35 - Kellan

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Nachdenklich sah ich meinem Bruder noch eine Weile hinterher.
Er hatte sich verändert in der Sekunde in dem Roux' Seele sie verlassen hatte.
Wir hatten uns beide in diesem Augenblick verändert.

Und vielleicht machte ich mir gerade deswegen Sorgen um ihn. Mag sein, dass er mich vor Jahren verraten hatte. Aber Vergangenes ist vergangen.

Angespannt senkte ich den Kopf und musterte die feinen Züge der Wölfin in meinen Armen. Tief atmete ich ein, als ich erfolglos nach einem Teil meiner Selbst suchte, den sie mitgenommen hatte zwischen die Sterne.

Trauer ließ mein Herz stocken. Nicht nur ich wurde betrogen.

Das Wissen meinen Bruder betrogen zu haben, war wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Ich war verletzt und verflucht verzweifelt gewesen, aber das entschuldigte nicht was ich getan hatte.

Zögernd strich ich Roux eine helle Strähne aus dem Gesicht.
"Ich bereue nicht, was zwischen uns passiert ist, Mondschein. Ich bereue nur, wie, wann und vor allem warum es passiert ist. Ich hätte warten sollen. Auf dich. Vielleicht hätte ich irgendwann eine echte Chance bei dir gehabt aber die hätte ich abwarten sollen. Es tut mir so leid", flüsterte ich rau und presste meine Lippen sanft auf ihre glatte, kalte Stirn.

Sie so leblos zu sehen, ließ mich erschauern. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen und ich presste sie eng an mich, während Tränen, der Trauer und der Schuld über meine Wangen flossen.

Und in diesem Moment brach auch das letzte heile Teil in mir entzwei und hinterließ nichts als einen großen Scherbenhaufen.

"Auf Wiedersehen, mein kleiner Mond. Wir werden uns wiedersehen. Versprochen.", brummte ich leise und machte mich mit ihr in meinen Armen auf den Weg um ihre Zeremonie vorzubereiten.

Es würde schwer werden aber ich konnte verstehen warum mein Bruder sich eine  besondere Zeremonie für sie wünschte. Sie war eine besondere Wölfin gewesen. Und sie hatte viel zu früh gehen müssen. Sie hatte nicht einmal die dreißiger erreicht, was bei uns Wölfen sowieso schon ungewöhnlich war, wenn wir unser Leben nicht gerade im Kampf gaben. Aber ihr wurde nicht einmal die Zeit gegeben sich zu wehren. Es war nicht mehr gewesen als eine Hinrichtung.

Seufzend stieß ich mit der Schulter die Tür zu einer kleinen, alten Holzhütte auf. Früher einmal hatte ich hier gewohnt, doch sie war schon lange unbewohnt. Ich hatte nach dieser Hütte verlangt weil ich es mit meinem Vater damals im Haupthaus nicht mehr ausgehalten hatte.

Sanft legte ich Roux auf dem unordentlichen Bett ab, bevor ich mich an den verstaubten Schreibtisch setzte und sie nachdenklich beobachtete.

Die Zeremonie musste etwas besonderes sein. Nachdenklich fuhr ich mir über die Stoppeln in meinem Bart.

Doch dann kam mir die Idee.

Ein paar Stunden später, trug ich sie zum Festplatz auf dem die Gefallenen bestattet, geehrt und dann verbrannt wurden.

Jede Familie stattet, das Lager ihres Mitglieds aus, sowie sie denken wie es dem Toten gefallen hätte.

Lydias Familie zum Beispiel hatte es geschafft, dass das Lager aussah als würde es leben. Und Lydia sah darauf so aus, als wäre einfach einer ihren geliebten Kämpfe angehalten worden.

Neugierig drehte ich den Kopf und betrachtete erstaunt das Lager von einem Freund meines Bruders, der während des Kampfes auch gestorben war. Es war schlicht aber hatte irgendwie was bewegendes. In das Brennbare Material hatte jemand feine silberne Fäden eingebaut, die alles glänzen ließ und ihm einen leicht, mythischen Touch verliehen, aber gleichzeitig wirkte es hell und freundlich. Als würde es jeden willkommen heißen.

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