Nici sieht selbst in Unterwäsche überwältigend aus, als mich ihr missbilligender Blick trifft. Ich kann nicht leugnen, dass sie die schönste Frau ist, der ich jemals begegnet bin. Sie ist schlank und ihre braune Haut makellos. Nasse braune und blaue Locken umspielen ihre hohen Wangenknochen und vollen roten Lippen. Ich kann ihr nicht das Wasser reichen und das hat sie mir gerade unmissverständlich bewiesen.
Um Fassung bemüht balle ich die Hände zu Fäusten. Meine Lippe zittert, als ich versuche Worte zu formen und kläglich scheitere.
Nicis Augen blitzen, als sie meinen Blick auffängt.»Du hast ihm wirklich geglaubt, als er dir gesagt hat, dass er dich liebt, oder? Und als er sagte, das mit ihm und mir sei vorbei, nicht? Wie kann man nur so leichtsinnig sein!«, amüsiert sich Nici köstlich über mich, während sie sich halb nackt an Evans Seite schmiegt.
Ihre Lippen verziehen sich zu einem gehässigen Lächeln, dass klarmacht, wer von uns beiden gewonnen hat.
Wie konnte ich auch nur so dumm sein und glauben, Evan würde tatsächlich etwas für mich empfinden? Natürlich hat er nie mit Nici abgeschlossen! Das war alles eine Lüge und ich habe sie nicht für eine Sekunde infrage gestellt.Endlich verstehe ich, was Mom gefühlt haben muss, als sie von Dads Affäre erfuhr.
Verrat, Betrug, nicht enden wollender Schmerz. Ich kann kaum atmen, während ich glaube in meinen eigenen Tränen zu ersticken, die ich schon lange nicht mehr zurückhalten kann.»Ist das wahr?«, wimmere ich.
Noch immer rührt sich Evan nicht. Kein Ton kommt über seine Lippen, kein einziges Wort. Nicht mal nach meiner Frage schafft er es zu antworten oder schubst Nici von sich. Er tut überhaupt nichts, starrt mich nur aus seinen grünen Augen an, die mir alles bedeutet haben und mich jetzt vergiften.Aber er muss auch nichts tun, gar nichts. Ich rieche den Alkohol bis hier her. Er hat sich betrunken. Warum? Um sein Gewissen auszulöschen? Um mich aus seinen Erinnerungen zu tilgen? Vielleicht aber auch nur zum Spaß. Nur, weil ihm gerade danach war.
Ich ignoriere Nici, die Evans Hals küsst und zwinge mich dazu nur ihn anzusehen. Den Menschen, von dem ich dachte, er würde mich lieben.
»Bist du nun endlich zufrieden? Hast du mich endlich genug gedemütigt?«, will ich schniefend wissen und erinnere mich nur zu genau an all die Momente, in denen ich mich seinetwegen unwohl gefühlt habe. In denen er mir gezeigt hat, wie unwichtig ich ihm bin und wie sehr er es leid war, dass es mich überhaupt gibt. »Hast du mir mein Leben endlich genug ›zur Hölle gemacht‹?!«
Natürlich erhalte ich keine Antwort. Bevor Nici die Gelegenheit erhält mir noch weiter zuzusetzen, stürme ich an ihr vorbei und die Treppen nach unten. Henry steckt besorgt den Kopf aus dem Wohnzimmer, sagt aber glücklicherweise nichts. Sicher hat er Nici gesehen und weiß, dass es zwischen Evan und mir vorbei ist.
Wie konnte ich nur so dumm sein zu denken, er hätte sich geändert? Dass ich ihn verändert hätte? Natürlich ist er noch immer dasselbe Arschloch wie bei unserer ersten Begegnung. Menschen können sich nicht ändern, ich muss es akzeptieren.
»Tschüss«, sage ich zu Henry und gebe ihm das blaue Handtuch zurück, welches ich mir um die Schultern gelegt hatte.
»Es tut mir leid«, erwidert er mitfühlend und erneut brechen sich meine Tränen Bahn.
»Muss es nicht.«Diesmal heiße ich das Gewitter und den kalten Regen auf meiner Haut willkommen, als ich nach draußen trete. Die dicken Tropfen kühlen meine erhitzen Wangen und machen die Tränen in meinem Gesicht unsichtbar. Endlich kann ich wieder tief durchatmen und habe nicht mehr das Gefühl zu ersticken, auch wenn ich bereits nach wenigen Sekunden am ganzen Körper zittere.
»Maggie.«
Ich spüre wie er mein Handgelenk umfasst und ertrage es nicht. Nichts ist mehr von dem sonst warmen und vertrauten Gefühl übrig, stattdessen scheint mich seine Berührung zu verbrennen.
»Fass mich nicht an!«, schnappe ich und winde mich aus seinem Griff.Die Hände, mit denen er mich immer gehalten und an sich gepresst hat, die Lippen, mit denen er mich geküsst hat, als brauche er meine zum Atmen, kommen mir mit einem Mal wie der reinste Betrug vor. Bis zu jenem Moment hat es mich nicht gekümmert, dass er mit ihnen auch Nici berührt hat, weil ich dachte es sei vorbei und damit unwichtig. Das Gegenteil wurde mir jedoch gerade sehr bildhaft bewiesen.
»Es tut mir leid«, sagt er und muss sich durch den hohen Alkoholgehalt in seinem Blut bemühen deutlich zu sprechen. Als würde das irgendetwas ändern. Blitze erhellen die Nacht und gewähren mir immer wieder einen kurzen Moment, in dem ich Evan haargenau erkennen kann.
Das Regenwasser rinnt über seine Augenbrauen, die er immer ein wenig zusammenzieht, als würde er nachdenken, bis hin zu seinen sinnlich geschwungenen Lippen, die meine sooft berührt haben, dass ich unmöglich mitzählen könnte. »Du hast etwas falsch verstanden. Nicht ich habe sie geküsst, sondern sie mich.«
»Was spielt das für eine Rolle?«, fahre ich ihn an und unterdrücke mit aller Macht meine Tränen. »Mir ist egal wer angefangen hat, wenn du es zugelassen hast.«
»Ich habe zu viel getrunken.«
»Wenn du nur für eine Sekunde glaubst, dass es das besser machen würde oder eine Entschuldigung wäre, dann liegst du falsch!«Ich ertrage seinen Anblick nicht länger. Alles an ihm ist so vertraut, dass ich mich am liebsten in seine Arme werfen und die Sache vergessen würde, aber ich kann nicht. Der Schmerz in meinem Herzen lässt Vergebung nicht zu.
»Bitte gib mir noch eine Chance, Maggie. Ich wollte dich nicht verletzen.«Seine Stimme zittert und ich weiß, dass auch er mittlerweile weint. Das Grün seiner Augen scheint in einem Ozean zu ertrinken, aus dem ich ihm nicht heraushelfen werde. Nicht mehr.
»Ich dachte du liebst mich, aber da habe ich mich anscheinend geirrt.«
»Ich liebe dich! Bitte glaub mir, Nici hat gelogen! Lass uns darüber reden. Ich erkläre es dir.«Er macht mich krank. Kann er nicht endlich aufhören zu lügen? Muss er es noch schlimmer machen? Sieht er denn nicht, wie sehr er mich verletzt? Ich schüttele den Kopf und gehe einen Schritt zurück. Weg von ihm, weil ich seine Nähe nicht länger ertragen kann.
»Nein, ich will nicht mit dir reden!«, entgegne ich zornig. Was würde das auch bringen? »Ich bin fertig mit dir! Ich bin fertig mit uns!«
»Sag das nicht. Lass mich nicht allein, ich brauche dich, Maggie.«
Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Kaum bin ich nicht in seiner Nähe, verbringt er Zeit mit Nici. Immer wenn ich nicht bei ihm war und dachte er sei allein, hatte er da in Wirklichkeit mit Nici geschlafen? Mir wird schlecht, als ich darüber nachdenke, wie lange das schon so ging oder ob es überhaupt jemals aufgehört hat. Wenn ich Nici Glauben schenke, dann nicht.
»Ich wünschte wir wären uns nie begegnet«, würge ich mit letzter Kraft hervor und sehe mit Genugtuung an, dass ihn meine Worte hart getroffen haben. Aber vielleicht spielt er auch noch immer seine perfekte Rolle und wird lachen, sobald ich verschwunden bin.
Ich laufe durch den Regen davon und drehe mich nicht noch einmal zu ihm um, weil ich seine Reaktion nicht sehen will. Nicht mal, als ich im Auto sitze und heulend zusammenbreche, blicke ich noch einmal zu ihm zurück. Für einen kurzen Moment erlaube ich mir den Anflug von Schwäche, aber nicht lange genug, um den Schmerz in meiner Brust erträglicher zu machen.
Verzweifelt wünsche ich mir Evan hassen zu können. Aber ich kann es einfach nicht, nicht einmal jetzt. Denn dafür liebe ich ihn einfach immer noch zu sehr.
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Light up my World
Teen FictionSie sind so verschieden, wie die Farben Rot und Blau, doch zusammen ergeben sie ein atemberaubendes Violett! Als Maggie Frey und Evan Davis sich zum ersten Mal begegnen, ahnen sie noch nicht, was alles auf sie zukommen wird. Denn obwohl zunächst all...