"Verlass sofort unser Haus. Ich will dich nicht mehr sehen. Das ist widerwärtig und ekelig. Alleine die Vorstellung du küsst einen andern Jungen löst in mir Brechreiz aus. Verschwinde aus unseren Augen.", brüllt mich mein Vater an. Sein Gesicht ist wutverzerrt und knallrot. Ich stehe da, merke wie die Welt um mich herum zusammenbricht und weiß nicht was ich machen soll.
Mein Blick huscht zu meiner Mutter, die neben meinem Vater steht und angewidert zu mir schaut. Ihre Stimme ist deutlich ruhiger als die meines Vaters, aber ihre Worte sind genau so verletztend: "Toby so haben wir dich nicht erzogen. Nein sowas gehört nicht zu uns, pack deine Sachen und geh mir aus den Augen. Du kannst dich gerne wieder melden, wenn du normal geworden bist."Ich spüre die Tränen, wie sie sich in meinen Augen sammeln und dann über meine Wangen laufen. Ich bin nicht normal, ich hab es mir doch nicht ausgesucht. Schwulsein sucht man sich nicht aus, man ist es oder man ist es eben nicht.
"Ihr könnt mich doch nicht raus schmeißen. Bitte Mama, Papa, das könnt ihr doch nicht machen. Ich bin siebzehn, wo soll ich denn hin?", schluchze ich und senke meinen Kopf.
"Und ob wir dich vor die Tür setzen können. Sieh zu wo du bleibst, das ist nicht mehr unser Problem. Unter unserem Dach lebt keine Schwuchtel und jetzt hör auf zu flennen, du bist doch kein Mädchen. Pack deine Sachen und verschwinde.", brüllt mein Vater und gibt mir einen kräftigen Stoß.
Ich verliere das Gleichgewicht und gehe zu Boden, lande unsanft auf meinem Hintern und schaue zu meinen Eltern hinauf.Immer noch laufen mir Tränen über mein Gesicht und auch wenn ich sie mir immer wieder wegwische, so kommen doch immer wieder welche nach.
Meine Mutter blickt zu mir hinab. In ihrem Gesicht ist eindeutig Verachtung zu erkennen, als sie sagt: "Sieh zu das du hier raus kommst du ekelhafte Schwuchtel. Sowas wie dich haben wir nicht großgezogen."
Ich rappel mich vom Boden auf, stürme aus dem Wohnzimmer und hinauf in mein kleines Reich.
Dort angekommen, hole ich die Reisetasche aus meinem Schrank, welche ich von meinen Eltern zu meinem vierzehnten Geburtstag geschenkt bekommen habe, damit ich etwas habe wo ich meine Fussballsachen drin verstauen kann. Ich hab sie nie benutzt, denn hätten meine Eltern wirklich Interesse an mir gezeigt, hätten sie gewusst das ich kein Fußball spiele und mich eher für andere Sachen interessiere. Dann hätten mir meine Eltern vielleicht ein Backbuch oder eine Staffelei mit Leinwänden geschenkt und nicht so eine bescheuerte Reisetasche.Doch jetzt gerade bin ich froh diese Tasche zu haben und sie nun endlich einzuweihen, dreieinhalb Jahre später nachdem ich sie geschenkt bekommen habe.
Ich stelle sie auf mein Bett und beginne damit meine Kleidung darin zu verstauen, gehe ins Bad und hole meine Hygieneartikel, stopfe sie in eines der Seitenfächer der Reisetasche und schaue mich in meinem Zimmer um, um ja nichts zu vergessen.Als ich vorhin vor meinen Eltern stand und ich mich endlich dazu durch gerungen habe mich zu outen, habe ich zwar damit gerechnet das sie sich erstmal erschrecken und vielleicht auch einen kurzen Moment auf Abstand gehen, doch ich ging davon aus, dass dann alles wieder gut wird, sie mich in den Arm nehmen und mir sagen das sie mich trotzdem lieben, egal ob ich schwul bin oder nicht. Niemals hätte ich damit gerechnet das sie so reagieren. Niemals!
Ich gehe hinüber zu meinem Schreibtisch öffne die kleine Schublade und nehme das, in hellblauem Samt eingefasste, Buch heraus und stecke es anschließend in meine Reisetasche. Dieses Buch ist das einzige was ich habe um meine Sorgen und Ängste, mein Glück und meine Tränen zu teilen. Diese Buch ist mein Tagebuch, den Schlüssel dazu trage ich an einer schmalen Silberkette um meinem Hals.
Ein letzten Blick lass ich durch mein Zimmer schweifen, sehe den Rucksack mit meinen Schulsachen doch lasse ihn bewußt hier, als ich die Tür schließe und die Treppen hinunter gehe.
Wenn meine Eltern mich jetzt eh rauswerfen, dann muss ich mir die Schule auch nicht mehr antun. Dann muss ich mich da nicht mehr Morgen für Morgen hinquälen.
Jeden Tag aufs Neue haben die anderen Schüler mich gequält, mich beschimpft, geschlagen und bespuckt.
Mein Tagebuch weiß besten über die täglichen Erniedrigung Bescheid.
Nein das werde ich mir nicht mehr antun.Als ich im Flur angekommen bin stehen meine Eltern an der Wand und blicken mich an.
"Verschwinde.", zischt meine Mutter und ich bleibe stehen, blicke zwischen den beiden hin und her. Wenn sie mich jetzt bitten würden zu bleiben, ich würde es tun. Es sind ja schließlich immer noch meine Eltern und auch wenn sie mir gerade meine Seele brechen und mein Herz raus reißen, habe ich sie trotzdem lieb. Bis vor einer Stunde war unser Verhältnis liebevoll, eben wie Eltern mit ihrem Kind umgehen, doch seit achtundfünfzig Minuten ist in meinem Leben nichts mehr so wie es mal war."Was stehst du da so rum? Hau endlich ab!", schreit mein Vater, geht zu Haustür hinüber und öffnet sie.
"Geh!", sagt nun auch meine Mutter und stellt sich neben ihren Ehemann.
Wieder merke ich wie mir Tränen in die Augen steigen. Ich senke meinen Blick, will meinen Eltern nicht erneut zeigen wie schwach ich bin, als ich mir meine Schuhe und meine Jacke anziehe.
"Geht das nicht auch ein bisschen schneller?", höre ich meine Mutter, voller Verachtung sagen und ich merke selbst wie ich mich beeile.
Als das erledigt ist, schultere ich meine Reisetasche und trete durch die Haustür."Du kannst wiederkommen wenn du normal geworden bist.", zischt mein Vater hinter meinem Rücken. Ich will mich gerade nochmal umdrehen, ihm etwas sagen, da höre ich wie die Haustür zugeknallt wird.
Jetzt stehe ich hier, auf der Veranda meines ehemaligen Zuhauses und weiß nicht wo ich hin soll.
Denn wie schon erwähnt ist der einzige Freund den ich habe mein Tagebuch.Wie auch immer ich es anstelle, ich muss kämpfen und ich muss überleben, denn da draußen gibt es bestimmt noch etwas schönes für mich.
Ich gehe die Stufen der Veranda hinunter, durchquere den Vorgarten und verlasse das Grundstück meines ehemaligen Zuhauses.
Ich verlasse mein altes Leben und begebe mich in mein Neues, nicht wissend wie es aussehen wird.
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Little Prince
BeletrieToby Calters, ein achtzehnjähriger, schüchterner, liebevoller Junge arbeitet als Sekretärsgehilfe in einem Krankenhaus. Seine Tage sind lang und hart, doch er ist froh um den Job, denn mit einer abgebrochenen Schullaufbahn, ohne Abschluss ist es nic...