"Wie konnte das passieren? Wir haben ihn gerade erst befreit", knurrte ich und wanderte in dem kleinen Raum auf und ab, wie ein gefangener Tiger.
Kellan ließ mich nicht aus den Augen, während er sich seine Seite hielt. Zwei Rippen waren gebrochen, aber heilten schon wieder. Fahrig fuhr ich mir durch mein silbriges Haar und kaute unwohl auf meiner Unterlippe herum.
Ruckartig blieb ich stehen und wirbelte zu ihm herum. "Wer hat ihn mitgenommen?", fragte ich, versucht ruhig zu bleiben. Es machte mich wahnsinnig, das ich Cadan wieder verloren habe, kaum, das ich ihn wieder gehabt hatte.
Kellan's Kiefer spannte sich sichtlich an und er wandte den Blick ab. "Ich hab es nicht gesehen. Ich versuchte gerade einen Wolf abzuwerfen und als ich mich umdrehte war er verschwunden", brummte er und die Scham klang deutlich aus seiner Stimme heraus.
Frustriert fuhr ich mir durch mir wieder durch die Haare. Ich hatte keine Ahnung was ich jetzt tun sollte.
"Ruhen wir uns erst einmal aus. Es bringt nichts jetzt kopflos drauf los zu rennen.", meinte Kellan ruhig und zischte kurz auf als er sich schwerfällig erhob. Sanft legte er mir seinen Arm um die Schultern.
"Dir geht es nicht gut und das schon seit längerem, hab ich Recht?", meinte er vorsichtig und musterte mich besorgt.
Ich zuckte nur leicht mit meinen Schultern und schüttelte dabei seinen Arm ab. "Geht schon", knurrte ich und wandte mich von ihm ab. Wenn er glaubte ich würde die Sache so einfach auf sich beruhen lassen, dann hat er sich ordentlich geschnitten.
Kellan hinter mir seufzte tief, doch ich schaute nicht zurück als ich den Raum und die Hütte verließ.
Kaum trat ich aus der Tür, verwandelte ich mich und rannte zwischen die dunklen Bäume. Verzweifelt versuchte ich seinen Geruch wiederzufinden. Doch er blieb aus. Egal, wo ich suchte. Selbst da wo vorhin der Kampf stattgefunden hatte. Es war als wäre er gar nicht dort gewesen.
Frustriert gab ich drei Stunden später auf. Der beinahe volle Mond am Himmel ließ den Wald in einem kalten, weißen Licht erstrahlen und erinnerte mich daran, das es bald soweit war und ich für eine Nacht meine Menschlichkeit aufgeben musste. Sowie Kellan und Cadan auch. Meiner Meinung nach war das der absolute Nachteil des Daseins als Werwesens.
Zurück an der Hütte angekommen nahm ich einen weiteren Geruch war, der sich mit dem von mir und Kellan vermischte. Cadans Geruch war jetzt schon, nur ein paar Stunden später, stark verblasst, was mich misstrauisch die Nase rümpfen ließ. Irgendwas stimmte hier nicht.
Wesley.
Aufgeregt schlug ich mit meinem Schwanz wie ein übermütiger Welpe. Meinen besten Freund hatte ich schon ewig nicht mehr gesehen und ich hatte ihn vermisst. Genauso wie ich Ian vermisste. Wo auch immer der steckte.
Freudig stellte ich mich auf die Hinterbeine und öffnete geschickt die Tür. Bevor ich hindurchtrat und sie mit einem geschickten Tritt wieder zuwarf.
Kaum trat ich in den Wohnraum richteten sich zwei Augenpaare auf mich. Verwundert kniff Kellan die Augen zusammen, der lässig an der Wand lehnte. Seine Knochen waren offenbar verheilt und ihm ging es augenscheinlich wieder einwandfrei.
Wesley saß entspannt auf einem Stuhl und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen belustigt an. "Ro, warum läufst du denn hier in deiner Wolfsgestalt herum? Niemand würde es stören wenn du dich zurückverwandeln würdest", grinste er schief und wackelte anzüglich mit seinen Brauen.
Ich schnaubte nur und ging ins Schlafzimmer, wo ich mich zurückverwandelte und mir schnell eine Jogginghose und ein Top überzog. Mein silbernes Haar band ich in einen einfachen Dutt, danach ging ich wieder in den Wohnraum und ließ mich am Tisch gegenüber von Wesley nieder.
"Nun, womit haben wir die Ehre...?", fing ich an, doch Wes unterbrach mich mit einer Handbewegung. "Lassen wir die Förmlichkeiten, Kleines.", befahl er sanft und zwinkerte mir zu. "Es ist lange her, das wir kurzen Frieden hatten. Erinnerst du dich an die Hochzeit? Das war wohl die letzte Zeit in der wir so richtig glücklich und friedlich alle zusammen waren. Nun... bis auf Kellan", meinte er nachdenklich und er ließ seine violetten Augen zum Fenster schweifen. "Ich vermisse sie, Ro. Jeden Tag. Es zerfrisst mich. Sie lebt ihr Leben, hat einen Mann und einen Sohn und wird immer älter, während ich noch immer aussehe wie 24 und nichts mehr habe. Nicht einmal mehr ein Rudel", seine Stimme brach als er sprach und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
"Was? Wieso, kein Rudel? Ich dachte, du bist Mitglied von Kyles", fragte ich verwirrt woraufhin Wes nur verächtlich schnaubte und wieder zu mir sah. "Das war kein Leben. Ich bin ein Beta, kein Omega. Ich war mehr ein Gefangener als ein Mitglied dieses Haufens, welches sich ein Rudel schimpft", knurrte er und schloss angepisst die Augen.
"Cadan ist verschwunden", sagte ich schließlich als die Stille beinahe unerträglich wurde. " Was hat Kyle mit ihm vor?", fragte ich dann und behielt meinen besten Freund im Blick. Dieser öffnete seine Augen wieder und sah mich sichtlich verwundert an.
"Kyle hat damit nichts zu tun. Der Großteil des Rudels ist außerhalb unterwegs. Keine Ahnung was sie tun aber sie sind nicht hier. Sie hätten das gar nicht tun können.", Erstaunen klang deutlich aus seiner Stimme heraus und er tippte sich nachdenklich gegen das Kinn.
"Es sei denn ...", murmelte er leise und er runzelte die Stirn. "Es sei denn, was?", hakte ich nach und beugte mich fragend weiter über den Tisch.
Wesley sah mich wieder an. "Elaine. Sie ist ein Halbblut und seit er sie aus dem Rudel geworfen hat, hasst sie ihn abgrundtief. Es wäre nicht das erste Mal das sie etwas gegen ihn tut aber Entführung... Nun, das klingt sogar für sie sehr heftig.", erklärte er langsam.
"Blondie. Cadan nannte sie ein Halbblut. Sie ist die Mutter von Kyle, oder?", fassungslos schüttelte ich den Kopf und Strich mir eine Strähne meines Haars hinter das Ohr, welche sich aus meinem Dutt gelöst hatten.
Wesley nickte leicht, bevor er mir antwortete. "Sein Vater hat sie ihm vorgestellt. Anfangs war sie wirklich nett, doch mit der zunehmende Nähe zu einem Alphawolf wurde sie immer arroganter und herrischer. Sie sah sich als Luna des Rudels. Und als er sie ... vollkommen betrunken schwängerte... ab da wurde es immer schlimmer.", als er meinen erschütterten Gesichtsausdruck sah, wurde sein Blick weicher. "Glaube mir, wenn es dich beruhigt. Das gesamte Haus und auch die umliegenden, dürften wohl gehört haben wie er deinen Namen brüllte. Ich kann mir durchaus vorstellen wie wütend Elaine das gemacht hat. Generell war sie ein wütender Mensch. Als Mischblut wollte sie kein Rudel, nur Cadan's Vater hat sie aufgenommen.", erzählte er weiter und fuhr sich durch sein braunes Haar.
"Sie ist die einzige bei der ich mir vorstellen könnte, das sie Cadan entführt haben könnte. Nur, ist mir nicht ganz klar, warum sie selbstständig arbeitet und nicht mit ihrem Sohn.", murmelte er nachdenklich und richtete seine hellen Augen dann wieder auf mich.
"Elaine, kann als Halbblut aber kaum ein Problem für uns sein", meinte er dann schlussendlich.
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Pain of Wolves
WerewolfDie 17-jährige Roux ist ein Mensch oder zumindest war sie das, bis ihr Freund ihr dies nahm. Wütend verließ sie ihn, zog nach London und baute sich dort ein Leben auf. Nun acht Jahre später ist sie zurück und wird wieder mit ihrer verheerenden Verga...