⊱Kapitel 29⊰

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Es gibt zwei Wege. Entweder zurück zum Footballfeld oder tiefer in das Schulgebäude hinein. Ich entscheide mich für letzteres, weil mich Nici auf der freien Fläche unweigerlich entdecken würde. Meine Gedanken rasen auf Hochtouren, während ich mich um die nächste Ecke erst einmal außer Sichtweite bringe.

Die Szene derer ich Zeuge geworden bin, kann ich nicht zuordnen. Ich habe keine Ahnung mit wem Nici gesprochen hat geschweige denn worüber. Im Endeffekt weiß ich nicht einmal, warum ich überhaupt vor ihnen weglaufe oder warum mein Puls automatisch in die Höhe schießt als Nici und ihr Begleiter ... Keith? auf den Korridor hinaustreten und ich über das Rauschen in meinen Ohren deutlich ihre Stimmen wahrnehme.

»Hat uns jemand belauscht? Ich kann niemanden entdecken.«
»Scheiße! Ich dachte, du wärst allein hier, Nici!«
»Bin ich ja auch!«, faucht Nici, während ich so leise wie möglich mehr Abstand zwischen mir und die Streitenden bringe. »Alle sind beim Spiel!«

Lautlos schleiche ich an der Wand entlang und versuche in der Dunkelheit einen der weiteren Ausgänge auszumachen. Doch in der Nacht sieht die Schule plötzlich ganz anders aus, sodass mir die gewohnte Orientierung plötzlich gänzlich fehlt.

»Vielleicht musste nur jemand auf’s Klo«, sagt Nici schließlich, aber deutlich genervt. »Egal, ich muss zurück. Zara fragt sich bestimmt schon, wo ich so lange bleibe.«

»Du hast vermutlich recht«, stimmt ihr Keith zu, doch ich höre das Zögern in seiner rauchigen Stimme. »Ich sehe mich zur Sicherheit trotzdem um.« Schon höre ich, wie sich Schritte nähern und fluche innerlich auf.
»Tu was du nicht lassen kannst.«

Sie haben mir eine gute Vorlage gegeben. Ich könnte so tun, als würde ich tatsächlich von den Toiletten kommen und mich völlig normal verhalten. Aber ich tue es nicht, weil ich erstens eine miserable Schauspielerin bin und zweitens ein schlechtes Gefühl habe, was Keith betrifft.

Etwas in meinem Inneren warnt mich unüberhörbar davor ihm über den Weg zu laufen und aus diesem Grund verschnellere ich meine Schritte und drücke im Gehen eine Türklinke nach der anderen, in der Hoffnung, dass ein weiteres Klassenzimmer unverschlossen ist. Aber dem ist nicht so. Kein Türblatt gibt nach. Das Hallen der Schritte in meinem Rücken wird lauter und verstärkt meinen Fluchtinstinkt nur noch weiter.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich einen der beleuchteten Notausgänge entdecke und eilig darauf zusteuere. Aber als ich die Tür versuche zu öffnen, gibt sie nicht nach. Panisch reiße ich die Augen auf, weil ich bei dem Versuch zu verschwinden nicht nur gescheitert bin, sondern auch einen höllischen Lärm verursacht habe.

Die Schritte hinter mir werden schneller, eindringlicher. Ein letztes Mal versuche ich mein Glück und rüttele verzweifelt an der Tür. Wieder gibt sie nicht nach und ich gebe auf, presse mich stattdessen fest in die kleine Nische einer weiteren Tür rechts neben dem verschlossenen Notausgang.

Mein Atem geht heftig und ich verachte mich in diesem Moment selbst für meine chronische Unsportlichkeit. Während ich flehend die Augen zukneife und hoffe, dass mich Keith nicht entdeckt, passieren mehrere Dinge gleichzeitig.

Das Türblatt, an dem ich lehne gibt unerwartet nach und der spitze Schrei, der meine Kehle empor kriecht, wird von einer warmen Hand auf meinem Mund gedämpft. Die andere Hand schlingt sich um meine Taille, an der ich mit einem Ruck in den kleinen Raum hinter mir hineingezogen werde. Im selben Moment als die Tür mit einem lautlosen Klicken ins Schloss fällt, höre ich, wie Keith’ Schritte nur Zentimeter neben mir stoppen.

»Psss«, raunt eine tiefe Stimme nah an meinem Ohr, sodass ich mir sicher bin mit meinem Rücken an der Brust eines Jungen zu stehen.

Noch immer liegt die Hand der unbekannten Person auf meinem Mund, verhindert so, dass ich sprechen kann. Als er bemerkt, dass ich nicht vorhabe zu brüllen, lässt er sie schließlich sinken. Heißer Atem kitzelt meine Wange und ein unbeschreiblicher Duft von frischer Minze und sauberer Wäsche kitzelt meine Nase.

Mein angespannter Körper beruhigt sich langsam in den Armen des Jungen, aber ich wage es nicht auch nur einen Schritt Abstand zwischen uns zu gewinnen, aus Angst dabei versehentlich ein lautes Geräusch machen zu können.

Schweigend harren wir einige Minuten lang aus, bis sich die Schritte von Keith wieder entfernen und schließlich ganz verstummen. Sofort rücke ich in der Dunkelheit von dem Jungen ab. Meine Hand sucht bereits nach dem Türgriff, damit ich möglichst schnell hier verschwinden und zurück zum Footballfeld gehen und Shane anfeuern kann. Bestimmt fragt er sich schon wo ich bin, denn ich habe ihm versprochen, dass ich ihm vor dem Spiel noch viel Glück wünschen werde.

Nur hat das Spiel mittlerweile wahrscheinlich bereits begonnen. Wie bin ich überhaupt auf die dämliche Idee gekommen Nici in die Schule zu folgen? Meine inneren Zweifel an meinem eigenen Verstand werden unterbrochen als plötzlich ein Licht über meinem Kopf erstrahlt und mich kurzzeitig blendet. Ich blinzele heftig und folge der Lichtquelle die sich als nackte Glühbirne in einem Besenschrank entpuppt.

Irritiert frage ich mich wie es sein kann das der Notausgang verschlossen, aber der Besenschrank des Hausmeisters für jeden zugänglich ist. Aber diese Gedanken verschwinden sofort, als ich in das mir nur zu gut bekannte Gesicht des Jungen starre.

»Du?!«, entfährt es uns wie aus einem Mund, gleichermaßen fassungslos wie verwundert.

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