller aus Moms Stimme heraus hören kann? Dem hilflosen Gesichtsausdruck meines Vaters zur Folge nicht. Als er mich entdeckt hellt sich seine Miene auf.

»Maggs, bist du groß geworden!«, stößt er aus, ehe er mich umarmt. Ein Mundwinkel meinerseits zuckt bei Dads Aussage entgeistert nach oben. Dieser Versuch, die Bombe – oder auch Mom – zu entschärfen ist wohl mächtig daneben gegangen.

»Wo sind bitte deine Gehirnzellen geblieben, David? Du warst erst vor vier Tagen hier und seit dieser Zeit ist Maggie garantiert nicht größer geworden, davon mal abgesehen, dass sie fast vollständig ausgewachsen ist!«
Fast trifft es richtig, denn mein Biologielehrer pflegt zu sagen, dass wir bis ungefähr sechsundzwanzig wachsen. Obwohl, das bei mir wirklich nicht zuzutreffen scheint.

Tiffany guckt ziemlich verwundert, als meine Mutter sich, kaum beginne ich von meinem Tag zu erzählen, verdrückt. Erleichtert atme ich auf. Mom von Tiffany wegzubekommen ist das einzig richtige, was man tun kann.

»Dad? Schön das du da bist! Mom hat gar nicht erwähnt, dass du kommen willst.«
Jules erscheint auf dem oberen Treppenabsatz. Natürlich hat es uns Mom mitgeteilt, mehrere Male sogar, nur Jules scheint das mit Absicht vergessen zu haben.

»Jules, mein Engelchen, wie geht es dir?«
Tiffanys nervtötende Stimme bereitet mir Kopfschmerzen, sodass ich froh bin, als Jules einen Spaziergang vorschlägt. Meine große Schwester ist die einzige von unserer Familie, die neben meinem Vater keinen Groll gegen Tiffany zu hegen scheint.

Dennoch könnte die Situation nicht abstrakter sein. Schließlich macht Jules allein unsere Mutter für die Scheidung verantwortlich und verschwindet mit der Frau, die tatsächlich verantwortlich ist.

Mein Dad, der wohl die größte Schuld an dieser Misere trägt und ich bleiben allein im Flur zurück. Ich habe mich mittlerweile an die helle Holztreppe gelehnt, mein Vater steht mir gegenüber und klatscht nun mit Enthusiasmus in die Hände.

»Gut, dann will ich doch mal meine Sachen abholen!« Eigentlich wollte er bereits gestern die letzten Kartons abholen, aber bei der Arbeit war etwas dazwischen gekommen.

Dad greift nach dem ersten braunen Larton, die Mom ordentlich in eine Ecke des Flurs gestapelt hat.
Überrascht sackt Dad ein wenig in die Knie.
»Uff! Was hat eure Mutter denn da reingepackt? Ziegelsteine?«

Gewundert hätte es mich nicht, aber dieser Karton sieht verflixt nach dem mit den Sherlock Holmes Büchern und Zauberkästen aus. Nicht zu vergessen die Hantel. Dad stiefelt schwerfällig zur Tür, während ich mir ebenfalls einen Karton nehme. In meinem scheint nur Kleidung zu sein, oder auch überhaupt nichts, denn er ist ganz leicht.

Mein Vater besitzt blondes Haar, welches allerdings bereits an manchen Stellen ergraut ist und dieselben braunen Augen, die auch Jules und ich geerbt haben. Seinen Bart trägt er wie gewöhnlich zu einem drei-Tage-Bart, während sich seine Lippen zu einem zufriedenen Lächeln verziehen, als er den schweren Karton in seinem schwarzen Mercedes verstaut.

So viel ich weiß, wohnen die beiden nur etwa zwei Stunden von hier, in Tucson. Ich bin noch nicht dort gewesen, aber Mom zu Folge, leben sie in einem stattlichen Haus, welches eher einer Villa gleicht. Tiffany ist die Tochter von reichen Unternehmern und noch dazu Einzelkind, weswegen sie sich diesen Luxus sicher mit Leichtigkeit leisten kann.

»Sag mal, Maggs ...« Dad drucksst etwas herum und scheint sich sichtlich unwohl zu fühlen. »Was hältst du davon mal ein Wochenende in Tucson zu verbringen? Tiffany würde euch zwei gerne einladen und ich würde mich wirklich freuen, wieder ein Wochenende mit dir zu verbringen.«

Deswegen fühlt er sich nicht wohl. Tiffany hat ihn dazu gedrängt meine Schwester und mich einzuladen.
»Also weißt du, Dad, die Einladung hört sich ganz gut an, aber ...«, setze ich an, unterbreche mich allerdings selbst, als ich Dads zerknirschten Gesichtsausdruck sehe. Ich beiße die Zähne zusammen und springe über meinen eigenen Schatten.

Er vermisst mich und ich vermisse ihn mindestens genauso sehr. Ihm zu liebe werde ich auch mit Tiffany zurechtkommen, hoffe ich wenigstens.

»Sag mir welches Wochenende und wir werden kommen«, versichere ich schnell und lächele, obwohl es sich falsch anfühlt.
»Das freut mich zu hören. Übrigens, wenn du heute Abend noch nichts vorhast, könnten wir beide doch mal wieder in unserem Restaurant essen gehen. Freddy würde sich bestimmt freuen.«

Mit »unserem Restaurant« meint mein Vater nichts weiter, als einen kleinen rustikalen Laden, der unter vielen als Geheimtipp gilt, um die großen Fastfoodketten zu umgehen.

Das ländliche Feeling sorgt für genügend Besucherzahlen, sodass der Laden mehr als gut läuft und selten nicht bis oben hin voll ist. Wenn man den Besitzer allerdings kennt, bekommt man auch ohne Reservierung den besten Platz im Restaurant.

Wahrscheinlich gehen wir aber auch deswegen lieber zu Freddy, weil er ein alter Schulfreund meiner Eltern ist und damit praktisch schon zur Familie gehört.
»Liebend gerne«, antworte ich.

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