Es herrscht eine drückende Stille, in der Mom mich ansieht, als hätte sie nicht ihre eigene Tochter, sondern einen der schlimmsten Verbrecher vor sich. Genauso fühle ich mich auch. Als wäre ich eine Kriminelle, die sich vor dem Richter aufgrund ihrer Taten verantworten muss.
»Wie kannst du mich nur belügen?«, will sie mit übertrieben lauter Stimme wissen. »Deine eigene Mutter? Was ist bloß in dich gefahren, Maggie?«
Ich weiß, dass sie noch lange nicht fertig ist. Wir haben uns schon öfters gestritten, so wie es wohl in jeder Familie einmal vorkommt, aber bis jetzt ist sie noch nie so wütend auf mich gewesen, wie in diesem Augenblick.
»Kannst du dir überhaupt vorstellen wie ich mich gefühlt habe, als Shane mir erzählt hat, dass du betrunken bist und er keine Ahnung hat, wo du steckst? Ich war im Krankenhaus, als mich sein Anruf erreicht hat und meine Kolleginnen haben alles mit angehört! Weißt du überhaupt wie sehr ich mich für dich geschämt habe?«
Ihre Worte schmerzen wie tausend Nadelstiche und doch höre ich mit gestrafften Schultern einfach nur zu. Jedes Wort, welches mir über die Lippen gekommen wäre, hätte es nur noch schlimmer gemacht.
»Und dann kreuzt du hier mit ... mit diesem Typen auf! Hasst du mich wirklich so sehr, dass du dich jetzt auch noch mit kriminellen abgeben musst, nur um mir eine Lektion zu erteilen?«, brüllt sie und trifft damit einen Nerv bei mir. Moms vor Wut verzerrtes Gesicht stichelt den heißen Zorn in meinen Adern noch weiter an, den ich bis dato noch nie in diesem Ausmaß gefühlt habe.
»Evan ist kein krimineller!«, zische ich und kralle meine Hände in den Stoff meines blauen Rocks. Aber Mom scheint mich überhaupt nicht gehört zu haben. Unbeeindruckt fährt sie mit ihrer Schimpftirade fort.
»Und wie siehst du überhaupt aus? Ich habe dir ganz bestimmt beigebracht, wie man sich richtig anzieht! Rebellierst du so gegen mich? Bist du wirklich so undankbar, für alles was ich für dich getan habe?« Ich erwarte Tränen in den Augen meiner Mutter zu entdecken, Tränen vor Enttäuschung und den Schmerz, den ich ihr bereitete habe.
Aber das Einzige, was in ihren braunen Augen steht, ist unbändiger Zorn und ihre eigene Scham. Bis jetzt hat sie noch nicht einmal gesagt, dass sie sich um mich gesorgt hat, als sie nicht wusste, wo ich bin. Ist ihr ihr Ansehen etwa wirklich wichtiger als ich?
Ich schlucke und muss die Tränen zurückhalten, weil mich ihre Worte allesamt hart treffen.
»Es tut mir leid. Ich hätte dir sagen sollen, wohin ich gehe. Es wird nicht noch einmal vorkommen, Mutter«, flüstere ich und schaue betreten auf die Schuhspitzen von Zaras Schuhen.»Damit liegst du ganz richtig, Maggie. Es wird ganz bestimmt nicht noch einmal vorkommen«, erwidert sie mit fester Stimme, allerdings nun ebenfalls deutlich ruhiger. »Ich habe bereits mit Shane darüber gesprochen und er hat mir zu gesichert, dass die Freundschaft zu Zara und ihren seltsamen Freunden ab sofort beendet ist.«
Was?
»Beendet? Heißt das etwa, ich darf nicht mehr mit ihr reden oder etwas mit ihr zusammen machen?« Ungläubig schaue ich auf und in das fest entschlossene Gesicht meiner Mutter. Das kann sie unmöglich ernst meinen, es muss ein schlechter Scherz gewesen sein. Shane würde bei sowas niemals zustimmen, schließlich ...
»Genau das bedeutet es und nun geh hoch in dein Zimmer und zieh dir etwas Ordentliches an, du siehst einfach schrecklich aus.«
Der Blick meiner Mutter ist unerbittlich. Mit schmalen Lippen sieht sie mir nach, als ich meine Hand auf das Treppengeländer lege und die erste Stufe erklimme, um ihren Ratschlag zu befolgen. Doch mitten im zweiten Schritt halte ich inne und überlege es mir anders.Zara ist meine Freundin. Ian, Dylan, Kota und irgendwie auch Evan sind meine Freunde. Soll ich sie wirklich aufgeben, weil meine Mutter es von mir verlangt?
»Nein«, sage ich und wende mich erneut meiner Mutter zu.
»Nein?« Unglaube manifestiert sich in ihren harten Gesichtszügen.Mutig hebe ich das Kinn, lege all meine Willensstärke in meine Stimme, als ich ihr laut und deutlich mitteile: »Zara ist meine Freundin und auch ihre Freunde sind mittlerweile meine Freunde. Egal was du sagst, ich werde mich ganz bestimmt nicht von ihnen fern halten. Sie sind mir wichtig und ich werde ihre Freundschaft nicht aufgeben, nur weil du das von mir verlangst.«
Moms Augen verengen sich zu zwei funkelnden braunen Schlitzen.
»Was willst du mir damit sagen?«, hakt sie scharf nach. Der drohende Unterton in ihrer Stimme entgeht mir nicht.
»Du wirst mir nicht länger vorschreiben, mit wem ich befreundet sein darf und mit dem nicht. Du hast dich lange genug in mein Leben gedrängt und mir vorgeschrieben, was ich tun und lassen soll. Ich möchte, dass es hier und jetzt endet. Bitte Mom, misch dich nicht länger ungefragt in mein Leben ein. Ich bin alt genug um meine eigenen Entscheidungen treffen zu können.«Mein Blick ist flehentlich, doch sobald ich ihre verkniffene Miene erblicke, weiß ich, dass ich auf Granit beiße.
»Du bist siebzehn und damit noch nicht volljährig! Du wohnst unter meinem Dach und das bedeutet, dass ich, solange für dich entscheide, was gut für dich ist und was nicht! Und ich sage, dass deine Freundschaft mit diesen Punks oder was weiß ich was sie sind, Geschichte ist! Haben wir uns da verstanden?!«, donnert Mom aufgebracht, die Hände in die Hüften gestützt. »Und nur damit du Bescheid weißt, nach dieser Aktion kannst du dir dein eigenes Auto abschminken!«
Heiße Zornestränen schießen mir in die Augen und laufen in Strömen über meine Wangen, während ich heftig den Kopf schüttele. Das Auto interessiert mich nicht, ich hätte es ohnehin nicht bekommen, das weiß ich genau. Es macht mich wütend und traurig zugleich, dass Mom mir nicht zuhört, dass sie mich nicht mein eigenes Leben leben lässt und über meinen Kopf hinweg entscheidet. Das war schon immer so, aber ich kann nicht länger tatenlos dabei zusehen, wie sie es Stück für Stück, im Glauben das Richtige für mich zu tun, zerstört.
»Du hast recht, Mom«, sage ich und wische mir mit dem Handrücken über die Augen. »Solange ich unter deinem Dach lebe, werde ich niemals frei sein.«
»Was soll das bedeuten?«
Aber ich gebe ihr keine Antwort. Ich stürme an ihr vorbei und aus der Haustür. Gehe immer weiter und weiter, obwohl mir meine Tränen die Sicht rauben und halte selbst dann nicht an, als Mom lauthals durch das ganze Viertel meinen Namen ruft.
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Light up my World
Teen FictionSie sind so verschieden, wie die Farben Rot und Blau, doch zusammen ergeben sie ein atemberaubendes Violett! Als Maggie Frey und Evan Davis sich zum ersten Mal begegnen, ahnen sie noch nicht, was alles auf sie zukommen wird. Denn obwohl zunächst all...