⊱Kapitel 2⊰

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Wie die letzten Trottel, starren wir für wenige Sekunden die geschlossene Tür an.
»Und was nun?«, fragt Shane schließlich und legt dabei unbewusst eine Hand in seinen Nacken.

»Ganz einfach, du klopfst, gehst vor und während du anschließend ein Ablenkungsmanöver startest, husche ich unbemerkt zu einem noch freien Platz, um mir von Mom keinen Ärger einzuhandeln«, schlage ich vor und schiebe mich bereits hinter Shane.

Dadurch, dass er einen ganzen Kopf größer ist als ich, ist es mir ein leichtes, sich hinter ihm zu verstecken.
»Vergiss es, das ist echt eine dämliche Idee, Maggs. Pass auf, ich klopfe jetzt einfach und du sagst, dass wir aufgehalten wurden und deswegen zu spät sind.«

»Ach und von wem bitte? Einem rosa Elefanten, der dem Zirkus entkommen ist und jetzt in den Straßen von Phoenix für Unruhe sorgt?«

Shane wirft mir einen äußerst genervten Blick zu und ich kann es ihm nicht einmal verübeln. Wenn ich nervös werde, kommen mir immer die schrägsten Sachen in den Sinn.

»Jaja schon gut, ist ’ne tolle Idee«, ändere ich meine Meinung und scheuche ihn mit einer auffordernden Handbewegung Richtung Tür.

Kurz bevor Shanes Knöchel allerdings das Türblatt berühren, wird er aufgehalten. Allerdings nicht von mir.
»Hey! Ihr da, wartet bitte!«, schreit eine weibliche Stimme hinter uns und klingt dabei eindeutig gehetzt. Nur zwei Sekunden später bleibt neben uns ein Mädchen stehen, welches ich bisher noch nie hier gesehen habe.

Das allein ist nicht weiter verwunderlich, schließlich kommen jedes Jahr neue Schüler auf die Arcadia High, doch dieses Mädchen ist auf den ersten Blick ... anders. Wenn sie schon länger auf unsere Schule geht, hätte sie mir auffallen müssen.

»Wie können wir helfen?«, möchte der wie immer hilfsbereite Shane wissen, während ich mich noch dazu zwingen muss das Mädchen mit der gelockten, violetten Haarmähne nicht anzustarren.

Das Mädchen ist ein Stückchen größer als ich und wirkt noch dazu ziemlich einschüchternd, was wohl insbesondere an ihren schwarzen Klamotten, dem vielen Make-ups und den Tausenden von Ohrringen liegt, die es trägt.

»Ich suche die Klasse von ... ähm ... einen Moment.« Erst jetzt bemerke ich den Stapel Papiere, den sie in den Händen trägt. Sie sucht einen kurzen Moment, dann zieht sie ein unscheinbares weißes Blatt hervor, auf dem etwas in unordentlicher Schrift gekritzelt steht. »Äh ja ... von Ms Miller? Ich bin neu und habe mich hier irgendwie total verlaufen.«

»So sehr scheinst du dich dann ja doch nicht verlaufen zu haben, denn du stehst direkt vor ihrem Klassenraum. Wie es aussieht, sind wir drei dann wohl alle im selben Englischkurs. Mein Name ist übrigens Shane Anderson und das hübsche Mädchen neben mir ist meine beste Freundin Maggie Frey.«

Wie die größte Idiotin, stehe ich schweigend neben Shane, der so viel besser und noch dazu ungezwungen mit Fremden reden kann. Das Einzige, was ich tun kann, ist, mich an einem kleinen Lächeln zu versuchen und dadurch hoffentlich etwas sympathischer zu wirken. Ich stelle mich total blöd an.

»Puhh ... da bin ich wirklich erleichtert! Ich irre schon seit einer geschlagenen halben Stunde durch’s Schulhaus und das nur, weil mich mein dämlicher Cousin versetzt hat.« Sie grinst dabei, weil sie es ihrem Cousin womöglich nicht wirklich übel nimmt. »Mein Name ist übrigens Zara Brewster.«

»Freut uns«, meine ich diesmal, um überhaupt etwas gesagt zu haben.
Mit freundlichen grauen Augen, reicht mir Zara ihre Hand, die ich überfordert annehme und schüttele. Anschließend tut sie das Gleiche mit Shane. Nach der kurzen Vorstellungsrunde schiebt sich Zara an uns vorbei und klopft. Sie wartet gar nicht erst eine Antwort ab und öffnet sofort die Tür.

»Gut, dann sollten wir ...«
Ms Miller bricht mitten im Satz ab, während wir drei uns nacheinander ins Zimmer drücken. Leise schließe ich hinter uns die Tür.

»Es tut uns leid, dass wir zu spät sind, Ms Miller. Ich bin neu hier und diese beiden waren so nett, mir den Weg zu zeigen, nachdem ich mich verlaufen habe. Deswegen hat es leider etwas länger gedauert«, lügt Zara aalglatt und nimmt Shane und mich sogleich in Schutz.

Ich weiß nicht, ob ich froh darüber sein soll, weil sie uns eine gute Ausrede liefert oder verärgert, weil ihr das Lügen so offensichtlich überhaupt keine Probleme bereitet. Trotz allem bin ich zum größten Teil erleichtert, denn für Hilfsbereitschaft wird meist keine Strafe verhangen. Insbesondere nicht von Ms Miller, die eine überaus nette Lehrerin ist, wenn man sie nicht unnötig reizt.

»Oh! Sie müssen Zara Brown sein, richtig?«
»Brewster«, korrigiert Zara lächelnd und Ms Miller nickt hastig.

»Natürlich, entschuldigen Sie bitte. Mr Anderson, Ms Frey, vielen Dank für Ihre Freundlichkeit. Wenn Sie sich nun alle bitte setzen würden, damit ich mit dem Unterricht fortfahren kann.«
Das lassen wir drei uns gewiss nicht ein zweites Mal sagen.

Weil wir die letzten im Zimmer sind, müssen wir uns auf die unbeliebtesten Sitzplätze setzen, die immer bis ganz zum Schluss übrig bleiben. Das bedeutet für Shane, Zara und mich Plätze in der letzten Reihe.

Dort sitzen, wo man am schlechtesten die Tafel sieht und die Lehrer nicht hören kann. Dort, wo es praktisch unmöglich ist zu spicken, weil man dauerhaft unter Beobachtung steht.
Da wäre mir ein Platz in der ersten Reihe deutlich lieber gewesen. Immerhin sitzt dort wie jedes Jahr die Elite unseres Jahrgangs.
Schöne Scheiße. Mein Tag verschlechtert sich von Sekunde zu Sekunde.

Shane, der meinen verärgerten Blick auffängt, lächelt versöhnlich und lehnt sich ein Stück zu mir herüber.
»Hey, wenigstens kein Nachsitzen wegen eines rosa Elefanten«, flüstert er grinsend.
Ich verdrehe die Augen. Wo er recht hat ...

»Ms Frey, da Ms Brewster neu bei uns ist und sich noch nicht so gut in unserer Schule auskennt und Sie ihr bereits eine sehr große Hilfe waren, dachte ich, Sie könnten sie später in der großen Pause etwas herumführen. Was halten Sie davon?«

Ihre katzengrünen Augen, welche hinter einer modischen schwarzen Brille verborgen sind, mustern mich forschend und ich spüre, wie Zara von rechts fragend zu mir herübersieht. Vielleicht hat Zara keine Lust darauf sich mit mir die Schule anzusehen und hofft insgeheim, ich werde mit irgendeiner frechen Ausrede ablehnen.

Das Problem hierbei ist leider, dass ich niemand mit einer großen Klappe bin und das Ms Miller so gefragt hat, dass man durchaus denken kann, ich hätte eine Wahl. Bloß habe ich die bereits von vornherein nicht.

»Selbstverständlich, kein Problem«, antworte ich mit einem aufgesetzten Lächeln, obwohl ich am liebsten meinen Kopf auf die Tischplatte geschlagen hätte.

Doppelte Scheiße.

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