⊱Kapitel 55⊰

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Bevor ich auch nur reagieren kann, hat sich Shane schon wieder von mir gelöst. Es war nur ein harmloser, kleiner Kuss, nicht so stürmisch und leidenschaftlich, wie die mit Evan, aber mir fehlen dennoch die Worte.

Shanes blaue Augen mustern mich unverwandt, seine blonden Locken fallen ihm sanft in die Stirn, als er mir ein vorsichtiges Lächeln schenkt. Nein. Das kann nicht sein. Ich zittere am ganzen Körper und mein Herz schlägt viel zu schnell, als würde es aus meinem Brustkorb entfliehen wollen. Shane ...

»Was ist mit Caesy?«, höre ich mich krächzen, ehe ich es schaffe meine Gedanken zu ordnen. Er hat sie geliebt, ich weiß es ganz genau. Ich muss mir das alles einbilden, muss träumen und mich einer schrecklichen Illusion hingeben.

»Ich habe sie nicht geliebt«, erwidert Shane und berührt sachte meine Wange. Seine Fingerspitzen sind warm, als sie über mein kaltes Gesicht streicht. Alles Blut ist mir aus dem Kopf gewichen. Ich muss aussehen wie ein Gespenst. »Ich habe es geglaubt, aber als sie mich dann verließ ... habe ich nichts gespürt.«

»Aber du warst doch traurig«, widerspreche ich und schon wieder brennen Tränen in meinen Augen. Was ist nur mit mir los? Sonst bin ich doch auch nicht so nah am Wasser gebaut.

»Ich war traurig, weil ich dich nicht aus dem Kopf bekommen konnte. Maggs, ich liebe dich, seit ich zwölf bin. Ich habe gedacht, dass ich meine Gefühle irgendwann in den Griff bekommen würde, schließlich warst du dann auch noch mit Zack zusammen ... aber es geht einfach nicht. Kein anderes Mädchen hat mich je so sehr interessiert, hat mir jemals so viel bedeutet wie du. In meinem Leben gab es schon immer nur dich.«

Süße Worte, die zu einem ungemein süßen Jungen passen. Ist es nicht das, was jedes Mädchen hören will? Dass es niemals eine andere gegeben hat, niemals eine andere geben wird? Dass man die Liebe seines Lebens ist? Shane tut mir gut, er war immer für mich da. Ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann.

Aber nichtsdestoweniger ...

»Ich kann das nicht, Shane. Ich kann das einfach nicht«, stammele ich und weiche vor ihm zurück. »Du bist mein bester Freund. Das war schon immer so und ... wird sich auch niemals ändern.«
Shane nickt langsam. Jetzt sieht er aus, als hätte ihn jemand einen direkten Tritt in die Magengrube gegeben.
»Du liebst mich nicht.«

Mein Herz zersplittert, bei seinem Anblick und nun bekomme ich doch die verhassten feuchten Augen.
»Nicht so, wie du mich liebst«, weine ich erstickt und kann ihn einfach nicht länger ansehen. Stattdessen starre ich auf die Schuhspitzen meiner einst weißen Sportschuhe, deren Anblick jedoch fast sofort verschwimmt.

»Ist okay«, sagt er, aber ich höre aus seiner Stimme heraus, wie sehr ich ihn verletzt habe. »Ich wusste, das es so ist.«

»Shane, ich ...«
»Schon gut, du musst mir nichts erklären. Ich weiß, dass dein Herz jemand anderem gehört. Sieh mich bitte an, Maggs.«
Widerwillig tue ich ihm den Gefallen, wünsche mir jedoch sogleich ich hätte es nicht getan.
Shane lächelt tapfer, aber ich sehe ihm an, dass es nur Fassade ist. Seine Augen sind gebrochene Spiegel in denen, so wie in meinen, das Wasser schwimmt.

»Meinst du ich habe nicht mitbekommen, was da zwischen Evan und dir läuft?«

Evans Name rinnt wie ein warmer Schauer durch meinen Körper und ich erinnere mich augenblicklich an die Küsse mit ihm und das unbeschreibliche Gefühl, welches mit ihnen verbunden war.
»Zwischen Evan und mir ist nichts«, wehre ich augenblicklich ab, doch es ist offensichtlich, dass er mir nicht für eine Sekunde glaubt. Ich glaube mir ja selbst nicht.

Shanes Mundwinkel sacken betroffen nach unten und wenn es noch geht, so reißen ihn meine Worte in ein noch dunkleres Loch, als die die es bereits zuvor getan haben.
»Wem versuchst du das einzureden, Maggs? Mir, oder eher dir selbst?«

Ich weiß nicht was ich sagen soll. Keine Worte der Welt können beschreiben, wie schrecklich ich mich fühle, weil es nichts gibt, was ich tun kann, um Shane aufzumuntern. Nichts, außer ihn ziehen zu lassen. Und das tut er, als ich ihm die Antwort verwehre, nach der er verlangt und die ihn unweigerlich vernichten würde.

Doch bevor er endgültig gehen kann, platzt es einfach so aus mir heraus.
»Shane!«
Shane wendet sich noch einmal zu mir um, zieht fragend eine dunkelblonde Augenbraue nach oben.
»Ich will dich nicht verlieren«, wimmere ich, schmecke die salzigen Tränen auf meinen Lippen. »Du bist mein bester Freund.«

Shane, sieht mich mitleidig an, als wäre er es, der mich verletzt hat und nicht andersherum. Auch seine Wangen sind mittlerweile nass.
»Du wirst immer meine beste Freundin sein«, verspricht er und für einen Moment glaube ich, er würde meine Hand in seine nehmen und mich trösten wollen. Doch bevor er sie berühre, scheint er es sich anders zu überlegen und tritt stattdessen einige Schritte von mir zurück.

»Es tut mir leid«, flüstere ich.
Shane streicht sich durch sein blondes Haar und schenkt mir einen letzten Blick aus seinen ozeanblauen Augen.
»Mir tut es leid«, seufzt er. »Ich hoffe nur, du weißt was du tust und wirst deine Entscheidungen nicht irgendwann bereuen.«

Tränen tropfen von meinem zitternden Kinn auf den Asphalt. Die Leute, die an mir vorbeigehen, starren mich verwundert, andere mitleidig oder sogar angewidert an. Wie eine Statur verharre ich an Ort und Stelle, sehe meinem besten Freund nach, solange, bis er aus meinem Blickfeld verschwunden ist.

Angst breitet sich in meinem Körper aus und nimmt mir für kurze Zeit die Luft, weil ich fürchte, dass dieses Gespräch etwas Grundlegendes zwischen uns für immer verändert haben könnte.

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