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"Schatz, würdest du mir mal das Blumengesteck geben, was drüben auf der Kommode liegt?", rief meine Mutter und zeigte auf das Gesteck, welches sich mit den rosanen und weißen Blumen stark vom dunklen Holz der Kommode abhob.

Seufzend lief ich die paar Schritte rüber und nahm die zierliche Dekoration vorsichtig in die Hand um sie an meine Mutter weiter zu reichen, welche schon seit dem frühen Morgen mit dem Dekorieren, der Ranch beschäftigt war.

Morgen war die Hochzeit und die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren.

"Mom?", fragte ich und beobachtete jede Bewegung der älteren Frau. Langsam hob sie den Kopf ohne den Blick von der Deko zu nehmen. "Ja?", fragte sie und strich sich das ergrauende Haar hinter eines ihrer Ohren.

Tief atmete ich aus, lehnte mich gegen die Kommode und verschränkte die Arme vor meiner Brust. "Ich könnte ne Pause gebrauchen. Darf ich ...?", fragte ich etwas zögerlich und sah wie meine Mutter kurz die Stirn runzelte. Rasch warf sie mir einen prüfenden Blick zu bevor sie nickte. "Ja, geh ruhig. Es ist fast alles fertig", meinte sie und lächelte schwach. Dankend nickte ich ihr zu, bevor ich aus der Haustür raus und Richtung Stallungen eilte.

Kurze Zeit später umfing mich der Geruch von Heu und Stroh und ich schloss genießerisch die Augen.

Dann öffnete ich sie wieder und bewegte mich langsam auf eine Box im hinteren Teil des Stalls zu. Als ich kurz darauf davor stand, blitzten mir misstrauisch dunkle Augen entgegen. Der riesige Hengst mit dem schwarzen Fell stand am entgegen gelegenen Ende der Box und musterte mich verhalten.

Dark Phoenix war der Name der ins Zuchtbuch eingetragen war aber man rief ihn nur 'Phoenix' auch wenn ich dies nicht tat. Ich nannte ihn lieber 'Caspar' weil er, wenn er mal aufblühte, nichts besseres zu tun hatte als ständig Mist zu machen. Amüsanterweise reagierte er auf alle drei Namen einwandfrei.

"Caspar", murmelte ich leise lockend und lehnte mich gegen die hölzerne Boxentür. Sofort stellte er die zuvor angelegten pechschwarzen Ohren auf und drehte sie neugierig in meine Richtung. Es freute mich immer wieder wenn ich sah wie er auf mich reagierte.

Ich hatte ihn als Fohlen aus der Herde draußen geholt, da seine leibliche Mutter in verstoßen hatte. Mein Flaschenkind war aber zu einem wahrlich monströsen Krieger geworden. Für einen Mustang war er außerordentlich groß. Da diese Rasse gerade Mal ein Stockmaß von 1,3 - 1,5m hatten, war Phoenix mit seinen Stockmaß von 1.7m ein wahrer Riese unter seinen Artgenossen.

Plötzlich setzte sich der Hengst in Bewegung, bis er vor mir zu stehen kam. Freudig prustete er mir ins Gesicht, beschnupperte es und zog sanft mit seinen Lippen an meinen Haaren, was mich zum lachen brachte.

"Na, dicker, Lust auf einen Austritt?", fragte ich und schaute meinem tierischen besten Freund tief in die dunklen Augen, was er sofort erwiderte bis er sich löste, sich leicht aufbäumte, mit dem Kopf nickend auf und ab schlug und ein dunkles Wiehern durch den Stall hallte.

Grinsend schüttelte ich den Kopf. "Das Werte ich als 'Ja'", meinte ich und öffnete die Tür der Box, bevor ich mich Richtung Sattelkammer wandte.

Als er alt genug war hatte ich mit ihm ein Join-up gemacht, eine Methode eines berühmten Pferdeflüsteres*, in dieser Art von Training ging es darum das Pferd als Freund und Partner zu betrachten und nicht als Nutzobjekt. Und auch andersrum sollte das Pferd einen als Freund betrachten. Es hängt vom Vertrauen des Pferdes ab, wie schnell dieses Training geht. Aber bei Phoenix und mir war kaum ein Wimpernschlag vergangen als das Training schon Früchte trug. Irgendwann folgte mir der schwarze Hengst, ohne Halfter oder Strick überall hin und hatte mich tatsächlich schon in Spirit - Manier vor einem der hier ansässigen Berglöwen beschützt. Er und ich hatten eine Verbindung die vielen Pferdebesitzern fehlte, deswegen hatte er mich erkannt, trotz der langen Jahre in denen wir getrennt waren.

Der Klang von Hufen auf Beton riss mich aus meinen Gedanken und ein breites Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als der junge Hengst zu mir aufschloss und entspannt neben mir her lief. Wobei so jung war er ja gar nicht mehr. Er müsste jetzt mindestens 11 Jahre alt sein, was für ein Pferd seiner Größe schon relativ alt war, auch wenn sie gut und gerne mal 20 Jahre alt wurden. Kleinpferde und Ponies hatten ähnlich wie bei den Hunden eine höhere Lebenserwartung.

Seufzend legte ich eine Hand auf seinen starken, warmen Hals und genoss das weiche Fell unter meinen Fingern.

Kurze Zeit später, erreichten wir die Sattelkammer und ich holte rasch, Putzkasten, Zaumzeug und Sattel, während er draußen vor der Tür wartete und mit gespitzten Ohren in den Raum schaute. Lachend beobachtete ich ihn. Der neugierige Gesichtsausdruck ließ ihn aussehen wie ein zu groß geratenes Fohlen und noch immer konnte ich den Schalk in seinen Augen glitzern sehen.

"Oh nein", rief ich ihm gleichen Moment als ich sah, dass er den Karottensack ins Visier nahm, doch es war zu spät. Mit einer gezielten Bewegung, hatte er ihn sich geschnappt und zu sich gezogen.
"CASPAR", lachte ich und eilte nach draußen um ihm den Sack abzunehmen bevor noch etwas schlimmeres passierte, woraufhin er mich beinahe schmollend ansah, bevor er kurz wieherte und mir trotzig seine Kehrtseite zuwandte. Kichernd lief ihm nach doch er drehte sich brummelnd immer wieder von mir weg.

Schnaubend stemmte ich die Hände in die Hüften und betrachtete ihn. Dann verdrehte ich mit einem Stöhnen die Augen und fischte zwei Karotten aus dem geretteten Sack. "Hier, du Spinner", meinte ich und er drehte sofort seinen Kopf zu mir. Als er die Karotten in meiner Hand bemerkte, wirbelte er herum und schnappte sich beide gleichzeitig aus meiner Hand. Protestierend öffnete ich den Mund, doch schloss ihn dann wieder belustigt, brachte ja eh nichts.

Wenig später, führte ich ihn geputzt und gesattelt aus der Scheune. Der Hengst folgte mir mit hoch aufgestelltem Schweif und neugierig gespitzten Ohren.

"Das schaffst auch wirklich nur du", ertönte eine dunkle Stimme und ich wirbelte erschrocken herum. Mein großer Bruder lehnte am Holzzaun und musterte uns belustigt.

"Jeder andere hatte Probleme mit ihm. Was ein Klischee, was ?", grinste er und zeigte dann auf Phoenix der seine Ohren leicht angelegt hatte und Dan misstrauisch musterte.

"Tja, ist halt immer noch mein Baby", lachte ich und schwang mich leicht mithilfe eines Trittbretts in den Sattel. Ich warf meinem Bruder ein letztes Grinsen zu, bevor ich die Zügel in eine Hand nahm, meine Fersen leicht gegen den Bauch des Pferdes schlug und ihn damit in Bewegung setzte. Dan wandte sich kopfschüttelnd ab und verschwand kurz darauf im Haus.

Kaum verließen wir die Ranch und traten auf die Ebene dahinter, beugte ich mich vor und flüsterte :"Power dich aus". Ich wusste das Phoenix das verstand und nach dem er sich kurz aufbäumte, galoppierte er auch schon los. Der Wind fegte durch mein Haar und ich genoss das Gefühl der Freiheit.

Ich ließ die Zügel fallen und riss beide Arme in die Luft. Ein befreites Grinsen umspielte meine Lippen und Phoenix unter mir verlängerte seine Schritte noch einmal. Wir flogen beinahe dahin, bis wir den Wald am Berghang erreichten. Das Prickeln des Windes war noch immer auf meiner Haut zu spüren und Phoenix pustete sanft die Luft aus. Lächelnd drehte ich mich auf seinem Rücken um und betrachtete die Ebene, die Ranch und den dahinter liegenden Wald. Alles wirkte so klein von hier oben und wir waren noch nicht einmal ganz oben sondern standen lediglich am Hang des Berges. Ich war oft oben gewesen. Dort oben, dort vergaß man alle seine Sorgen.

Nach dem ich eine Weile im Gras gesessen hatte, während Phoenix neben mir graste, färbte sich der Himmel langsam rot. Traurig stand ich auf und winkte das dunkle Tier wieder zu mir heran.

"Komm, Dicker, wir müssen zurück", meinte ich und schwang mich wieder auf seinen Rücken. Langsam machten wir uns dann auf den Rückweg.

Als ich daheim ankam, war die Sonne beinahe untergangen. Ich hatte Phoenix und auch die anderen Stallpferde versorgt und war nun auf dem Weg ins Haus.

Entspannt öffnete ich die Haustür und blieb im nächsten Moment ruckartig stehen. Meine Mutter stand an der Treppe und funkelte mich an und neben ihr blitzten mir blaue Augen feurig entgegen.

Pain of Wolves Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt