⊱Kapitel 22⊰

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Dasselbe braune Haar, welches meine Mutter auch an mich vererbt hat, trägt sie zu einem strengen Knoten zurückgebunden, was ihr herzförmige Gesicht besser zur Geltung bringt. Es steht außer Frage, dass ihre sonst gute Laune gerade im Keller verweilt und das ist allein meine Schuld.

»Wer war das, Maggie?«, fordert Mom nachdrücklich und verschränkt die Arme abwartend vor der Brust.
Ich schlucke hörbar. Die strenge Falte auf ihrer Stirn ist kein gutes Zeichen.
»Das war ein guter Freund von Zara. Er war so nett mich nach Hause zu fahren, nachdem ...«

»Wer hat dir eigentlich erlaubt an einem Sonntagabend auszugehen?«, fährt Mom dazwischen, ohne mich ausreden zu lassen. »Morgen ist Schule, Maggie. Du kennst die Regeln!«

Bisher hatte ich auch noch nie ein Problem mit ihnen, aber gerade jetzt nerven sie mich ungemein. Anstatt vor unserem Haus zu stehen und meiner Mutter Rechenschaft abzulegen, wäre ich lieber noch im Diner bei Zara. Nici und Evan hin oder her.

»Ich weiß, Mom. Es tut mir leid, aber Zara hat mich eingeladen und ich dachte es wäre nicht schlimm, wenn ich gehen würde.«

Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe, als ich Zara zugesagt habe. Was hat mich dazu geritten, Moms Regeln zu missachten? Mir hätte klar sein sollen, dass sie es am Ende herausfinden würde, selbst wenn ihre Schicht nicht früher geendet hätte.

Aus diesem Grund bleibt Moms Blick unerbittlich, als sie fragt: »Hat dich wenigstens Shane begleitet?«
Mom weiß die Antwort bereits, ich sehe es in ihren funkelnden Augen. Sie will nur herausfinden, ob ich die Frechheit besitze sie zu belügen.

»Nein, er war nicht dabei.«
Shane würde niemals an einem Sonntag weggehen. Er erscheint zwar immer erst kurz vor knapp zum Unterricht, und ist nicht selten todmüde, aber nicht, weil er die halbe Nacht nicht zu Hause ist, sondern weil er fast durchgehend lernt.

Mein bester Freund ist einer der ehrgeizigsten und intelligentesten Menschen, die ich kenne und das nicht ohne Grund. Sein großer Traum ist es Arzt zu werden, da darf er sich keine schlechten Noten leisten.
»Warum nicht?«
Weil er ein eigenes Leben besitzt!

Nun werde ich ebenfalls langsam sauer, zwinge mich allerdings zur Ruhe, als ich entgegne: »Wieso muss mich Shane immer und überall hin begleiten? Er ist doch nicht mein beschissener Babysitter, Mom!«
Ich hasse mich selbst dafür, als mir in Moms Gegenwart unbedacht ein Schimpfwort über die Lippen kommt. Ich bin tot.

Mom zuckt überrascht zusammen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich ihr nie so direkt ein Gegenwort gegeben, was wohl insbesondere daran liegt, dass sie mich nie so offen angefeindet hat.
»Maggie Frey, so redest du ganz sicher nicht mit deiner Mutter! Zügle deinen Ton!«

Ich balle die Hände zu Fäusten, nicke allerdings und senke den Blick.
»Das wird nicht wieder vorkommen, haben wir uns verstanden? Schule hat oberste Priorität.«
Ich muss mich dazu zwingen nicht die Augen zu verdrehen, weil Mom das sicher alles andere als toll finden würde und gebe ein kurz angebundenes »Ja« von mir.

»Schön. Das Thema mit Zara und ihren Freunden werden wir noch ansprechen, aber jetzt habe ich keine Zeit mehr dafür.«

Scharf blickt sie mich an, aber ich gebe ihr keine Widerworte. Es hätte ohnehin nichts gebracht, denn dafür kenne ich sie zu gut. Sie hätte mir jedes weitere Wort im Mund umgedreht, um mir am Ende noch deutlicher aufzuzeigen, welche Fehler ich gemacht habe.

»Ist deine Schicht noch nicht zu Ende?«, frage ich verblüfft, als meine Mutter sich abwendet und zu ihrem silbergrauen Ford Fiesta marschiert.
»Überstunden«, erwidert sie knapp und noch immer verärgert. »Sie haben einen Notfall reinbekommen und brauchen Unterstützung. Caroline hat vor etwa zehn Minuten angerufen.«

Ihre Arbeitskollegin Caroline ist nicht nur Moms beste Freundin, sondern auch Dads Schwester. Ich habe keine Ahnung inwieweit sich ihr Verhältnis zueinander verändert hat, seit die Scheidung durch ist und bekannt wurde, dass Dad Schuld an dieser ganzen Misere ist.

»Es tut mir leid«, wiederhole ich, aber Mom schenkt dem keine Beachtung. Sie verliert keine Zeit mehr und ist wenige Sekunden später bereits auf den Weg ins nächstgelegene Krankenhaus. Kaum ist sie verschwunden, fahre ich mir mit den Fingern aufgewühlt durch mein braunes Haar.

Eine Auseinandersetzung mit meiner Mutter hat mir heute gerade noch gefehlt, wo doch bereits Shane und Evan unentwegt durch meinen Kopf geistern. Dass ich mich augenscheinlich im Terminkalender von Mom geirrt habe, setzt dem ganzen sprichwörtlich die Krone auf.

Im Haus begegne ich dem noch immer friedlich schlummernden Dusty und Jules, die auf dem Sofa irgendeinen Actionfilm schaut. Als sie meinem Blick begegnet, ist ihr sofort klar, dass Mom mir die Hölle heiß gemacht haben muss. Ich bin ihr unendlich dankbar, als sie mich ohne ein Wort zu sagen, nach oben verschwinden lässt.

Kurz bevor ich einschlafe, prasseln tausende Gedanken auf mich ein. Fetzten von geführten Gesprächen mischen sich mit Bildern des heutigen Tages und drücken unangenehm auf meinen Kopf. Jerry, Cody, Shane, Zara, Mom ...

Rastlos welze ich mich im Bett hin und her. Gerade in dem Moment als ich vor Verzweiflung laut schreien möchte, klären sich jedoch unverhofft meine Gedanken und nur ein einziges Bild bleibt von dem Durcheinander zurück: Es ist Evan und doch ist er es nicht. Denn Traum-Evan lächelt so süß und unschuldig, dass mir ganz warm ums Herz wird.

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