Evan starrt mich unentwegt an und das stört meine Konzentration enorm. Irgendwann halte ich es einfach nicht mehr aus, was zugegeben auch daran liegt, dass ich schon die ganze Zeit über gereizt bin. Mein Tag ist alles andere als perfekt verlaufen und jetzt noch Taxi für einen betrunkenen Jugendlichen spielen zu müssen, versetzt mich nicht gerade in die dringend benötigte Hochstimmung.
»Würdest du bitte aufhören mich anzustarren?«, fauche ich und bringe den Wagen meiner Schwester rechtzeitig an einer roten Ampel zum Stehen. Erst glaube ich, dass es ihn nicht interessieren wird, aber dann wendet er zu voller Verblüffung meinerseits den Blick doch ab.
»Tut mir leid. Hatte einen schlimmen Tag«, seufzt Evan nuschelnd. Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie er sich die Augen reibt und schließlich etwas niedergeschlagen aus dem Fenster sieht.
Fast augenblicklich bereue ich meinen harschen Ton und fühle mich schlecht. Womöglich trägt Evans Entschuldigung noch einen großen Teil dazu bei, gerade, weil es das erste Mal ist, dass Evan sich für sein Verhalten entschuldigt. Hat er sich deswegen betrunken und eine Schlägerei vom Zaun gebrochen?
Das Hupen des Autos hinter mir reißt mich schließlich brutal aus meinen Gedanken. Die Ampel ist auf Grün gesprungen, ohne dass ich es bemerkt habe. Evan sagt nichts und spätestens da wird mir bewusst, wie schlecht es ihm gerade gehen muss. Nicht nur wegen des übermäßigen Alkoholkonsums. Er bereitet mir Sorgen.
»Willst du darüber reden?«, frage ich vorsichtig, hege aber keine großen Hoffnungen, dass er sich mir anvertrauen wird.
Die Straßenlaternen werfen Schatten auf Evans Gesichtszüge, als er sich mir wieder zuwendet. Das Weiß seiner Augen ist gerötet und nun zeichnet sich auch langsam ein violetter Bluterguss auf seiner linken Wange ab. Evan zieht seine Lippe zwischen die Zähne. Sie war aufgeplatzt, aber mittlerweile hat sich der kleine Riss bereits geschlossen.
»Mein Vater hat gesagt ... Kate ... das Baby ist da.«
»Deine Mutter hat entbunden?«, frage ich verblüfft und verstehe nicht, was daran schlimm ist. Anscheinend ist das die falsche Reaktion gewesen, denn Evans Miene verdunkelt sich Augenblicklich. Wütend sieht er mich an, fast so, als wäre ich schuld an seinem miserablen Tag.»Kate ist nicht meine Mutter!«, knurrt Evan. »Und sie wird auch niemals meine Mutter sein.« Er seufzt betrübt und lehnt den Kopf gegen die Fensterscheibe. »Du verstehst das nicht«, murmelt er erschöpft.
»Dann erklär’s mir. Wenn Kate nicht deine Mutter ist, wer ist sie dann?«
»Was geht’s dich an? Wieso interessiert dich das? Warum interessiert dich mein beschissenes Leben?«, will Evan herausfordernd wissen, aber ich erkenne Verunsicherung in seiner Stimme wieder.Befürchtet er, dass er mir nicht vertrauen kann?
»Weil wir Freunde sind«, antworte ich und bringe Evan zu einem sarkastischen Lachen.
»Sind wir das, ja?« Er verdreht die Augen, aber ich ignoriere es.Vielleicht hat er recht, vielleicht sind wir keine Freunde aber selbst wenn wir das nicht sein sollten, verspüre ich dennoch das Bedürfnis ihm die Last von den Schultern zu nehmen. Auch wenn er oft unausstehlich ist, ist es doch schrecklich Evan in solch schlechter Verfassung zu sehen.
Erst habe ich Shane verletzt und kann daran nichts ändern und nun geht es Evan nicht gut. Bei letzterem habe ich wenigstens die Chance dazu etwas zu ändern, auch auf die Gefahr hin, dass er das überhaupt nicht will.
»Was ist mit deiner richtigen Mutter?«, frage ich nach und biege gleichzeitig in die Straße ein, wo Evan wohnt. Zum Glück habe ich Zara nach einer Wegbeschreibung und Abkürzung gefragt.
Womöglich hätte ich mich andernfalls verfahren. Die Erinnerungen von der letzten Party sind nicht mehr wirklich klar, was die Umgebung betrifft. Stattdessen erinnere ich mich noch haargenau an Evans weiches Bett und den unwiderstehlichen Duft der Laken ...
Evan wendet sich ab. Als er nicht antwortet, seufze ich gegen meinen Willen. Was habe ich auch anderes erwartet? Dass er plötzlich dazu übergeht meine Fragen zu beantworten?
Auf ein ordentliches und zudem normales Gespräch hoffe ich ohnehin vergeblich. In seiner Lage, wird er erst in ein paar Stunden und nach einem starken Kaffee wieder dazu fähig sein, sich richtig zu artikulieren. Ich bin müde und völlig fertig von meinen Gefühlen und dem erlebten Tag. Ich muss dringend nach Hause und ins Bett. Morgen ist Schule.
Ich gebe auf und bringe das Auto vor Evans WG zum Stehen. Eine Weile verharren wir, ohne etwas zu sagen und ich befürchte schon, dass Evan mit Absicht nicht gehen möchte. Doch gerade als ich ihn bitten will auszusteigen, gibt mir der Lockenschopf doch noch eine Antwort und die ist alles andere als schön.
Evan sieht mich mit starrem Blick an, während er trocken sagt: »Meine Mutter ist tot.«
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Light up my World
Teen FictionSie sind so verschieden, wie die Farben Rot und Blau, doch zusammen ergeben sie ein atemberaubendes Violett! Als Maggie Frey und Evan Davis sich zum ersten Mal begegnen, ahnen sie noch nicht, was alles auf sie zukommen wird. Denn obwohl zunächst all...