⊱Kapitel 75⊰

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Am späten Nachmittag fahren Shane und Zara zurück nach Phoenix, was mir die Zeit gibt ein wenig für mich allein zu sein und über das Gespräch mit Ron nachzudenken, bevor mein Vater von der Arbeit kommt. Unaufhörlich zerbreche ich mir den Kopf über diesen mysteriösen Keith und frage mich selbst ob Evans kriminelle Vergangenheit irgendetwas an meinen Gefühlen für ihn ändern.

Leider fällt meine Antwort ebenso negativ aus, wie der Umstand, dass ich ihn trotz des Kusses mit Nici weiterhin liebe. Dummes Herz. Warum kann ich ihn nicht genauso hassen wie meinen Exfreund Zack, als ich diesen mit einer anderen erwischt habe?

Verbittert schürze ich die Lippen, während ich den Tisch für das Abendessen decke. Warum suche ich mir bloß immer die falschen Jungen aus? Warum kann mich niemand mit all meinen Makeln und Fehlern genauso bedingungslos lieben wie Justin meine Schwester liebt? Bin ich wirklich eine so schreckliche Person, dass ich es nicht wert bin eine Beziehung zu führen, ohne sofort ersetzt zu werden?

Tränen brennen hinter meinen Lidern, aber ich verbiete mir zu flennen. Das habe ich in den letzten Wochen und Tagen schon genug getan. Weinen hilft nicht, es macht die Welt nicht besser und mein Herz nicht wieder ganz.

~*~

Nach diesem Motto verfahre ich auch die nächsten Tage. Am Montag gehe ich mit gestrafften Schultern, von Shane und Zara flankiert, so selbstbewusst wie möglich durch das Schulgebäude. Es ist nichts weiter als eine Fassade, die stetig einzubrechen droht. Doch Evan erscheint nicht. Sein Auto berührt den Asphalt des Parkplatzes nicht.

Auch wenn ich erleichtert bin ihn nicht zu sehen, manifestiert sich ein ungutes Gefühl in meinem Magen, welches am Mittwoch in den letzten beiden Stunden seinen Höhepunkt erreicht, als ich mit Shane im Schulsport Schritt zu halten versuche, was nicht möglich wäre, würde er mir zu liebe nicht extra langsam rennen. Wir laufen uns zehn Minuten auf den Bahnen des Sportplatzes ein. Schon nach einer Runde keuche ich, während Shane aussieht als könne er nebenbei noch Matheaufgaben lösen oder für Spanisch Vokabeln lernen.

Gemein.

Im Nachhinein weiß ich nicht, was meine Aufmerksamkeit erregt hat, aber mein Blick wandert nach links und plötzlich steht sie dort. Im kühlen Schatten eines Baumes, während ich in der unerträglichen Hitze schwitzen muss.

Fast wäre ich über meine eigenen Füße gestolpert, weil ich es nicht glauben kann und sie zunächst für ein Hirngespinst halte. Aber sie ist real, verdammt real und sieht noch besser aus als in meiner Erinnerung.

Was macht sie hier?

»Maggie?«
Shane hat nichts an seinem Tempo verändert, ich allerdings schon. Ich bin fast stehen geblieben und schaffe es nur mit viel Mühe wieder zu ihm aufzuschließen.
»Nici«, würge ich hervor und deute mit dem Kopf in die Richtung des Mädchens mit den blauen Haarsträhnen.

Mein bester Freund verzieht wütend das Gesicht. Shane ist gutmütig und der netteste Mensch auf der ganzen Welt, aber die Abneigung, die er gegenüber Nici verspürt, kann man ihm deutlich ansehen. Mir geht es genauso.

Nici ist womöglich die Person, die ich am allermeisten hasse. Nicht einmal Zack kann mit ihr mithalten. Ich balle meine Hände zu Fäusten und muss den Blick von ihr abwenden. Gerade als ich glaube jeden Moment vor Anstrengung umzukippen, pfeift unsere Sportlehrerin und ruft: »Fünf Minuten Pause!«

Erleichtert bleibe ich stehen und nehme Kurs auf meine Wasserflasche.
»Was meinst du, will sie?« Shane wischt sich einzelne Schweißtropfen von der Stirn. Seine blonden Locken kleben ihm im Nacken.
Mir entflieht ein trockenes Lachen.

»Ich weiß nicht. Mich weiter demütigen oder mich damit aufziehen, wie dämlich ich war Evan zu glauben? Alles möglich.«

»Was wenn Ron recht hat und Evan dich gar nicht verletzen wollte?«, schlägt Shane vor, aber ich schüttele nur den Kopf. Vielleicht hätte ich ihm am Montag nicht von dem Gespräch mit Ron erzählen sollen. Im Gegensatz zu mir hat er ihm geglaubt.

»Er hat Nici geküsst und sie trug nur noch Unterwäsche. Glaubst du wirklich man kann da etwas falsch verstehen?«, werfe ich sauer ein.
»Vermutlich nicht«, gibt er zu.

Eine Weile hält Shane den Blick in die Ferne gerichtet. Ich weiß auch ohne nachzusehen, dass er heimlich zu Nici schielt.

»Hey, hast du Lust heute Nachmittag mit Zara und mir ins Einkaufzentrum zu gehen?«, fragt er dann. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass die beiden mich immer dazu bringen etwas zu unternehmen, damit ich nicht allein mit meinen schrecklichen Gedanken bin, aber ich will nicht, dass sie sich meinetwegen solche Umstände bereiten.

»Nein, um ehrlich zu sein habe ich schon etwas anderes vor. Ich habe beschlossen das Fotografieren wieder aufzunehmen und muss noch meine neue Kamera abholen.«

Der Besuch im Kunstmuseum und auch das Gespräch mit Evans Dad, haben mir vor Augen geführt wie sehr ich es genossen habe Fotos zu schießen. Mit dem gesparten Geld von meinem Wochenendjob im Kinotheater habe ich mir gestern ein Modell ausgesucht und vorab bezahlt.

Auf Shanes Lippen bildet sich ein stolzes Lächeln.
»Eine sehr gute Idee«, bekräftigt er meine Entscheidung. »Schön, dich endlich wieder für deine Träume kämpfen zu sehen.«
Etwas, was längst überfällig gewesen ist.

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