Am nächsten Tag fehlt Evan in der Schule und ich weiß nicht warum. Auch Zara und die anderen haben keine Ahnung, als ich sie alle in der Mittagspause dazu befrage. Bereits seit gestern Abend nimmt er weder meine Anrufe entgegen, noch beantwortet er meine Nachrichten.
»Vielleicht ist er krank?«, versucht Kota ein passendes Argument zu finden, was allerdings nicht wirklich überzeugend klingt. Auch seine Versuche mit ihm zu telefonieren schlagen fehl, führen aber wenigstens dazu, dass Zara ebenfalls ihr Glück versucht und beide endlich wieder am gleichen Tisch sitzen und sich unterhalten.
Weil Evan auch am Abend noch nichts von sich hat hören lassen, beschließe ich nach langen hin und her schließlich zu ihm zu fahren. Obwohl Mom es mir verboten hat, sagt sie nichts zu mir als ich an ihr vorbeigehe und sie noch dazu um ihre Autoschlüssel bitte.
Das ist ihre Art mich zu bestrafen, wenn alles nicht mehr funktioniert. Sie schweigt beharrlich und ignoriert mich, solange bis ich mich bei ihr entschuldigt habe. Doch das habe ich nicht vor.
Dunkle Wolken schweben drohend am sich langsam verdichtenden Abendhimmel, als ich das Haus verlasse, wobei ich mir sicher bin, dass sie vor knapp zehn Minuten noch nicht da gewesen sind. Das Wetter hat umgeschlagen und ich spüre die elektrische Aufladung der Luft. Die Härchen auf meinen Armen richten sich prickelnd auf, als ich die Einfahrt hinunterstürme.
Ich steige in den silbergrauen Ford Fiesta meiner Mutter und hoffe, dass ich mein Ziel erreiche, bevor sich das plötzlich aufbrauende Gewitter entladen wird. Es kommt nicht oft vor, dass es in Phoenix regnet, aber wenn doch, ist es meist ungewöhnlich heftig und geht mit sintflutartigen Regengüssen einher.
Ich weiß selbst, dass meine Wahnvorstellungen bezüglich Evan mittlerweile mit mir durchgehen. Es ist dumm anzunehmen, dass Nici bei Evan ist und er mir deswegen nicht antwortet. Aber falls sie wirklich diese Briefe geschrieben hat, die ich bei mir trage, dann traue ich ihr durchaus zu jede Gelegenheit zu nutzen, um Evan zu verführen.
Ich vertraue meinem Freund und weiß, dass sie ihm nichts bedeutet, aber allein der Gedanke an die bildhübsche Nici lässt in mir Eifersucht entfachen.
Gleichzeitig mache ich mir jedoch auch Sorgen, Evan könnte etwas zugestoßen sein. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er sich in Schwierigkeiten bringen würde, indem er illegal Graffiti sprüht oder jemanden unter Alkohol verprügelt. Ich hoffe inständig, ihm geht es gut und meine Angst ist unbegründet.
Keine fünf Minuten später, trommeln plötzlich dicke Regentropfen, auf das Dach ein und vertreiben meine wirren Gedanken. Helle Blitze zucken über den Himmel und der Donner grollt bedrohlich. Ich schalte das Radio aus, weil ich Hailee Steinfelds traurige Ballade ohnehin nicht länger verstehen kann.
Der Scheibenwischer kommt den Wassermassen kaum rechtzeitig nach und ich überlege bereits am Straßenrand zu halten, bis das Wetter besser wird, entscheide mich dann jedoch dagegen, weil ich meine Zeit nicht länger als nötig im Auto verbringen möchte.
Abgesehen von mir und dem schwarzen Auto, dass mich vor knapp zehn Minuten überholt hat, scheint niemand so leichtsinnig zu sein, bei solch schlechtem Wetter Auto zu fahren.
Aus dem Augenwinkel schaue ich auf mein Handy, ob Evan mir bereits geantwortet hat, aber von ihm ist keine Nachricht eingegangen. Stattdessen hat mich Dad versucht zu erreichen, aber bei dem Unwetter habe ich mich nicht getraut das Telefonat anzunehmen.
Der Kuss von Dad und Mom, obwohl diese geschieden sind und Mom ihn für immer vergessen wollte, ist ein Problem, um das ich mich später kümmern werde. Vielleicht ist es nicht mal ein Problem, vielleicht ist es der erste Schritt in die richtige Richtung, auch wenn meine Mutter bisher noch nicht den Eindruck macht Dad zurückzunehmen.
Kurz gebe ich mich tatsächlich der Vorstellung hin, Mom könnte ihm verziehen haben und wir dadurch wieder eine heile Familie werden. Es ist unsinnig sich etwas zu wünschen, wo ich doch genau weiß wie ungerecht das Leben sein kann. Außerdem hat Dad noch immer Tiffany, auch wenn er schon lange nicht mehr von seiner dreizehn Jahre jüngeren Freundin gesprochen hat. Sind sie überhaupt noch zusammen?
Eilig vertreibe ich meine Wunschvorstellungen und parke kurze Zeit später Moms Auto auf der gegenüberliegenden Straßenseite von Evans Haus. In den letzten Wochen bin ich öfters hier gewesen, sodass ich mich mittlerweile gut genug im Haus auskenne um zu wissen, welches Fenster zu welchem Zimmer gehört.
Im Wohnzimmer brennt Licht, sonst ist es im gesamten Haus dunkel. Zwar habe ich keine Ahnung ob Evan überhaupt da ist, aber ich versuche nichtsdestotrotz mein Glück. Er hat mich seinen drei Mitbewohnern vorgestellt. Allesamt ältere, allerdings überaus nette Studenten.
Sie haben mir nie irgendwelche Avancen gemacht oder versucht mir näherzukommen. Nicht einmal, als ich früher als geplant da war und Evan erst eine halbe Stunde später von seiner Arbeit in der Bibliothek nach Hause kam.
Aus diesem Grund zögere ich auch nicht, als ich den Motor abstelle, mein Handy in die hintere Hosentasche stecke und anschließend die Briefe unter mein gelbes Shirt schiebe, um sie so gut wie möglich vor dem Regen zu schützen. Obwohl ich mich beeile und keine Zeit verschwende, bin ich klitschnass, als ich endlich auf der trockenen Veranda ankomme und gegen die Tür klopfe.
Ich muss etwas warten, ehe mir Henry die Tür öffnet und mich verwundert mustert.
»Maggie, was machst du denn hier draußen im Regen?«, fragt er, lässt mir allerdings keine Zeit zu antworten und drängt mich schon ins deutlich wärmere Haus. »Evan ist nicht da, aber wenn du noch kurz wartest, dürfte er jeden Moment zurück sein.«Henry verschwindet in einem Raum, von dem ich weiß, dass es das Badezimmer im Erdgeschoss ist und kommt kurz darauf mit einem blauen Handtuch zurück.
»Danke«, murmele ich und wische mir die nassen braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, um mich anschließend ein wenig zu trocknen. Zum Glück sind die Briefe einigermaßen verschont geblieben. »Wo wollte Evan denn um diese Uhrzeit noch hin?«
Henry zuckt die Schultern.
»Hat er nicht gesagt, aber ich glaube er wollte sich mit ein paar Freunden zwei Blocks weiter an der Tankstelle treffen.«
Eine Tankstelle scheint mir ein ziemlich ungeeigneter Treffpunkt zum Spaß haben zu sein, aber ich behalte diesen Gedanken für mich. Vielleicht hat sich Henry verhört.»Ich warte oben auf ihn«, informiere ich Henry und erklimme dann die Treppenstufen, die zu Evans Dachgeschosszimmer führen.
Noch immer stapeln sich unzählige Bücher bis an die Decke und kein einziges T-Shirt liegt herum. Alles ist ordentlich aufgeräumt und befindet sich an seinem Platz, als ich mehrere Minuten warte und dann die Briefe auf seinem Schreibtisch ablege.Plötzlich entdecke ich ein gerahmtes Foto von mir selbst, was Evan erst kürzlich aufgestellt haben muss, da ich es zum ersten Mal sehe. Ich nehme es in die Hand, um es besser zu betrachten.
Das Licht lasse ich aus, weil eine Straßenlaterne direkt vor dem Fenster genug Licht spendet. Es ist leicht verschwommen, aber ich blicke direkt in die Kamera und habe ein untrügliches Lächeln auf den Lippen. Mein Haar umspielt mein Gesicht und verdeckt es ein wenig, weil ich mich gerade zur Kamera umgedreht habe, als das Foto gemacht wurde.
Mit den Fingerspitzen fahre ich über den weißen Rahmen, als hinter mir Schritte ertönen. Ich drehe mich mit einem Lächeln um, das Bild noch immer in den Händen, weil ich glaube, dass es Evan ist. Doch das Lächeln auf meinen Lippen gefriert schlagartig, als ich feststelle, dass er nicht allein gekommen ist.
Rückwärts stolpert er mit einem Mädchen mit blauen Haarsträhnen in sein Zimmer. Beide sind völlig durchnässt vom Regen und – verdammt Nici trägt nur noch ihre Unterwäsche!
Tränen schießen mir in die Augen, als ich sehe wie Nici sich fest an meinen Freund und ihre Lippen auf seine presst.Im selben Moment gleitet das Bild aus meinen Händen. Das Glas zerbricht in tausend Splitter, als es auf den Dielen aufkommt und damit auch mein Herz.
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Light up my World
Teen FictionSie sind so verschieden, wie die Farben Rot und Blau, doch zusammen ergeben sie ein atemberaubendes Violett! Als Maggie Frey und Evan Davis sich zum ersten Mal begegnen, ahnen sie noch nicht, was alles auf sie zukommen wird. Denn obwohl zunächst all...