⊱Kapitel 20⊰

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»Ist alles okay? Du bist ganz blass, Maggie.«
Ich reiße mich von meinem Display los und sehe in Zaras besorgte graue Augen. Eilig nickend erhebe ich mich, das Handy und meine Tasche fest umklammert.
»Ja, alles gut. Entschuldigt mich bitte einen Moment, ich muss da eben ran gehen.«

Ich sehe Zara an, dass sie mir nicht glaubt, doch ich warte ihre Antwort nicht ab und verlasse das Diner. Dabei versuche ich die irritierten Blicke, der anderen so gut wie es geht zu ignorieren, auch wenn es bei Nicis gehässigem Blick beinahe unmöglich ist.
Ich nehme ab und halte das Handy mit Absicht ein paar Zentimeter von meinem Ohr entfernt.

»Maggie Frey, wo steckst du?!«, keift Mom, kaum habe ich ein zögerliches »Ja?« von mir gegeben.

»Ich bin mit ein paar Freunden ausgegangen«, entgegne ich vorsichtig, weiß allerdings noch während ich es ausspreche, dass es die falsche Antwort ist. Nur allzu gut kann ich mir vorstellen, wie meine Mutter ihre Lippen am anderen Ende der Leitung, zu einem festen Strich zusammengepresst und die braunen Augen zu Schlitzen verengt.

»Du kommst sofort zurück.«

Ich bin geliefert. Meine Mutter gehört zu der Sorte Menschen die Unannehmlichkeiten lieber von Angesicht zu Angesicht klären, als am Telefon. Das verschafft ihr nicht nur den Vorteil, dass sie mich mit ihren Blicken zum Einknicken bringen, sondern mir zusätzlich ein schlechtes Gewissen bereiten kann.

Mit den Sohlen meiner Sandalen schiebe ich ein kleines Steinchen über den Parkplatz und wünsche mir insgeheim, dass das der Ärger meiner Mutter wäre, den ich mit einem Kick einfach aus dem Weg räumen könnte. Kann ich jedoch nicht.

Ich kralle meine linke Hand in den Stoff meiner weißen Hose und frage mich wie meine Mutter so schnell davon erfahren konnte. Hat Jules geplaudert oder ist Mom doch zeitiger als angenommen nach Hause gekommen?

»Hast du mich verstanden?«, fordert Mom nachdrücklich zu wissen, als ich ihr nicht sofort eine Antwort gebe.
»Ja. Ich bin in einer halben Stunde da.«
»Das will ich für dich hoffen.«

Als ich zurück ins Diner gehe, muss Zara aufgefallen sein, dass es etwas Ernstes ist, denn sie protestiert nicht, als ich der Sechsergruppe erkläre, dass ich gehen muss. Ich bin froh, dass Kota Ian mit einem bösen Blick zum Schweigen bringt, als dieser den Grund dafür erfahren möchte.

»Jetzt schon?«, ist hingegen das Einzige, was aus Dylans Mund dringt und ich bejahen muss.

Obwohl wir beide den Spanischkurs besuchen, hatten wir nie viel miteinander zu tun. Zara ist es gewesen, die uns schließlich richtig miteinander bekannt gemacht hat. Er ist mir vom ersten Moment an sympatisch gewesen, was vielleicht unbewusst an der Tatsache liegt, dass ich die Musik von Ed Sheeran liebe.

»Tut mir wirklich leid. Wisst ihr, ob hier irgendwo in der Nähe eine Bushaltestelle ist?«
»Ja, einen Block weiter ist eine«, versichert mir Kota, doch Zara schüttelt ihren violetten Lockenkopf.

»Wenn es wirklich dringend ist, dann kannst du auf den nächsten Bus warten, bis du Schwarz wirst. Wenn du willst, kann dich einer von uns fahren«, schlägt sie vor, doch ich winke ab.

»Nein, schon gut. Das ist wirklich nett, Zara, aber ich will niemandem Umstände bereiten. Ich weiß doch, dass ihr alle ins Kino wollt.«
Davon mal abgesehen, sind wir noch lange keine richtigen Freunde. Warum sollte mich also einer von euch freiwillig fahren wollen?

Innerlich seufze ich. Wenn ich ein eigenes Auto besitzen würde, hätte ich das Problem gar nicht. Aber dafür reicht weder das Geld meiner Mutter, noch das bisschen, was ich im Kinotheater verdiene.

»Ich kann sie fahren. Ich war sowieso nicht für den Film«, erklingt zu meiner Überraschung Evans tiefe Stimme. Verblüfft starre ich den braunhaarigen Jungen an und bemerkt, dass er bereits aufgestanden und ein paar Scheine auf den Tisch gelegt hat. Den entsetzten Blick von Nici ignoriert er genauso wie ich ihren anschließenden Killerblick. »Es sei denn, du bevorzugst den Bus?«

Ich spüre, wie ich den Kopf schüttele.
»Danke«, erklingt eine mir selbst fremde Stimme, aus meinem eigenen Mund.

Wir verabschieden uns kurz angebunden und wenige Minuten später finde ich mich in der gleichen Situation wieder, wie bereits zur Fahrt zum Diner.
»Das hättest du nicht tun müssen. Ich hätte wirklich den Bus nehmen können«, sage ich, kaum das Evan losgefahren ist.

Er wirft mir einen seiner entnervten Blicke zu, die ich bereits zur Genüge kenne.
»Kannst du nicht einfach dankbar sein, dass ich dich fahre, anstatt dich immer zwanghaft zu erklären und dadurch selbstlos wirken zu wollen?«, erwidert Evan schroff und nun bin ich vollkommen irritiert. »Du bist schlimmer als eine Nonne.«

Ich werde einfach nicht schlau aus Evan. Im einen Moment ist er beinahe hilfsbereit und im nächsten, ist er der unhöfliche, ständig genervte Typ, den ich nicht im geringsten mag.

»Schon verstanden, Evan. Du kannst mich nicht ausstehen. Aber dann lass mich gefälligst in Ruhe und zwing mich nicht dazu, mit dir zu fahren, nur damit du mir ununterbrochen Beleidigungen an den Kopf werfen kannst!«, fauche ich, nicht mehr in der Lage dazu meinen Zorn auf Evan zügeln zu können.

Mit wenigen Worten treibt er mich bereits zur Weißglut und ich bin es wirklich leid, dass er sich in meiner Nähe absichtlich, wie das größte Arschloch der Welt aufführt.
Evan wendet den Blick von der Straße und starrt mich aus smaragdgrünen Augen überrascht an.

»Wie kommst du darauf, dass ich dich nicht ausstehen kann?«

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