9

7.7K 352 40
                                    

"Okay, wie wäre es mit dem hier?", fragte Val und hielt ein rotes, enggeschnittenes Kleid in die Höhe, welches ich misstrauisch begutachtete. Dann schüttelte ich langsam den Kopf. "Nein, das ist es nicht.", meinte ich sachlich und wandte meinen Blick wieder den anderen Kleidern zu.

Val seufzte und hängte das Kleid wieder zurück. "Was suchst du eigentlich? Wir sind hier schon seit vier Stunden und bei jedem Kleid schüttelst du den Kopf.", maulte sie und lehnte sich gegen die Wand der Umkleidekabinen. Ich atmete frustriert aus. "Ich weiß es nicht, Val", brummte ich und strich über die vielen verschiedenen Stoffe der Kleider. Eines war samtiger als das andere.

Immer weiter lief ich die Reihen von Kleidern entlang, bis ich plötzlich etwas anderes spürte als das übliche.

Es war viel seidiger als all die anderen, der Stoff fühlte sich an als wäre es Wasser was jeden Moment zwischen meinen Finger zerrinnen konnte. Ehrfürchtig griff ich nach dem Bügel und zog das Kleid heraus.

Es glänzte silbern, in einem etwas dunkleren Farbton als meine Haare. Das Kleid war wunderschön. Mit angehaltenem Atem folgte ich mit dem Finger den glitzernden Verzierungen auf dem Stoff. Das gesamte Kleid glitzerte und glänzte.

"Probier es an", riss mich Val aus meinen Gedanken und ich sah mit großen Augen zu ihr hinauf. Mit einem weiteren Blick auf das Kleid, riss ich mich zusammen und lief zu den Umkleiden.

Wenig später trat ich wieder heraus. Das Kleid floss eng an meinem Körper entlang und hinterließ den Eindruck als wäre es ständig in Bewegung. Das glitzernde Silber wirkte nicht übertrieben sondern verschönerte das atemberaubende Kleid nur noch. Dieses war so lang dass es auf dem Boden auslief, wie ein See unter einem Wasserfall. Es war das schönste Kleid was ich je gesehen hatte und ich starrte sprachlos mein Spiegelbild an.

"Das ist es, Ro", kreischte Valerie und schlug sich begeistert die Hände vor den Mund. Ein freudiges Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus und ich fuhr sanft über den seidigen Stoff.

Kurz darauf zuckte ich zusammen als mir ein Gedanke kam, der innerhalb eines Wimpernschlages alles zerstören könnte. "Wie viel kostet es denn?", fragte ich zögernd und spannte mich an als Val vorsichtig das Preisschild zwischen in ihre Finger nahm und den Preis darauf kritisch musterte.

Dann hob sie zögernd den Blick und sah mich zerknautscht an. "1.280 Dollar", meinte sie leise und zog die Schultern traurig hoch. Seufzend sackten meine angespannten Schulter nach unten und ich lief langsam wieder auf die Umkleide zu. "Wir lassen es zurück legen und vielleicht finde ich daheim, noch ein bisschen Geld.", flüsterte ich leise und verschwand hinter der Schwingtür der Kabine. Hinter mir ertönte ein leises, enttäuschtes Schnaufen.

Wenig später stand ich bedrückt vor der Kasse, in meinen Armen der Traum von einem Kleid.

"Miss?", holte mich die Kassierin dann aus meinen Gedanken und ich riss den Kopf nach oben. Sie lächelte sanft und sah mich auffordernd an. Brummend legte ich das Kleid auf den Tresen. "Ich würde es gerne zurück legen lassen, bis heute Abend.", antwortete ich aus zusammengebissenen Zähnen. Das Lächeln der Frau bekam etwas mitleidiges und sie tippte rasch etwas in das Kassengerät. "Das ginge. Auf welchen Namen, soll ich es zurücklegen?", fragte sie und sah mich aus ihren braunen Augen wieder freundlich an. "Roux Dawn", brummte ich knapp und warf dann einen Blick über meine Schulter zum Ausgang an welchem Val schon wartete. Tief einatmend sah ich wieder nach vorne und begegnete dem erstaunten Blick der Kassiererin.

Verwirrt hob ich eine Augenbraue. Worauf hin die junge Frau sich zusammenriss und einen Blick auf ihre Kasse warf. "Das Kleid ist schon bezahlt. Es wurden 1.500 Euro auf das Konto dess Geschäfts überwiesen mit dem Betreff, Ihnen jegliches Kleid welches Sie wollen zu ermöglichen", meinte sie, zuckte dann mit den Schultern und packte mir das Kleid ein, während ich mit offenem Mund da stand und verzweifelt alle Personen durchging die wussten, dass ich heute Kleider kaufen gehen wollte und soviel Geld hatten.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken und mit einer raschen Bewegung zog ich es aus meiner Hosentasche. Mit einem Blick darauf wusste ich, wer auf der andere Seite wartete.

Seufzend hob ich ab. "Na hast du mich vermisst Puffelchen", ertönte eine schrille Stimme und ich stöhnte schmerzerfüllt auf. "Gabe", maulte ich und ermahnte somit meinen Mitbewohner, seine normale Tonlage wieder anzunehmen. Das tiefe Lachen des Schotten hallte durch die Leitung und ich verdrehte belustigt die grünen Augen.

"Na, hast du mein Geschenk gefunden?", flüsterte er und lachte dann wieder. Mir ging ein Licht auf, Gabe wusste dass ich kein Kleid hatte und hatte sich wahrscheinlich kurzerhand nach dem einzigen Kleidergeschäft in meiner Stadt erkundigt. Und da Gabriel verdammt reich war, durch das Erbe seiner Großmutter, die ihm alles vererbt hatte, weil er der einzige seiner riesigen Familie gewesen war, der sich um sie gekümmert hatte, hatte er dem Geschäft wahrscheinlich diese Summe an Geld zukommen lassen.

Wieder verdrehte ich die Augen. "Musste dass sein Gabe?", brummte ich und nahm dankbar lächelnd die Tüte mit dem Kleid entgegen. Ich hatte zwar keine Ahnung wie Gabe die Bankverbindung des Geschäfts in Erfahrung gebracht hatte aber dieser Kerl war verrückt, dementsprechend traute ich ihm alles zu.

Wieder lachte der Schotte. "Ich wusste du würdest dich in ein teures Baby verlieben und dann beleidigt und traurig sein weil du es dir nicht leisten kannst", und ich konnte sein Schmunzeln beinahe durchs Telefon hören. Der Kerl kannte mich einfach zu gut. Widerwillig stimmte ich ihm zu und trat neben Val die die Tüte ungläubig musterte. Augen verdrehend zeigte ich auf das Handy und sie grinste belustigt und wackelte kokett mit den Augenbrauen, woraufhin ich nur mahnend die Augenbrauen hochzog.

"Gabe, Schatz, vielen Dank und ich muss jetzt auflegen. Love u Darling", imitierte ich seine hohe Stimme woraufhin er schon wieder in Lachen ausbrach, bis ich auflegte.

Val schaute mich neugierig an. "Du hättest deinen Freund auch mit auf meine Hochzeit bringen können", meinte sie und sah sich konzentriert um.
"Er ist nicht mein Freund, Val", erwiderte ich. "Sondern mein Mitbewohner und zufällig vergeben und schwul", kicherte ich und beobachtete wie Val kurzzeitig die Gesichtszüge entglitten als ihr, ihr Fehler auffiel.

Grinsend boxte ich ihr leicht gegen die Schulter und lief dann zielsicher auf das Auto zu, welches Val schon seit geschlagenen zehn Minuten verzweifelt suchte. Fluchend lief sie mir hinterher, was mir ein sanftes Lächeln entlockte.

Fünfzehn Minuten später kurvten wir über die lange Landstraße, die zur Ranch meiner Eltern führte. Ironischerweise waren wir wieder beim Thema Wes.

"Er hat mich mal, überraschen wollen. Mit einem Candle - Light - Dinner im Wald aber der Idiot hatte den Mond nicht im Blick und hatte daher vergessen dass Vollmond war. Letztendlich hatte ich dann mit einem riesigen Wolf ein romantisches Date. Das war echt schräg.", lachte Val und starrte kurz verträumt aus dem Fenster. Ihre Geschichte brachte mich zum lachen. Ich traute Wes das ganze traurigerweise sogar sehr gut zu.

Tatsächlich schafften es Wölfe mit einem Menschen als Gefährten es diesen von den anderen zu unterscheiden, weswegen sie sie in ihrer Wolfsform nicht als Beute ansahen und auch sonst jeglicher Jagdinstinkt inaktiv war wenn es den Gefährten betraf. Deshalb konnte ich mir sehr gut vorstellen, wie das riesige Raubtier wie ein schoßhund auf dem Schoß von Val gelegen hatte und sich zwischen den Ohren kraulen gelassen hatte.

Kichernd schüttelte ich mich vor Lachen, als mir Valerie eine unmögliche Geschichte nach der anderen über ihre Beziehung mit Wes erzählte.

Ich wünschte ich, ich hätte auch so etwas zu erzählen. Aber im Gegensatz zum witzigen Wes, der seine Beziehung mit humorvollen Geschichten erfüllt hatte, war meine Beziehung zu Cadan dauerhaft, auf eine unglaublich sexuelle Art und Weise intensiv gewesen obwohl wir tatsächlich nie miteinander geschlafen hatten. In Gegenwart des anderen war das elektrische Knistern beinahe spürbar gewesen. Unsere Beziehung war genauso tiefgründig, intensiv und schwer zu beschreiben wie Cadan selbst. Sein gesamtes Wesen hatte die Zeit mit ihm geprägt.

Es war etwas besonderes gewesen. Etwas was man nur einmal in seinem gesamten Leben erlebte.

Und ich hatte es weggeworfen.

Pain of Wolves Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt