⊱Kapitel 69⊰

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Ich klopfe heftig an das grün gestrichene Holz und halte mich gar nicht erst mit dem letzten Rest Vernunft in meinem Kopf auf. Sobald die Tür geöffnet wird und mein bester Freund erscheint, kann ich mich ohnehin nicht länger zurückhalten. All der Zorn, der sich durch die Briefe und den Streit mit Mom in mir angestaut hat, bricht ungezügelt aus mir hervor. Dabei ist es mir völlig gleichgültig, ob mich seine Eltern oder sein kleiner Bruder Lewis hören können.

»Maggie? Was machst du hier?«, fragt er scheinheilig, als hätte er tatsächlich keine Ahnung, doch ich weiß es besser.

»Was soll das, Shane? Wie kannst du mir das nur antun? Ich dachte du bist mein bester Freund!«, zische ich und werde noch wütender, als er den nichtsahnenden mimt und die blonden Augenbrauen fragend nach oben zieht.
»Hey, beruhige dich. Wovon sprichst du überhaupt?«

Wütend bohre ich ihm einen Finger in die Brust, während ich die andere Hand zur Faust balle, um mich zu beherrschen.
»Du hast mich belogen, als du mir versprochen hast dich nicht in mein Leben einzumischen! Was sollte das mit meiner Mutter? Kannst du auch nur erahnen, wie sauer deinetwegen auf mich ist, als sie dieses beschissene Foto gesehen hat!«

Endlich knickt er ein und ich bemerke wie seine Schultern und Mundwinkel nach unten sacken. Abwartend funkele ich ihn an, doch anstatt meinem Blick wie erwartet auszuweichen, bohrt sich sein Blau direkt in mein Braun.

»Ich musste es tun«, gibt er endlich zu.
Obwohl ich es bereits gewusst habe, versetzt es mir dennoch einen Stich und ich muss mit einem Mal das starke Bedürfnis niederkämpfen, einfach wegzulaufen.
»Warum tust du mir so etwas an?«
Shane sieht aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.

»Es tut mir leid, Maggie. Ich dachte, es wäre das beste für dich. Woher sollte ich ahnen, dass dieses Foto so viel anrichten würde? Ich dachte, es würde dir helfen endlich Klarheit mit deiner Mom zu schaffen. Ich sehe doch wie sehr du unter der Abwesenheit von deinem Vater leidest.« Er schluckt fest, doch ich habe nicht die Absicht ihm so schnell zu verzeihen.

»Das stimmt«, gebe ich widerwillig zu. »Aber das erklärt noch immer nicht diese ganzen Briefe! Ich liebe Evan und das weißt du!«
Shane zieht die Stirn kraus.
»Natürlich weiß ich das.« Er sieht aus, als würde er sagen wollen: Hältst du mich wirklich für so dumm, als ob ich das nicht schon längst begriffen hätte?

»Warum zum Teufel versuchst du mir dann die ganze Zeit über meine Beziehung zu ihm auszureden?!«
Nun sieht Shane aus, als hätte ich ihn gerade bezichtigt jemanden umgebracht zu haben. Abwehrend hebt er die Hände in die Luft.
»Wovon sprichst du überhaupt?«

»Die Briefe, die du aus Zeitungsartikeln zusammengesetzt hast! Die, wo du mir immer und immer wieder sagst, wie grässlich Evan eigentlich ist und dass ich ihn verlassen soll!«, beharre ich, sehe aber selbst, dass Shane keine Ahnung hat, wovon ich spreche. »Warte. Du hast sie nicht geschrieben?«

»Maggie, ich weiß nicht welche Briefe du meinst. Ich habe nichts getan um deine Beziehung zu Evan zerstören, sondern nur dieses Bild von deinen Eltern geschossen, damit du davon erfährst. Ich will, dass du glücklich bist und wenn du das mit Evan bist, dann werde ich dir das sicherlich nicht nehmen. Das habe ich dir versprochen.«

Als er meine Hand ergreift, lasse ich es geschehen und gehe sogar noch einen Schritt weiter, indem ich mich an ihn lehne. Wenig später schließt er seine Arme um mich.

Mein Zorn ist vollständig verraucht, weswegen nur noch die Scham ihn für etwas bezichtigt zu haben, was er nicht getan hat übrig bleibt.
»Es tut mir leid«, sage ich und verberge mein Gesicht an seiner Brust.
Er seufzt leise.
»Schon gut. Willst du reinkommen und darüber reden?«, bietet er an und ich nicke zustimmend.

Seine Eltern haben mich zweifellos gehört. Sie sitzen zusammen mit Lewis am Esstisch, als ich vor Shane das Haus betrete, damit er die Tür schließen kann. Augenblicklich laufe ich Rot an, als sie mich wie einstudiert anstarren. Ich habe sie beim Abendessen gestört und ihren Sohn einen Lügner genannt.
»Alles okay bei euch?«, fragt Shanes Mutter besorgt nach.

»Klar. Wir gehen nach oben in mein Zimmer«, antwortet Shane knapp, um mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Lewis Augen leuchten neugierig, während er mit der Gabel, auf der ein Stück Karotte aufgespießt ist, auf mich zeigt.
»Sie hat dich fertig gemacht, oder? Ich wusste du hättest keine Spannerfotos von ihren Eltern schießen sollen!«

»Lewis!«, schreien Shane und sein Vater gleichzeitig, wobei ich mir ein Lächeln mit aller Macht verkneifen muss. Shirley wirkt entsetzt.
»Du hast was getan?«
»Nichts worüber du dich aufregen müsstest, Liebling. Und nun lass sie endlich nach oben gehen.« Shanes Dad lächelt mir aufmunternd zu. Anscheinend hat er darüber Bescheid gewusst, seine Frau allerdings nicht.

»Wir sprechen später«, entgegnet Shirley knapp an Shane gewandt, dann ist das kurze Gespräch endlich beendet und ich habe Zeit Shane auf den neusten Stand zu bringen. Und ich lasse nichts aus, weil ich ihm bedingungslos vertrauen kann.

Ich war in letzter Zeit nur zu blind um zu bemerken, dass ich es gewesen bin, die unsere Freundschaft überhaupt erst so kompliziert gemacht hat. Nicht Shane hat sich nach dem Liebesgeständnis seltsam verhalten und nur karge Antworten bei Gesprächen gegeben, sondern ich. Er ist noch immer derselbe, mein beständiger Fels und Ruhepol in der stürmischen und leidenschaftlichen See des Lebens mit Evan.

»Und du hast keine Ahnung, wer die Briefe geschrieben haben könnte?«, fragt Shane, der am Fenster steht und mich nachdenklich betrachtet. Ich liege mit dem Rücken auf seinem ordentlich gemachten Bett und halte ein blaues Dekokissen im Arm.

»Nein. Ich meine ich kenne Dylan, Ian und auch Kota und Zara mittlerweile gut genug um zu wissen, dass sie sich ehrlich für Evan und mich freuen.«

»Sie, habe ich auch gar nicht gemeint.« Verwundert setze ich mich auf, als mir klar wird worauf er hinaus will.
»Du meinst Nici, nicht wahr?«

»Sie und er standen sich ... nah. Vielleicht hat er für sie nichts empfunden, aber woher wollen wir wissen, ob das auch für sie galt? Möglich, dass sie denkt, er kommt zu ihr zurück, wenn du mit ihm brichst.«

»Möglich wäre es.« Ich reibe mir das Kinn, während ich über Shanes Überlegung nachdenke. Mit einem Mal scheint es mir gar nicht mehr so unwahrscheinlich zu sein. Ich habe gesehen, wie sie ihm in Kino behandelt hat und wie missbilligend sie mich gemustert hat, als ich im Arbeitszimmer ihren Verführungsversuch zerschlagen habe und er mir anschließend gefolgt ist. »Zuzutrauen auf jeden Fall.«

»Was wirst du jetzt tun?«

»Ich werde es Evan sagen.« Mir bleibt keine andere Wahl, auch wenn ich ihn sicher verärgern werde, weil ich es ihm vorenthalten habe. Allerdings ist gerade alles so schön zwischen uns, dass ich ihn nicht mit so etwas anfangs unbedeutenden belästigen wollte. »Das hätte ich schon viel eher tun sollen.«

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