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"Roux ...", eine tiefe Stimme zerriss die Dunkelheit die mich bis eben eingehüllt hatte. Völlig ausgelaugt öffnete ich schwach die Augen und schaute blinzelnd nach oben.

Violette Augen funkelten mich besorgt an. "Alles okay?", fragte Wes und beugte sich näher zu mir um mich forschend mustern zu können.

Seufzend strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ja", murmelte ich und schloss für kurze Zeit nochmal die Augen.
Doch sofort traten mir die beiden blauen Augen wieder ins Gedächtnis, die einen hell die, anderen dunkel, und ihren Blick unlösbar miteinander verschlungen. Ein frustriertes Stöhnen entfloh meinen Lippen und ich drehte meinen Kopf ins Kissen. Am liebsten würde ich gerade einfach nur schreien.

"Wirklich alles Okay?", fragte Wes nochmal und ich spürte wie er mir sachte über den Kopf strich. Auf einmal kam Wut in mir auf und ich wirbelte herum.

"JA VERDAMMT", brüllte ich und funkelte ihn wütend an. Doch kaum einen Wimpernschlag später wurde mir bewusst, dass Wes ja am wenigstens für das alles konnte weswegen ich traurig die Augen niederschlug und ihn durch meine Wimpern entschuldigend anblinzelte. Sofort Vertrieb das altbekannte Lächeln den misstrauischen Gesichtsausdruck.

"Es tut mir leid. Warum fragst du überhaupt?", gähnte ich und rieb mir nochmal über die müden Augen, bevor ich mich blinzelnd umsah. Dunkle Möbel mit smaragdgrünen Akzenten. Ich war nicht in meinem Zimmer. Und dann erinnerte ich mich wie mich etwas gestern in Cadans Zimmer gezogen hatte. Ich musste dort eingeschlafen sein.

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen als mein Blick auf die Fotowand fiel, dann wandte ich meinen Kopf wieder Wes zu. Dieser fuhr sich durch die Haare und folgte meinem Blick durch das Zimmer. Als er mich wieder ansah zog er nur in einer Art 'Ist-die-Antwort-nicht-offensichtlich' - Geste die Augenbrauen nach oben.

"Ahhh, Warum?!", brummte ich und schlug mir die Hände vors Gesicht.

Ein glucksendes Geräusch ließ mich zusammenzucken und ich funkelte den kichernden Wes durch meine Finger hindurch warnend an. Er seufzte und setzte sich dann vorsichtig auf die Bettkante. Fragend sah ich an und erwiederte meinen Blick Ernst.

"Es gibt bei den Rudeln eine Legende...", fing er an und ich runzelte die Stirn. Worauf lief das hinaus?
"Aber bevor ich dir von ihr erzähle solltest du wissen, dass in Büchern, Legenden und Märchen über uns bei den Menschen oftmals der Wolf mit einem oder einer Seelenverwandten einhergeht aber um ehrlich zu sein ist Seelenverwandtschaft bei uns genauso selten wie bei allen anderen. Die einzigen bei denen dass anscheinend ziemlich häufig auftreten soll, sind die Feenwesen...", grinsend hielt er inne und betrachtete mein erstauntes Gesicht. "...Ja Es gibt Feen und alle anderen Arten von Feenwesen, wie auch zB Elfen", erklärte er lächelnd.

"Auf jeden Fall, haben wir diese Legende. Seelenverwandtschaft wird immer seltener und warum weiß niemand aber anscheinend soll es zwei Seelen geben, die immer zueinander finden. In jedem Leben. Diese Seelen werden Sol und Luna genannt wie die beiden Götter. Sie gelten als ihre Inkanartionen oder ihre Kinder, je nachdem welches Rudel du fragst. Sie sollen sich wie zwei Magneten anziehen und nichts dagegen tun können, egal welcher Art sie angehören. Sie sind füreinander geschaffen wie zwei Puzzleteile. Und genau wie Sol und Luna sind sie dazu bestimmt zusammen zu sein. Sei es nun als sehr enge Freunde, Geschwister oder Liebende. Sie sind aneinander gebunden. Und weißt du warum ich dir diesen Mythos erzähle? Ich erzähle ihn dir weil du und Cadan mich an diesen Mythos erinnert. Ihr seit wie zwei Hälften eines Ganzen. So gleich und doch so verschieden. Und, unter uns, ich glaube das Cadan und du es geschafft habt. Eure Seelen haben die Seltenheit erfahren verwandt zu sein. Ihr durftet die echte Seelenverwandtschaft kosten. Und so etwas, meine Liebe Ro, ist mächtiger als normale Liebe. Es heißt sogar das Seelenverwandte immer wissen wo der andere ist, indem sie durch seine Augen sehen. Was ich damit sagen will: Gib ihm eine Chance und wenn es nur als Freunde ist. Denn euch wird es so oder so immer zueinander ziehen", endete er und sah mich an.

Mein Herz raste und ich wusste nicht wirklich wie ich auf seine Worte reagieren sollte. Mein Mund stand auf und ich konnte meinen besten Freund nur anstarren.

Mit einem Seufzen erhob er sich. "Wie dem auch sei, zieh dich an. Es wird Zeit dass du das Rudel kennenlernst.", meinte er dann noch bevor er aus der Tür verschwand und alles was ich konnte war im perplex hinter her zu schauen.

Wenig später trat ich nervös auf die Veranda des großen Hauses. Meinen Blick hielt ich starr auf meine Hände gerichtet, die unruhig hin und her zuckten.

Ich spürte Wes Präsenz als er neben mich trat und die Stimme erhob: "Ich hab euch hier zusammemgetrommelt um euch unser, vorläufiges, neustes Mitglied vorzustellen.". Ich spürte, wie seine Hände meine Schultern rechts und links umfassten und hob daraufhin schüchtern den Kopf. Überall über die Wiese verstreut saßen Werwölfe und musterten mich neugierig. Überrascht stellte ich fest, dass ich in keinem Gesicht Abneigung aufblitzen sah. In manche Augen blitzte sogar Wiedererkennung auf.

Plötzlich erhob sich eine schlanke Schwarzhaarige mit sanften braunen Augen. "Und wer ist sie genau, Wesley? Ich fühle ihre Präsenz bis hierher. Sie ist also ganz sicher kein Omega", meinte sie dann und lächelte mir aufmunternd zu, bevor sie ihren Blick wieder auf Wes richtete. Dieser presste noch mal ermutigend meine Schultern und ließ mich dann los.

Tief atmete ich durch, straffte meine Schultern und hob den Kopf. Ich musste von Anfang an zeigen wer ich war, sonst hatte ich verloren. Das war ein Wolfsrudel und keine Klassensprecherwahl. Diese Wesen zerfleischen mich bei einem Fehler.

Selbstbewusst trat ich auf die Balustrade der Veranda zu und legte meine Hände darauf. "Ich bin hier weil ich eure Alpha bin", meine Stimme hallte klar und deutlich über die Lichtung. Sofort rissen die Wölfe die Augen auf und steckten ihre Köpfe zusammen.

Die dunkelhaarige Frau tippte sich nachdenklich ans Kinn. "Ich schätze dich nicht so dreist ein, einfach Rudel zu übernehmen, deren Alpha gerade verbindet ist und Wes würde dich in diesem Fall nicht einmal anfassen. Und ich denke auch nicht dass du so bösartig bist unseren Alpha herauszufordern und ihn hinter unserem Rücken umzubringen.", bei ihren Worten zuckte ich stark zusammen und sackte ein kleines bisschen ein. Cadan umbringen. Nein, dass wäre nicht mal ansatzweise möglich. Selbst wenn mein eigenes Leben davon abhängen würde.

"Also...", fuhr sie fort. "... bleibt nur eines übrig. Du bist die Gefährtin unseres Alphas.", schlussfolgerte die hübsche Wölfin und musterte mich scharf.

"Bleibt nur eine Frage offen: Wo warst du die ganze Zeit?", meinte sie und schien vielen Wölfen damit aus der Seele zu sprechen.

Ich sah mich nervös nach Wes um, der mir aufmunternd zunickte. "Diese Geschichte ist zu lang um sie jetzt zu erzählen. Unsere Priorität besteht darin Cadan zu finden. Ich möchte das ihr aus euren stärksten Fährtenleser jeweils vier Teams zusammenstellt. In jedem Team sind mindestens ein Fährtenleser und drei Krieger. Ich möchte dass die Teams sich jeweils der Süd, - West, - Ost und Nordgrenze widmen. Treffpunkt ist wieder hier. Bei Fragen kommt ihr bitte zu mir oder zu Wes und jetzt los.", befahl ich und kaum hatten die Befehle meinen Mund verlassen, stoben die Wölfe auseinander. Am Rande der Lichtung fingen sofort an sich Gruppen zu bilden. Jeder wollte helfen. Und was unglaublicher ist, sie hörten auf mich und taten genau das was ich sagte.

Freudig drehte ich mich zu Wes um der das Geschehen mit einem Lächeln beobachtete. "So eifrig habe ich sie nicht gesehen, seit Cadan verschwunden ist. Sie akzeptieren dich, Ro. Ab jetzt bist du ihr Alpha. Das ist harte Arbeit.", warnend sah er mich an was meine Freude deutlich dämpfte.

Ich seufzte und sah wieder zum Rudel.
"Ich weiß, hoffen wir einfach, wir finden Cadan so schnell wie möglich."

Pain of Wolves Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt