⊱Kapitel 6⊰

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»Ich bin wieder da!«, schreie ich durch unser Haus, als ich es betrete, bekomme aber keine Antwort zurück. Stattdessen begrüßt mich der fünf Jahre alte Dusty und leckt mir zur Begrüßung über die Hand. Augenblicklich breitet sich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen aus.

Ich streichel kurz durch das weiche, goldene Fell des niedlichen Golden Retrievers, der als nächstes sichtlich zufrieden ins Wohnzimmer tappt, wahrscheinlich um in sein Bettchen zu gehen und noch eine weitere Runde zu schlafen. Typisch, er tut den ganzen Tag nichts anderes.

»Mom? Bist du da?«

Ich biege ebenfalls in unser Wohnzimmer ab, gleich nachdem ich meine Schultasche abgestellt und meine Straßenschuhe ausgezogen habe, als es auch schon rumpelt und ich heftig zurückzucke.

»Mom?«, keuche ich erschrocken, aber meine Mutter scheint es gar nicht zu bemerken, dass sie der Grund für meinen fast-Herzinfarkt gewesen ist.
»Hey, Schatz. Wie war denn der erste Schultag?«

Sie lächelt schief, während ein mehr als schwer aussehender Karton vor ihren Füßen thront. Mit unsauberer – oder eher wütender – Handschrift ist kurz und knapp das Wort DAVID darauf geschrieben worden. Der Name meines Vaters.

Er ist bereits vor Monaten ausgezogen, nachdem die Affäre mit der Tochter einer seiner Klienten, aufgeflogen ist. Tiffany Jackson ist dreizehn Jahre jünger als mein Vater, Modedesignerin und die klischeehafte Blondine.

Schon allein bei der Erwähnung ihres Namens überkommt mich tiefe Übelkeit. Jetzt wo die Scheidung offiziell durch ist, hat es sich Mom wohl zu ihrer persönlichen Aufgabe gemacht, selbst den Dachboden von Dads Kram zu befreien.

»Ganz gut«, antworte ich nichtssagend. »Brauchst du Hilfe?«
Ich deute auf den braunen Karton, doch meine Mutter schüttelt den dunklen Schopf.

»Lass nur, den kann dein Vater später schön selbst tragen. Er fühlt sich schließlich von Tag zu Tag jünger, seitdem nicht mehr ich, sondern Tiffany morgens neben ihm aufwacht.«
Sie hört sich verbittert an, aber im nächsten Moment schwingt eine gewisse Genugtuung in ihrer Stimme mit.

»Wollen wir doch mal sehen, ob er so jung ist, dass seine alten Knochen dem Gewicht von allen alten Sherlock Holmes Büchern, den Zauberkästen für Anfänger und natürlich seiner nagelneuen Hantel, die er noch nicht ein einziges Mal in der Hand hatte, standhalten!«

Mein Vater David Frey ist der verrückteste Mensch, den ich kenne. Mit seinen Hobbys für Detektiv spielen und Zaubern, hat er früher ausnahmslos alle Kinder der Nachbarschaft begeistern können. Auch meine ältere Schwester Jules und ich waren davon nicht verschont geblieben.

Als wir dann jedoch alt genug waren, um zu begreifen, dass es sich weder um echte Magie noch um richtige Fälle handelte, die er aufklärte und er nicht nur die Tarnung eines Anwalts besaß, sondern wirklich Anwalt war, war unser Interesse an seinen Spielchen sehr schnell abgeklungen.

»Mom, du weißt genau, dass das nicht stimmt. Irgendwann wird er sicher einsehen, dass es ein Fehler war dich zu betrügen«, erwidere ich und lächele milde, was aber schnell in ein mitleidiges Lächeln gipfelt. Ich sollte unter Umständen einen Schauspielkurs beitreten, dann könnte ich das mit den passenden Gefühlen zur jeweiligen Situation bestimmt bald besser.

»Danke Schatz, aber jetzt brauche ich ihn auch nicht mehr. Dein Dad ist mir nicht mehr wichtig«, schimpft sie weiter, wirkt in meinen Augen aber wenig überzeugend.

Ich entscheide mich dazu das Thema zu wechseln und nicht weiter nachzubohren. Wahrscheinlich, dass Beste was ich machen kann.

»Wir haben eine neue Schülerin dazu bekommen, Mom. Ihr Name ist Zara und sie hat mich für Samstag zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen. Macht es dir etwas aus, wenn ich hingehe?«, möchte ich vorsichtig wissen.

Es ist Wochenende und ich habe ihr nie den Anlass dazu gegeben, sich Sorgen um mich machen zu müssen. Ich komme zur ausgemachten Zeit nach Hause und bin niemals sturzbetrunken. Meine Mutter vertraut mir und weiß, dass sie sich auf mich verlassen kann. Ich habe sie noch nie angelogen.

»Geht Shane mit?«, hake sie beiläufig nach.

Vielleicht liegt es auch daran, dass Mom sich sicher sein kann, dass Shane auf mich aufpasst. Sie hält viel von ihm. Wobei ich mir fast schon sicher bin, dass sie insgeheim hofft Shane und ich würden eines Tages ein Paar werden.

Als ich ihr vor ein paar Monaten erzählt habe, dass Shane eine Freundin hat und nicht ich die Glückliche bin, hat sie den ganzen Abend bedrückt aus dem Fenster geschaut und kein Wort mehr gesagt.

»Jep.«
Mom ist noch nicht fertig und beginnt laut zu grübeln.
»Was ist mit deinem Job im Kinotheater? Ich dachte, du müsstest am Wochenende arbeiten?«
»Wenn ich Cody frage, ob er einspringt, wird er das sicher tun. Ich habe für ihn auch schon Schichten übernommen und Jerry hat sicher nichts dagegen, wenn wir tauschen.«


Seit einer Weile arbeite ich an jedem Wochenende im nah gelegenen Kino, um mir etwas Geld dazuzuverdienen. Cody ist mein Arbeitskollege und wirklich nett, Jerry unser Vorgesetzter.

Mom legt den Kopf schräg, schließlich nickt sie. Sie ist nicht nur darauf bedacht mich nach der Sache mit meinem Ex Zack vor jeder Dummheit zu bewahren, sondern ist mir auch stetig in Sachen Pflichtbewusstsein hinterher.

»Na dann, viel Spaß euch beiden«, antwortet sie lächelnd, worauf ich innerlich einen kleinen Freudentanz aufführe.
»Danke, Mom«, lächele ich, ehe ich die Treppen empor steige, um die wenigen Hausaufgaben zu erledigen, die ich schon direkt am ersten Schultag aufbekommen habe.

Wenn ich fertig bin, werde ich vermutlich noch etwas über mein Englischthema philosophieren, über welches ich dieses Jahr eine Facharbeit schreiben muss. Eines muss man den Lehrern wirklich lassen, die Folterpraktiken gehen ihnen niemals aus.

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