8

8.4K 325 28
                                    

Ich wusste ja das meine Mutter einen Narren an Wes gefressen hatte, damals. Aber wie sehr sie ihn tatsächlich mochte, war mir unklar, bis ich sah wie sehr sie ihn umsorgte.

Seit geraumer Zeit saß ich nun im Sessel meines Grandpas und beobachtete sie. Sie tat fast so als sei er todkrank. Belustigt zuckte einer meiner Mundwinkel, als ich sah wie Wes versuchte sich gegen weitere riesige Portionen an Essen zu wehren.
Ohne Erfolg muss man wohl dazu sagen.

Plötzlich hörte ich das Knarzen, der schweren Eingangstür. Lachend betrat die Verlobte meines Bruders dass Wohnzimmer. "Ihr wisst nicht was mi...", sie stockte und starrte Wes entsetzt an. "Wes?!", hauchte sie dann.

Wes der gerade abwehrend die Hände in die Luft geworfen hatte, riss ruckartig den Kopf herum. "Val?", hauchte er und seine lavendelfarbenen Augen weiteten sich erschrocken.

"W-warte! Ihr kennt euch?", fragte ich verwirrt und zeigte dann zuerst auf Valerie und dann auf Wes. Dieser zuckte heftig zusammen bevor er den Kopf senkte. "Val, war... meine ... eh ... Freundin", stotterte er dann und schaute überall hin außer zu ihr.

Als ich begriff was er meinte, weiteten sich meine Augen geschockt. Valerie ist Wes Gefährtin. Er hatte sie erwählt.

Sie ihn aber nicht. Weil sie nur ein Mensch war. Für sie hatte das weniger Bedeutung als für ihn.

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen als ich den tiefen Schmerz in den Augen meines bestem Freundes sah. Mein Blick zuckte zu der Verlobten meines Bruders die wie versteinert im Türrahmen der Küche stand. Sie schien das ganze nicht kalt gelassen zu haben, weswegen sich mir die Frage stellte, was der Grund für ihr Trennung war.

Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Hatte Wes ihr etwa von uns erzählt und sie kam darauf nicht klar? Ich weiß nicht was ich ...

"Ro, süße, wollten wir kein Kleid kaufen gehen?", irritiert hob ich den Kopf und erblickte Valerie die nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Kurz schüttelte ich den Kopf um die Gedanken aus meinem Kopf zu schmeißen, dann erhob ich mich und nickte. "Ja, lass uns gehen.", meinte ich.

"Ich werde dann auch langsam gehen, danke für das Essen Mrs. Dawn.", brummte Wes und lief mit hochgezogenen Schultern an uns vorbei. Meine Mutter sah ihm mehr als nur verwirrt hinterher, als sie aus der Küche kam. "Was hat der Junge denn?", fragte sie und stemmte ihre kleinen Hände in ihre rundlichen Hüften. Ich seufzte und warf Valerie einen Blick zu.

"Er musste wahrscheinlich noch ein paar Sachen erledigen", meinte ich dann, als ich meine Augen wieder auf meine Mom richtete. Diese schüttelte dann nur den Kopf und drehte sich wieder um.

"Wir gehen dann auch, bis später, hab dich lieb", rief ich ihr noch zu bevor ich mir Val schnappte und aus der Tür zog.

Schon eine Weile fuhren wir stillschweigend die Landstraße entlang. Mit einem Seufzen lehnte ich meinen Kopf gegen die kühle Scheibe. Nachdenklich betrachtete ich die vorbeiziehende Landschaft, bis Valerie mich aus meinen Gedanken riss.

"Behauptest du das auch? Bist du eine... von Ihnen?", zischte sie hörbar angespannt durch zusammengebissene Zähne. Erschrocken riss ich den Kopf herum und starrte sie mit großen Augen an. "Was meinst du?", fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen und musterte die hochgewachsene Brünette.

"Wesley und ich ... haben uns vor mehr als sechs Jahren getrennt. Zum einen weil ich deinen Bruder kennengelernt habe und mich einfach... wir hatten diese Verbindung, verstehst du? Und zum anderen weil Wes ständig nur bei seinen ... Freunden war. Ich habe mich vernachlässigt gefühlt ... nutzlos. Als bedeute ich ihm nichts. Die Freundschaft mit Dan, hat mir wieder dass Gefühl gegeben, dass ich wertgeschätzt werde. Deswegen habe ich mich damals für ihn entschieden. Er hat mir gut getan. Aber ich weiß wie sehr es Wes verletzt hat und ich weiß dass ich immer ... irgendwas ... für ihnen fühlen werde aber deinen Bruder liebe ich einfach mehr. Viel mehr.", sie seufzte.

Zögernd nickte ich dann. Erleichtert atmete sie aus, doch ich war noch nicht bereit dass Thema beiseite zu legen.

"Ich weiß was sie sind, Val.", meinte ich und starrte stur aus der Windschutzscheibe. "WAS?!", rief sie erschrocken und ich krallte mich panisch in das Amaturenbrett als sie deswegen kurz stark auslenkte.

Frustriert atmete ich aus. "Hör zu, ich kenne Wes, und er wird dich damals nicht mit Absicht vernachlässigt haben. Er ist der Beta eines Rudels und hat einfach enorm viel zu tun. Ich will nicht sagen, dass deine Entscheidung falsch war, ganz im Gegenteil, ich sehe wie glücklich mein Bruder ist aber ich finde ... vielleicht kannst du dich ja mit Wes aussprechen. Vielleicht würde ihm eine Freundschaft gut tun. Ich meine okay, der Spruch 'Lass uns Freunde bleiben' zu einem Exfreund zu sagen ist wie einem kleinen Kind zu sagen 'Dein Hund ist tot aber du darfst ihn behalten'", meinte ich wirr und runzelte die Stirn. "Aber bei ihnen läuft das alles anders.", endete ich dann leise.

Val zögerte mit ihrer Antwort und ich sah aus dem Augenwinkel wie sie angespannt das Lenkrad umgriff. Dann atmete sie leise aus. "Du hast Recht. Sie sind anders als wir. Ich sollte ihm eine Chance geben, als Kumpel.", erwiderte sie dann selbstbewusst und zwinkerte mir leicht zu.

Wir. Als würde ich noch zu ihrer Spezies gehören. Traurig lehnte ich meinen Kopf wieder an die Scheibe.

"Aber was ist mit dir? Woher kommt dein Wissen?", fragte sie neugierig und warf mir einen warmherzigen Blick zu. "Ich war mal mit einem von Ihnen zusammen", antwortete ich leise und starrte wieder stur aus dem Fenster.

Wieder warf mir Val einen Blick zu, den ich aus dem Augenwinkel bemerkte. Als ich leicht meinen Kopf drehte, schaute sie schnell wieder auf die Straße.

"Oh", war alles was sie darauf hin sagte. Aber eine Sache fragte ich mich dann doch.

"Und was hältst du von Ihnen?", fragte ich und wandte ihr nun wieder meinen ganzen Kopf zu.

Sie zuckte mit den Schultern. "Sie sind Lebewesen wie du und ich. Sie vereinen lediglich zwei Spezien miteinander. Ungefähr wie alle anderen Hybriden auch. Nur sind diese Spezien genetisch wesentlich weiter von einander entfernt, als zum Beispiel ein Pferd und ein Zebra oder ein Löwe und ein Tiger. Ich weiss, der Vergleich hinkt brachial. Ich will damit nur sagen, dass sie alles Recht dazu haben zu existieren, wie jeder andere auch. Nur muss man sie ab und an anders behandeln. Mit einem wilden Wolf schläfst du schließlich auch nicht unter einer Decke.... und wieder ein Vergleich der hinkt.", frustriert schlug sie aufs Lenkrad, während ich mich mit dem Lachen kaum zurückhalten konnte.

Sie verglich uns tatsächlich mit Hybriden, wie Liger* und Zorse*.

An sich stimmt es schon wir sind Hybridwesen. Hybrid ist ja ein weitgefächerter Begriff und bedeutet eigentlich nur dass sich zwei Spezien miteinander vermischen. Aber ein Werwolf ist was ganz anderes als ein Liger. Während ein Liger Anzeichen von Tiger und Löwe dauerhaft mit sich trägt haben wir die Möglichkeit unsere zweite Spezies zu verbergen in der jeweils anderen Gestalt. Als Wolf laufen wir, entgegen vieler Legenden, nicht auf zwei Beinen sondern sehen aus wie ganz normale Wölfe, wenn auch ein Stück größer. Und als Mensch haben wir weder einen Wolfsschwanz noch Wolfsohren oder sowas.

Was unsere menschliche Form von denen normaler Menschen unterscheidet sind lediglich unsere verbesserten Sinne und Reflexe und die Fähigkeit unsere wölfischen Waffen zu benutzen, wie zum Beispiel unsere Zähne oder Krallen.

Trotz dessen amüsierte mich der Vergleich zu den Ligern und sonstigen Hybriden.

"Was grinst du so?", riss mich Val beleidigt aus meinen Gedanken. Ich gluckste leise als ich sah wie sie wie ein kleines Mädchen schmollend ihre Unterlippe vor schob.

"Ich finde den Vergleich nur so unglaublich amüsant", kicherte ich. Und dann konnte ich nicht mehr an mir halten und brach in schallendes Gelächter aus, in welches Valerie kurze Zeit später mit einstimmte.

Immer noch lachend fuhren wir dann in die Stadt rein.
"Okay, wo wollen wir zuerst schauen", schniefte Valerie und strich sich ihre Lachtränen aus dem Gesicht. Tief atmete ich ein und versuchte mich zusammenzureißen.
"Wie wäre es wenn wir einfach parken und dann durch die Passage laufen.", meinte ich dann lächelnd und warf meiner baldigen Schwägerin einen Blick zu den sie grinsend erwiderte.




(*Liger = eine Mischung aus Tiger und Löwe. *Zorse = Mischung aus Zebra und Horse (pferd))

Pain of Wolves Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt