⊱Kapitel 63⊰

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In letzter Zeit haben sich die Ereignisse überschlagen, sodass ich die vergangenen zwei Wochen Ruhe voll und ganz genossen habe. Die meiste Zeit haben Evan und ich zusammen verbracht und wenn wir das nicht getan hatten, hatten wir uns Nachrichten geschrieben oder miteinander telefoniert.

In seiner Nähe wurde mir beinahe schwindlig vor Liebe und wenn er nicht bei mir war, vermisste ich ihn fast augenblicklich. Wir waren zusammen Essen, im Kino und hatten erneut mit Ron Graffitis gesprüht. Dabei hat mir Evan auch Jenna und Seth vorgestellt, die beim letzten Mal nicht dabei gewesen waren und obendrein Zwillinge sind.

Manchmal waren wir auch bei Evan zu Hause und machten nichts anderes als einen Film zu sehen oder gemeinsam zu lesen. Evans Büchersammlung war beachtlich.

Die einzigen, die von meiner Beziehung mit Evan wissen, sind dessen Freunde, Shane, Cody und Jules. Weder meinen Eltern noch meiner Tante habe ich bisher etwas gesagt. Nicht, weil ich meinem Vater oder Caroline und Paul nicht vertraue, sondern, weil ich befürchte, sie könnten es Mom erzählen oder ihn könnte in einem unbedachten Moment ein Wort darüber herausrutschen.

Obwohl meine Mutter sich sichtlich Mühe gibt es vor Jules und mir zu verbergen, weiß ich, dass sie über die Scheidung mit Dad noch lange nicht hinweg ist. Im Gegenteil, ich befürchte, sie hängt trotz der Sache mit Tiffany noch immer sehr an ihm. Wenn sie nun also von Evan erfahren würde, der nicht im geringsten in ihr perfektes Bild von einem zukünftigen Schwiegersohn passt, dann glaube ich würde sie entweder den Verstand verlieren oder – und das ist viel wahrscheinlicher – mir verbieten ihn zu sehen.

Das würde wiederum auf einen Streit hinauslaufen, der ziemlich hässlich enden würde. Dass sie ihn einfach akzeptiert ist völlig ausgeschlossen, dafür kenne ich Mom viel zu gut, die auf ein ansprechendes Äußeres ohne Tattoos Wert legt. Hoffnungslos.

»Dein Lächeln ist heute wirklich beneidenswert, Maggie. Meinst du es kann noch ein klein wenig mehr nicht vorhanden sein?« Cody, der über seinen eigenen Witz lacht, kommt zu mir hinter den Tresen, wo ich gerade versuche die daneben gegangene Karamellsoße aufzuwischen. Das gelingt allerdings nur mit geschlossenen Augen und einer positiven Einstellung.

»Schon mal an eine Karriere als Komiker gedacht?«, erwidere ich ohne jeden Funken von Amüsement in der Stimme.
»An Talent mangelt es mir jedenfalls nicht«, grinst der schwarzhaarige Junge, der mir kurz darauf den Lappen aus der Hand nimmt und mit Leichtigkeit die Sauerei beseitigt an der ich schon geschlagene fünf Minuten arbeite.

Nur geradeso kann ich mir verkneifen ihn zu fragen, wie er das gemacht hat. Aber, weil er das kleine Chaos beseitigt hat, hebt sich meine Stimmung bereits deutlich.
»Was treibt Jerry?«, erkundige ich mich beiläufig und versuche dabei schleunigst Mom aus meinem Kopf zu vertreiben.

Cody gibt mir den Lappen zurück und zuckt die Schultern.
»Schiebt in seinem Büro mal wieder Panik, weil wir wie jede Woche mitten im Wochenendansturm unterbesetzt sind. Also wie immer. Ihm geht es blendend, auch wenn er nicht den Eindruck macht.«

Ich muss Lachen. »Warum frage ich überhaupt noch? Jerry wird sich wohl nie ändern.«
»Nein, wird er nicht«, stimmt Cody schmunzelnd zu, »aber um ehrlich zu sein, mag ich es, wenn Menschen sie selbst bleiben und sich nicht ändern. So wie du, Maggs. Aber wie gern ich auch noch mit dir reden möchte, ich glaube die Arbeit ruft. Dann werde ich mal fleißig neue Karten an Mann und Frau bringen müssen.«

Theatralisch legt er eine Hand über die Stelle an seinem Herzen und bringt mich damit gleich wieder zum Lachen. Jetzt weiß ich wieder, warum ich seine Gesellschaft immer genieße.

Cody schnappt sich einen roten Weingummi aus einem der gläsernen Behälter der Snackbar und möchte gerade wieder gehen, als er plötzlich innehält und aus seiner Hosentasche einen kleinen weißen Brief herausfischt.

»Hätte ich fast vergessen, Maggie. Kurz bevor deine Schicht angefangen hat, hab ich den hier auf der Snackbar liegen sehen. Keine Ahnung wer ihn dort hingelegt hat, aber dein Name stand darauf.«

Cody reicht mir den Brief, den ich verdutzt annehme.
»Wer sollte mir denn einen Brief schreiben?«, frage ich, aber Cody zuckt nur erneut die Schultern.
»Weiß nicht, war niemand dort als ich ihn gefunden habe. Mach ihn doch einfach auf. Vielleicht war es ja dein Freund.«

»Ja, wäre möglich. Danke.«
»Kein Problem. Ich schau dann später noch mal vorbei.«

Cody geht und ich bleibe mit dem Brief in meiner Hand ratlos zurück. Ich weiß genau, dass Evan mir niemals einen Brief schreiben würde. Wir tauschen SMS aus, aber ein Brief würde nicht seiner Natur entsprechen. Es würde ihm zu lange dauern, zumal er diesen dann keinesfalls auf den Tresen meines Arbeitsplatzes legen, sondern ihn mir persönlich geben würde.

Ich drehe ihn in den Händen, aber außer mein Name steht nichts auf dem unscheinbaren Weiß geschrieben. Die Schrift ist unordentlich, krakelig, als wäre das Schreiben hastig verfasst worden. Ich bin zu neugierig, um ihn nicht auf der Stelle zu öffnen. Er ist dünn und abgesehen von einem einzigen Blatt Papier, was einmal in der Mitte gefaltet wurde, ist nichts enthalten.

Ich weiß, dass etwas nicht stimmen kann, als ich ihn auffalte und statt einer Handschrift Zeitschriftschnipsel erkenne. Sofort denke ich an einen Erpresserbrief, doch das ergebe keinen Sinn. Weder bin ich reich, noch habe ich wohlhabende Verwandte. Es gibt überhaupt keinen Grund mich zu erpressen.

Meine Augen schweben über den drei Zeilen, die liederlich aus Magazinen und Zeitungen ausgeschnitten und zu einem neuen Text arrangiert wurden. Mein Puls beschleunigt sich, als ich endlich begreife, was dort in schreienden Großbuchstaben steht.

ER HAT SCHLIMME DINGE GETAN.
HALTE DICH VON IHM FERN ODER DU WIRST ES BEREUEN.

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