»Dad?«
»Maggie?«Ein Schluchzen entrinnt mir bei seiner warmen, vertrauten Stimme, obwohl ich mich dazu angehalten habe nicht mehr zu weinen, brechen sie sich nun doch wieder Bahn.
Meine Mutter mustert mich besorgt vom Türrahmen aus, während Jules mir ein paar Sachen für die nächsten Tage in eine Tasche packt.»Darf ich ein paar Tage bei dir wohnen?«, frage ich. »Ich muss mal raus aus der Stadt.«
»Natürlich«, antwortet er augenblicklich. »Soll ich dich abholen?«
»Nicht nötig, Mom fährt mich.«Sie ist es auch gewesen, die mir den Vorschlag gemacht hat eine kurze Pause einzulegen, nachdem ich völlig aufgelöst vor über einer halben Stunde in unser Haus gestolpert bin. Auch wenn wir die letzten Wochen fast nur gestritten haben, kann sie es am ehesten nachvollziehen, was es heißt von einem geliebten Menschen betrogen und verletzt zu werden.
»Danke, Dad. Bis später«, verabschiede ich mich, als alles geklärt ist und ich tatsächlich eine Weile bei ihm unterschlüpfen darf. Auch wenn es schon spät ist, hat Mom darauf bestanden mich noch heute aus der Stadt und zu meinem Vater zu bringen.
Er wohnt nicht länger bei Tiffany, aber noch immer in Tucson, hat sie mir erzählt, um mich wenigstens kurz von dem Schmerz in meiner Brust abzulenken. Ihre Beziehung ist an Dads fortwährender Liebe zu Mom zerbrochen, der hartnäckig und ohne Jules und meines Wissens um ihre Liebe gekämpft hatte.
Heimliche Dates und romantische Gesten hatten schlussendlich die Beziehung zwischen meinen Eltern gerettet, auch wenn sie es weiterhin langsam angehen lassen wollen und uns deshalb nicht eingeweiht hatten. Shane hatte ihnen dann mit dem Bild jedoch einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht.
Meine Mutter setzt sich zu mir auf das Bett und schlingt ihre Arme um mich, kaum habe ich mein Handy weggelegt.
»Es tut mir so unglaublich leid, mein Schatz«, bringt sie mit Tränen in den braunen Augen heraus. »Bitte verzeih, dass ich versucht habe dir dein Leben vorzuschreiben und dich vor allem und jedem zu beschützen. Ich habe gar nicht gemerkt, wie schrecklich ich mich dir gegenüber verhalten habe.«
»Mom«, wimmere ich und klammere mich an ihr fest. Ihr vertrauter Duft nach Jasmin umhüllt mich und lässt mich spüren wie sehr ich unter unseren Streitereien gelitten und sie vermisst habe. Ich liebe meine Mutter, trotz ihrer Fehler und ich weiß, dass es ihr genauso geht.
»Anstatt dir Vorwürfe zu machen, hätte ich für dich da sein und dich unterstützen sollen. Ich hätte hinter dir stehen und dir deinen Freiraum lassen sollen. Es tut mir leid, dass ich so eine schlechte Mutter bin und das alles erst erkannt habe, als es bereits zu spät war.«
Sie streicht mir immer wieder über mein Haar, so wie sie es schon getan hat, als ich noch ein kleines Kind war. Irgendwie beruhigt mich diese Geste.
»Du bist keine schlechte Mutter«, widerspreche ich an ihrem Hals. Tränen kullern unentwegt auf die Schulter ihrer blauen Seidenbluse, aber es stört sie nicht. »Du wolltest mich nur vor meinen Fehlern beschützen.«
»Aber ich habe versagt und nun bist du unglücklich und traurig«, murmelt Mom und ich höre den Schmerz aus ihrer Stimme. Ich breche ihr das Herz, weil mir das Herz gebrochen wurde, aber wir können beide nichts daran ändern.
Sanft löse ich mich von ihr und sehe sie an. Dabei erblicke ich nicht meine perfektionistische Mutter, mit dem immer sitzenden Haar und den ordentlichen Kleidern, sondern meine richtige Mutter. Die mit der verschmierten Mascara, den zerzausten braunen Haaren und den Tränen auf den Wangen. Die, die ich glaubte nach Dads Affäre für immer verloren zu haben.
»Ich verzeihe dir, Mom, wenn du im Gegenzug auch mir verzeihen kannst. Ich habe unschöne Worte gesagt, die ich nicht so gemeint habe.«
»Ich war dir nie böse deswegen, auch wenn ich den Anschein erweckt und in alle Maßen überreagiert habe«, sagt Mom und da müssen wir beide plötzlich lachen.Wir müssen ein groteskes Bild abgeben, wie wir uns weinend und lachend im Arm halten, beide gezeichnet von demselben Schmerz betrogen worden zu sein und dem Glück, wieder als Mutter und Tochter vereint und gewachsen an unseren jeweiligen Fehlern zu sein.
~*~
Dads Wohnung mitten in Tucson ist klein aber gemütlich. Die Wände sind einem beruhigenden Ozeanblau mit weißen und grauen Akzenten gehalten, wozu die hellen Holzmöbel perfekt passen. Obwohl ich mich dagegen ausgesprochen habe, hat mir Dad bei meiner Ankunft sein Schlafzimmer überlassen, und selbst die Couch bezogen.
Vielleicht hätte ich das weiche Bett meines Vaters auch genießen können, würde ich nicht die halbe Nacht wach liegen und vergeblich versuchen Schlaf zu finden.
»Was hast du an einem so sonnigen Samstag wie heute vor, Spätzchen?«, fragt Dad und streichelt mir sanft über die Wange und die Augenringe, die ich vergeblich zu überdecken versucht habe.Ich versuche mich an einem Lächeln.
»Shane wollte in einer halben Stunde vorbeikommen und mit mir ins Tucson Museum of Art gehen. Sie sollen jetzt eine neue Ausstellung haben.«
»Klingt super.« Ich weiß, dass er sich nicht im geringsten für Kunst begeistern kann.Er würde nicht mal einen Van Gogh erkennen, wenn man mit dem Finger darauf zeigen würde, aber dafür hat er mich immer in meinem Vorhaben Kunst zu studieren unterstützt. Er war es auch gewesen, der mir meine erste Kamera gekauft hat, damit ich Bilder für Schülerzeitung machen konnte. Aber als sie dann kaputtgegangen ist, war das irgendwie das Aus.
Mein erster Freund Zack hat meine Leidenschaft für die Fotografie und das Zeichnen nicht geteilt. Weil er es geradezu lächerlich fand, wie gezielt ich nach guten Motiven gesucht hatte, habe ich, nachdem die Kamera nicht mehr funktioniert hatte, damit aufgehört. Eindeutig nicht meine beste Entscheidung.
»Ich räume auf und du machst dich auf den Weg zur Arbeit, ja? Wir sehen uns heute Abend.«
Dad schlingt eilig sein Rührei herunter, als er einen Blick auf die Uhr wirft, die ihm verkündet, dass er mal wieder spät dran ist. Das habe ich also von ihm, denke ich grinsend, während ich das benutzte Geschirr in die Spüle stelle.»Bis heute Abend«, sagt er und gibt mir zum Abschied einen Kuss auf den Haaransatz.
»Vergiss nicht deine Krawatte zu richten!«, rufe ich ihm noch lachend nach, als ich sehe wie schief er sie gebunden hat. Keine zwei Minuten später ist er auch schon verschwunden und macht sich auf den Weg in die Kanzlei, um sich mit seinem neusten Klienten zu treffen.Ich mache den Abwasch und ziehe mich um. Weil mir nach nichts farbenfrohen zumute ist, entscheide ich mich für einen schwarzen Rock und ein schwarzweiß gestreiftes T-Shirt. Danach überprüfe ich mein Handy auf Nachrichten, aber Evan hat sich nicht gemeldet. Nicht ein einziges Mal. Vielleicht ist es besser so.
Shane, ist der einzige meiner Freunde der weiß, dass ich bei meinem Dad bin. Er musste mir versprechen es niemandem zu sagen, nicht einmal Zara, weil ich befürchte, Evan könnte sie dazu drängen es ihm zu verraten und dann bei mir auftauchen, um mir meine Dummheiten unter die Nase zu reiben. Falls ich ihm die Mühe überhaupt wert sein sollte.
Auch wenn es nicht danach aussieht, will ich es unter jeden Umständen verhindern. Ich bin noch nicht bereit ihm wieder gegenüberzustehen. Es wird schon schwer genug werden, wenn ich ihm am Montag in der Schule begegnen werde.
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Light up my World
Teen FictionSie sind so verschieden, wie die Farben Rot und Blau, doch zusammen ergeben sie ein atemberaubendes Violett! Als Maggie Frey und Evan Davis sich zum ersten Mal begegnen, ahnen sie noch nicht, was alles auf sie zukommen wird. Denn obwohl zunächst all...