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"Also ... wir sollten alle mal von ganz vorne anfangen", seufzte ich und umklammerte die Kaffeetasse in meiner Hand. Aus irgendeinem Grund machten mich die beiden Brüder unglaublich nervös.

Kellan wirkte gehetzt und sein Blick schien nie still zu stehen, als würde er jeden Moment etwas erwarten.

Cadan hingegen war auf eine seltsame Art extrem ruhig und ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Irgendwas schien er in mir zu sehen, was sonst niemand tat und das ließ mein Herz nicht nur einmal stolpern.

Zum wiederholten Male wich ich den blauen Augen aus, die Löcher in meinen Körper zu starren schienen.

Mein Bruder schnaubte. "Ich finde die beiden Herren sollten anfangen. Es interessiert mich nämlich brennend, warum sie mich 'Ian' genannt haben", brummte er und ließ die beiden Wölfe seinerseits für keine Sekunde aus den Augen.

Alles in allem war die Situation komplett angespannt. Fehlte nur noch, das die ältere Dame von heute morgen ein weiteres Mal an die Tür klopfen würde. Deren Gesichtsausdruck wollte ich lieber nicht sehen wenn sie mich mit drei Männern hier sehen würde. Ältere Menschen reagierten, da aus irgendeinem Grund allergisch drauf.

"Mrs. Dawn, wollte heute noch vorbei kommen, Schwesterherz.", erinnerte mich mein Bruder, woraufhin ich angespannt die Lippen aufeinander presste. Warum klatscht mir das Schicksal eigentlich gerade ein Klischee nach dem anderen ins Gesicht? Es ist als wäre ich in einem schlechten Buch gefangen. Beinahe frustriert fuhr ich mir durch meine silbernen Locken die mir weich über die Schultern fielen.

"Na dann los, Jungs. Haut raus.", seufzte ich dann und wedelte auffordernd mit der Hand. Der Tag heute war unfassbar anstrengend gewesen.

"Nun. Mein, anscheinend ausgewilderte, Bruder war einst, kaum zu glauben, ein respektierter Alpha bis ... naja, das habe ich dir schon erzählt. Soviel ich weiß, hat jetzt ein gewisser Kyle das Rudel übernommen.", doch die Reaktion von Cadan auf die Worte seines Bruders überraschte mich. Als dieser den Namen des jungen Alphas erwähnte, knurrte er dunkel auf und richtete seine vor Zorn glühenden Augen auf Kellan.

"Du willst mir allen Ernstes erzählen, das MEIN SOHN dieser Tyrann ist über den der ganze verdammte Wald spricht? Der ist doch noch nicht einmal neunzehn!", knurrte er und fletschte unwillig die Zähne.

Das Cadan einen Sohn hat, ließ in mir ein seltsames Gefühl der Trauer hochkommen, welches ich nicht verdrängen konnte. Leise räusperte ich mich.

"Nun als wir da waren, hat uns ein ziemlich herrischer, blonder Junge empfangen. Ich bezweifle dass er schon zwanzig war. Aber er wollte uns offensichtlich nicht da haben und war da auch nicht sonderlich höflich.", meinte ich und erinnerte mich nur ungern an den arroganten Wolf der sich großspurig als Alpha ausgezeichnet hat und uns beinahe sein ganzes Rudel auf den Hals gehetzt hatte.

Nach meinen Worten sackte Cadan sichtlich erschüttert auf seinem Stuhl zusammen. "Ich weiß nicht einmal warum ich ihn verteidige. Ich weiß, das er dieser Tyrann ist, den jeder Wolf mittlerweile verachtet aber irgendwas in mir hatte noch Hoffnung, trotz das er mich vertrieben hat, als ich zurück zum Rudel wollte. Er war für mich nie wirklich ein Sohn aber als Kellan ging und sie ... tot war. War er die einzige Familie die ich noch hatte. An irgendwas musste ich mich wohl festhalten.", seufzte er und strich sich das wirre Haar aus der Stirn.

Ein starkes Gefühl der Zuneigung stieg plötzlich in mir auf. Ein Gefühl was man für einen Fremden nicht haben konnte. "Deine Gefährtin wird immer bei dir sein, egal was passiert und dein Bruder ist dein Blut. Er könnte in die Antarktis ziehen und wäre trotzdem noch da. Erinnere dich wie stark uns Bluts- und Seelenverbindungen machen.", meinte ich sanft und legte meine Hand auf die geballte Faust des dunkelhaarigen.

Plötzlich fiel mir das Atmen schwer, als ich beobachtete wie er erzitterte und sich eine Gänsehaut auf seiner Haut ausbreitete. Auch die Haare auf meinem Arm richteten sich auf und ich schnappte krampfhaft nach Luft. Langsam hob ich den Blick und starrte ihn überraschte blaue Augen, in denen plötzlich ein grünes Schimmern auftauchte. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Dieses Schimmern hatte ich schon bei Kellan gesehen, doch bei Cadan war es noch einmal intensiver.

Kellan beobachtete uns mit angespannten Kiefer. "Seine Gefährtin war das wohl außergewöhnlichste Mädchen was ich je habe kennenlernen dürfen. Und ich hatte das Glück zu erfahren, was es heißt eine Seelengefährtin zu haben und sei es nur für eine Nacht aber sie hat immer zu meinem Bruder gehört. Das weiß ich jetzt. Ich wusste es von dem Moment an als er ihrem Mörder den Hals wortwörtlich umdrehte.", meinte er dann leise, während er den Blick fest auf unsere Hände gerichtet hatte. Irgendwas schien er zu wissen. Im nächsten Moment hob er den Kopf und betrachtete mich mit einer unglaublichen Sanftheit, die mir den Atem verschlug.

"Mein Bruder wird euch den Rest der Geschichte erzählen. Ich muss noch einige Geschäfte erledigen, bevor ich mir einen freien Tag gönne und dann am Freitag nach Hause fliege", meinte er dann, lächelte und verließ dann schnell unser Haus.

Cadan sah seinem Bruder irritiert hinterher, bevor er wieder zu mir sah. "Ist das wahr? Ihr hattet die gleiche Seelengefährtin?", fragte ich neugierig. Es war schon selten genug überhaupt einen Seelenverwandten zu finden und das dann auch noch zwei den gleichen hatten, war eigentlich unmöglich.

Langsam nickte Cadan. "Ja. Auch wenn ich das Gefühl hatte, sie hätte sich am Ende für ihn entschieden. Ich habe viele Fehler gemacht. Mein Sohn war nur einer davon. Den der war nicht ihr Sohn. Ich war schuld an ihrem Tod. Wäre ich nicht gewesen hätte es an dem Tag keinen Kampf gegeben.", seufzte er traurig und schien Erinnerungen nachzuhängen.

Plötzlich raubte mir ein stechender Schmerz in meiner Kehle den Atem. Hastig sprang ich auf und griff mir verzweifelt an die Kehle. Nach Luft ringend stolperte ich zurück. Es fühlte sich an als würde irgendwas aus meinem Hals laufen, doch als meine Hände die Haut an meinem Hals berührten war der vollkommen unverletzt und trocken. Flammend rote Augen tanzten vor meinem inneren Auge und ein markerschütterndes Heulen erfüllte meine Ohren.

"Was ist los?", brüllte mein Bruder und rüttelte verzweifelt an meiner Schulter  Tränen flossen mir unaufhörlich über die Wangen. "Hört ihr das nicht?", schluchzte ich und versuchte dieses herzzerreißende Heulen auszuschließen, während langsam wieder Luft meine Lungen füllte.

Plötzlich hörte dieses Heulen so plötzlich auf wie es gekommen war und stattdessen betrachteten mich blaue Augen mit soviel Liebe wie ich es noch nie gesehen hatte. Und dann lächelte er. Mein Herz hörte auf zu schlagen und es war als würde die Mauer tief in meinem Geist bröckeln.

Nein, mein Kind. Es ist noch zu früh.

War das einzige was ich hörte als mir schwarz vor Augen wurde.

Pain of Wolves Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt