⊱Kapitel 57⊰

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Das Blut rauscht in meinen Ohren und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Angsterfüllt suchen meine Augen die Gasse ab, als Zara aus meinem Sichtfeld tritt.

Ich erkenne Evan sofort, der inmitten von Glassplittern steht, die wohl von einer leeren Flasche stammen müssen. Kota hat
sich Evan gepackt, aber er ist nicht stark genug und Evan reißt sich los. Mit einem widerlichen Knacken landet Evans Faust direkt im Gesicht des anderen.

Ungläubig und schockiert starre ich den braunhaarigen Jungen an, der erneut seine Faust auf seinen Gegner lenkt. Diesmal in dessen Magengrube. Der andere Junge wehrt sich, er ist größer als Evan, aber er landet kaum einen Treffer, weil er anscheinend ebenfalls ziemlich angetrunken ist.

Für eine Sekunde habe ich keine Ahnung, was ich tun soll. In Zaras grauen Augen stehen erneut Tränen, die ihr nun über die Wangen kullern, während sich Kota erneut auf Evan stürzt. Doch Evans ist so sehr in seinem Rausch gefangen, dass Kota keine Chance hat. Ehe ich begreife, was ich da tue, nehme ich bereits all meine Kraft zusammen und renne auf das Dreiergespann zu.

»Nicht, hör endlich damit auf!«, versucht Kota auf Evan einzureden, doch er hört nicht. Der Typ den Evan gerade heftig vermöbelt, schwankt und bricht zusammen. Blut strömt ihm aus der Nase, doch Evans Augen glänzen noch immer voller Hass.

»Kota, geh mir verdammt noch mal aus dem Weg!«, brüllt der Grünäugige, aber der Japaner denkt gar nicht daran. Ungeachtet, dass er seinen Freund verletzten könnte, windet sich Evan brutal aus Kotas Griff und hebt die Faust.

»Nein! Evan, du bringst ihn noch um!«, schreie ich lauthals und bekomme gerade rechtzeitig sein Handgelenk zu fassen, bevor er einen weiteren Treffer im Gesicht des Unbekannten landen kann.

»Lass mich los!«, brüllt Evan und die Aggressivität in seiner Stimme hätte mich tatsächlich beinahe dazu gebracht ihn loszulassen. Stattdessen packe ich sein Handgelenk noch fester und zwinge mich dazu ihm in die vor Zorn dunklen und vom Alkohol geröteten Augen zu sehen.

Ich keuche, als ich das Ausmaß seiner Fahne rieche.
»Bitte hör auf«, flehe ich eindringlich. »Lass es gut sein.«

Plötzliche Erkenntnis spiegelt sich in seinem Blick. Evan knirscht mit den Zähnen und als er plötzlich eine ruckartige Bewegung macht, hätte ich beinahe voller Angst aufgeschrien. Aber er schlägt mich nicht, stattdessen presst er mich fest an seinen Körper und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.

»Du bist hier«, murmelt er nah an meinem Ohr.

Ich höre, wie Kota und Zara erleichtert aufatmen und sich dann beide um den mir unbekannten Typen kümmern. Dieser scheint nicht so schwer verletzt zu sein, wie ich auf den ersten Blick angenommen habe.
»Seine Nase ist nicht gebrochen«, sagt Kota und tatsächlich steht der Typ bereits wieder auf beiden Beinen.

»Wie konntest du das nur tun?«, frage ich leise und schiebe Evan von mir, ohne seinen Worten oder den Blessuren in seinem Gesicht Beachtung zu schenken. »Warum verletzt du andauernd Menschen?«

Meine Stimme zittert, obwohl ich dagegen ankämpfe. Evan scheint langsam wieder zur Besinnung zu kommen, ist jedoch noch immer unübersehbar vom Alkohol beeinflusst.
»Er hat mich provoziert«, nuschelt Evan benommen und fährt sich durch das zerschrammte Gesicht.

»Das ist keine Entschuldigung«, erwidere ich knapp und weiche ein Stück zurück.

Als ich mich nach Zara umsehe, ist sie sichtbar erleichtert. Kota will den Typen ins Krankenhaus bringen, aber dieser weigert sich mit harschen Worten und läuft schwankend davon. Niemand hält ihn auf und ich werde es ganz sicher auch nicht tun.

»Ich kann nicht klar denken, Maggie«, gesteht Evan und sieht mich mit großen Augen unter langen schwarzen Wimpern an, was meine Gesichtszüge sofort weicher werden lässt. »Warum bist du nicht bei deinem Freund? Hat er dich gelangweilt oder hat er dich nicht richtig befriedigen können?«

Meine Gesichtszüge verhärten sich bei seiner vulgären Sprache und ich starre ihn zornig an.
»Lass meinen besten Freund aus dem Spiel. Du hast kein Recht dazu in diesem Ton über ihn zu sprechen! Er tut mir gut, er ist nett und er würde mich im Gegensatz zu dir niemals ...«

»Küssen sich beste Freunde etwa?«, unterbricht mich Evan kalt.
Nicht einmal im angetrunken Zustand, ist Evan umgänglich oder nett. Er schafft es in die wenigen Worte so viel Hohn und Abscheu zu stecken, dass das Mitleid und die Nachsicht, welche ich bis eben noch für ihn empfunden habe, sofort verschwinden.

»Ich gehe«, teile ich ihm mit, weil ich ganz sicher nicht darüber reden werde, doch er hält mich grob zurück.
»Antworte mir, Maggie. Empfindest du etwas für Shane?« Er starrt mich finster an und ich beiße die Zähne fest zusammen, starre genauso wütend zurück.

»Nein!«, zische ich und winde mich aus seinem Griff. »Ich empfinde nichts außer Freundschaft und das habe ich ihm auch gesagt.«

Ich kehre Evan den Rücken zu und verabschiede mich von Kota und Zara.
»Was hat er zu dir gesagt?«, will Zara wissen, die noch immer ziemlich durch den Wind scheint und wohl nichts von unserem kurzen Gespräch mitbekommen hat.

»Nichts, was mich interessieren würde«, gebe ich zurück und lasse zu, dass sie mich umarmt. Ein blumiger Duft steigt mir in die Nase. »Ich fahre wieder nach Hause.«
»Danke, dass du gekommen bist. Ich hätte nicht gewusst, was wir sonst hätten tun sollen.«

Die Polizei rufen? Dylan oder Ian holen? Evan K.O. schlagen?

»Schon gut.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Lasst nicht mehr zu, dass er noch mehr trinkt und verfrachtet ihn ins Bett. Dann dürfte er schon wieder werden.«

»Danke, Maggie«, wiederholt sie, aber Zara wäre nicht Zara, wenn sie nicht noch eine Bitte hätte. Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Kota und ich sind auch betrunken, aber Kota wohnt hier gleich um die Ecke. Würde es dir etwas ausmachen Evan zu fahren?«

Und natürlich wäre ich nicht ich, wenn ich ihre Bitte einfach so ohne Weiteres abschlagen könnte.
»Nur wenn er nicht in Jules Wagen kotzt.«

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