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Seit einer Stunde bummelte ich nun durch die Stadt. Nachdem wir die Wolfsseele eingefangen hatten und der Alpha des Rudels uns zum Teufel geschickt hatte, war ich in die Stadt gegangen.

Es war etwas normales. So normal, das ich mich an das letzte Mal wo ich sowas getan hatte, nicht mehr erinnern konnte. 

Neugierig betrachtete ich die einzelnen Schaufenster während ich nachdenklich an meinem Kaffee nippte, den ich mir in einem kleinen, süßen Café geholt hatte.

Und genau diesen, wohlgemerkt glühend heißen, Kaffee machte im nächsten Augenblick Bekanntschaft mit meiner dünnen Bluse als irgendein fehlgeleiteter Anzugheini in mich rein rannte.

Mit einem unwilligen Knurren sprang ich reflexartig zurück und rieb dann hektisch über den braunen Fleck der sich auf meinem Oberteil ausbreitete. Wütend kniff ich die Augen zusammen und hob den Blick um diesem Typ, der verdutzt stehen geblieben war, meine Meinung zu geigen. "Sag mal geht's noch? Kannst du nicht besser aufpassen, du Bauerntrampel", zischte ich als mir ein altbekannter Geruch in die Nase stieg und den des Kaffees überlagerte. Neben dem schweren Geruch nach Moschus und Zimt, wahrscheinlich ausgehend von seinem Aftershave, stieg mir etwas wildes in die Nase, der leichte Geruch nach Wald, Wild und auch ein klein bisschen nassem Hund, was sich mit einem Blick auf sein feuchtes dunkles Haar aber ebenfalls erklären ließ.

Der Idiot war ein Wolf. Und diese Erkenntnis war der Auslöser, dass ich meine Augen wütend aufglühen ließ und mit gefletschten Zähnen knurrte. Der dunkelhaarige Typ riss sichtlich überrascht die Augen auf und wich zurück.

Und dann passierte etwas seltsames. Ein grünes Schimmern leuchtete für einen Wimpernschlag in seinen Augen und ließ ihn erschrocken tief einatmen. Irritiert ließ ich meine Verteidigungshaltung sein, legte nachdenklich den Kopf schief und musterte den Typ.

Der Mann war groß und muskulös. Er hatte sein schwarzes Haar ordentlich zurückgekämmt aber einzelne Strähnen die ihm in die Stirn fielen, zeugten davon, dass das nicht seine alltagsfrisur war. Und seine Augen. Leuchtend blaue Augen mit einem Stich grün erwiderten meinen Blick bevor er leicht seinen Kopf neigte.

"Sorry, my Lady. Ich hatte es eilig und bin erst seit kurzem wieder hier. Ich hatte vergessen das es hier eher auffällt wenn man es eilig hat.", lächelte er und zwinkerte mir leicht zu, bevor er mir lässig die Hand hinstreckte. "Ich bin Kellan. Und mit wem habe ich die Ehre?", schnurrte er, was mich skeptisch die Augenbrauen heben ließ. Ein leichter Hauch von einem britischen Akzent schien in seiner Stimme Form anzunehmen aber das er kein geborener Brite war verriet sein amerikanischer Akzent, der noch immer dominant war.

Wiederwillig nahm ich seine Hand und schüttelte sie. "Silver. Woher kommen Sie, Kellan?", fragte ich höflich, was ihm ein weiteres Grinsen entlockte. Leicht Strich sein Daumen über meinen Handballen, was dafür sorgte, dass sich meine Nackenhaare aufstellten und kleine Stromschläge von dort durch meinen Körper schossen.

"Ich wohne seit gut 11 Jahren in London aber geboren bin ich hier. Kann ich Sie auf einen weiteren Kaffee einladen. Als ... Entschuldigung?", fragte er und warf einen deutlichen Blick auf meine ruinierte Bluse.

Angespannt folgte ich seinem Blick, bevor ich mit den Schultern zuckte und leicht nickte. Was konnte das schon schaden?

Wenig später saßen wir in dem gleichen Café, wo ich auch meinen Kaffee geholt hatte.

"Und du bist wirklich Anwalt?", grinste ich und konnte kaum glauben, dass ein Wolf einen so langweiligen Beruf einschlug.

Kellan runzelte die dunklen Brauen. "Was? Sehe ich etwa nicht wichtig genug aus?", schmunzelte er.

Doch dann entglitt in das Lächeln und seine Finger verkrampften sich um den Kaffeebecher in seiner Hand während er stirnrunzelnd hinein schaute.

Sorgenvoll betrachtete ich den jungen Mann der sichtlich zerstört aussah. 

Langsam lockerte er dann die angespannten Schultern und hob wieder den Blick.

"Weißt du... ich bin erst seit gut 7 Jahren Anwalt. Und, die Entscheidung fiel damals, weil ich nur noch weg wollte. Ich zog nach London. In eine WG um genau zu sein, dieser Typ ist verrückt, der da wohnt, wirklich aber man kann ihn nur mögen. Er ist ein Hüne, größer als ich und ich dachte einmal das sei kaum möglich", ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen als er den Blick durch den hellen Gastraum schweifen ließ.

"Aber das klingt doch alles sehr gut?", fragte ich leise und musterte den jungen Mann. Dieser richtete den Blick aus seinen blassen Augen wieder auf mich und kurz glaubte ich sie verdächtig glitzern zu sehen.

"Gabriel ist...", fing er an, doch ein Stechen in meinem Kopf ließ mich aufkeuchen.

Ein dunkles, fröhliches Lachen hallte durch meinen Schädel und für einen Herzschlag glaubte ich einen rothaarigen Riesen vor meinem inneren Auge zu sehen, der mich warm anlächelte.

Eine Hand die sanft über meine geballte Faust Strich, riss mich aus den Gedanken und ich hob rasch den Kopf.

Kellan musterte mich mit hoch gehobenen Brauen. "Alles okay?", fragte er dann vorsichtig und sah mich sanft an.
"Ja... Ja, klar. War nur kurz ein Stechen im Kopf, ist schon wieder vorbei. Was wolltest du sagen?", fragte ich und richtete meinen Blick wieder freundlich auf den schwarzhaarigen Anwalt. 

Misstrauisch lehnte er sich wieder zurück und musterte mich noch einmal skeptisch.
"Gabriel ist ... der ehemalige Mitbewohner eines Wolfes gewesen. Einem der mir extrem viel bedeutet hat. Sie ist der Grund warum ich nach London gezogen bin. Sie ist hier ... vor 17 Jahren gestorben. Du siehst ihr sehr ähnlich, weißt du das? Nur deine Augen... Sie erinnern mich an einen guten Freund meines Bruders. Er ist am gleichen Tag gestorben wie sie.", er lächelte traurig.

"Ich habe lange gebraucht um es halbwegs zu verdauen und kann mich nur mit meiner Arbeit ablenken aber mein Bruder. Er hat es noch schlimmer vertragen. Er gab sich die Schuld an ihrem Tod und ... nach ihrer Beerdigung verschwand er. Ich habe ihn seit 17 Jahren nicht mehr gesehen. Und jetzt bin ich hier um ihn zu suchen, da ich vor kurzem erfahren habe, das er nie zurück zum Rudel ging.", seufzte er und malte nachdenklich Kreise auf den Pappbecher in seiner Hand.

"Wer war sie?", fragte ich dann leise. Irgendwas in mir drängte mich dazu diese Frage zu stellen, als wäre das ein Schritt über eine Grenze. Eine Mauer die ich einreiße, sobald ich herausfinde wer sie war.

Kellan hob sichtlich überrascht den Blick.
"Du wirst mir nicht glauben wenn ich es dir sage. Vielleicht sehen wir uns mal wieder. Und vielleicht erzähle ich es dir dann.", meinte er sanft, bevor er sich erhob und zum Gehen wandte.

"Danke. Es ist lange her, dass ich mich so entspannt mit jemandem unterhalten habe", hauchte er dann noch, bevor er ruckartig aus der Tür des Cafés verschwand und mich verdutzt zurückließ.

Wer war sie? Ich hatte das Gefühl ich müsste es wissen. Aber mir wollte es einfach nicht einfallen. Unwillig rieb ich mir über die Augen, bevor auch ich mich erhob und aus dem Café lief. Ich würde Kellan bei der Suche nach seinem Bruder helfen.

Nachdenklich musterte ich den Stofffetzen, den ich ihm mit einer meiner Krallen unbemerkt aus seinem Stoff geschnitten hatte. Ich hoffte einfach, das die beiden Brüder ähnlich rochen.

Und mit diesem Entschluss überquerte ich die Straße, lief in den dahinter liegenden Wald und verwandelte mich.

Pain of Wolves Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt