Fühlt sich wie Sterben an

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Es fühlt sich wie sterben an, wenn du gehst
Fühlt sich wie sterben an, alles zu spät
Es fühlt sich wie sterben an, wenn du fehlst
Bitte bleib hier.

"Fühlt sich wie Sterben an", Glashaus


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Er schaut mich nur gedankenverloren an, sagt aber nichts.

"Sometime?", füge ich deshalb hinzu, schließlich erwarte ich nicht, dass er sich sofort bei mir meldet, um zu berichten.

"Yeah, sure", nickt er, und ich bin erleichtert.

"Needless to say that...", setzt er an und ich vollende seinen Satz, denn ich weiß genau, was ihm soeben noch eingefallen ist „...this is confidential."

Er schaut mich an, nickt nur leicht und lächelt traurig. Dann wechselt sein Ausdruck und eine Art väterliche Strenge zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

"As for you, young lady...", sagt er mit drohendem Unterton, und hebt den Zeigefinger, "the only thing you should do today is take it slow! I don't want you to break a leg or anything, and I am not going to be there to catch you if you decide to lose consciousness, okay?!"

Er wedelt leicht mit dem Zeigefinger und schafft es sogar, dabei ernst zu bleiben. Ich muss trotzdem lachen und fühle mich plötzlich ziemlich energiegeladen.

„Keine Angst, mir geht es gut!", versichere ich ihm und stehe wie zum Beweis auf.

Dieses Mal lässt er mich, und siehe da, meine Beine gehorchen mir wieder und mein Blut fließt dahin, wo es soll. So ganz scheine ich ihn allerdings noch nicht überzeugt zu haben, denn er hat immer noch eine Augenbraue hochgezogen und beobachtet mich genau.

„Vielleicht sollte ich dich lieber noch ein Stück begleiten?", denkt er nun laut nach.

„Und sichergehen, dass du nicht unterwegs...?" Er deutet einen sehr affektierten Ohnmachtsanfall an, was ich nur mit einem verächtlichen Blick quittiere.

Jeder andere hätte wohl längst einen Tritt in den Hintern bekommen, wenn er sich so über mich lustig macht, aber aufgrund neuerlicher Erfahrung verzichte ich heute soweit es geht auf Körperkontakt. Ohne mich auf seinen Vorschlag einzulassen, schnappe ich mir meinen Schlüsselbund vom Haken und stolziere erhobenen Hauptes an ihm vorbei zur Haustüre, die ich schwungvoll aufreiße. Vermutlich ist es noch ein bisschen zu früh, um Fabian abzuholen, aber das schadet gar nicht. Er folgt mir brav durch die Tür und die Straße hinunter, bis er nach wenigen Metern plötzlich stehen bleibt.

„Habe ich deinen Test bestanden?", frage ich ihn spöttisch und drehe mich zu ihm um.

„Nein."

Er schaut mich einen Moment an.

„Ja."

Er lächelt.

"Das ist mein Auto."

Erst jetzt bemerke ich, dass wir direkt vor einem dunkelblauen Fahrzeug stehen, dass ordentlich in einer Parklücke steht und mir – wäre ich ein Mann und würde auf solche Details achten – schon wegen des unbekannten Nummernschilds hätte auffallen müssen. Unbewusst registriere ich, dass sein Auto im gleichen Landkreis zugelassen ist, in dem auch Moni wohnt, aber ich habe keine Zeit, mit dieser Information etwas anzufangen, dafür ist in meinem Hirn noch zu viel Mus.

Außerdem bin ich gerade mit anderen Dingen beschäftigt. Zum Beispiel mit 172 Zentimetern Traummann, die mich schon wieder besorgt mustern.

„Passiert dir das öfter?", fragt er interessiert.

„Dass mich berühmte Musiker zu Hause überfallen? Ja, ständig", witzle ich, weil ich schon ahne, worauf er hinauswill, und noch keine ehrliche Antwort auf die Frage habe.

Zumindest keine, die ich ihm geben könnte, ohne ernsthaft rot zu werden. Er rollt gespielt genervt die Augen.

„Ernst jetzt. Vielleicht stimmt etwas nicht? Du solltest mal zum Doktor..."

Er hat inzwischen seinen Autoschlüssel aus der Jeans gezaubert und ist im Begriff, das Auto aufzusperren. Ich muss schon wieder gegen meinen Willen kichern, denn eigentlich bin ich total panisch, weil ich weiß, dass er gleich wieder abfahren wird.

„Dabei kann mir kein Arzt helfen", sage ich nur und ignoriere seine hochgezogene Augenbraue und seinen verständnislosen Blick. Soll er doch mal selber 2 und 2 zusammenzählen. Er schüttelt leicht den Kopf, murmelt etwas Unverständliches, was sich anhört wie "Headstrong women...", und öffnet dann die Fahrertür. Dann sollte ich mich jetzt also verabschieden.

Ich hole tief Luft und gehe einen Schritt auf ihn zu. Leider kommt mal wieder nichts aus meinem Mund, ich kann nur in seine Augen schauen und mir dabei eine letzte Dosis meiner Lieblingsdroge holen.

"Are you sure you're okay?", fragt er mit samtweicher Stimme und hält meinem Blick stand.

Was um Himmels Willen soll ich darauf bloß antworten? Die Wahrheit? Dass ich am liebsten will, dass er bleibt – so für die nächsten paar Jahre? Dass ich höchstwahrscheinlich auf dem Weg in den Kindergarten mehrere Taschentücher brauchen werde, bis ich mich wieder im Griff habe? Dass es mir in ein paar Tagen wieder besser geht? Die Ohnmachtsgefahr in 2 Minuten schlagartig nachlassen wird?

"I will be", antworte ich, halb Lüge, halb Wahrheit. Wir umarmen uns fest, und er flüstert mir ein leises „Danke" ins Ohr, das mich schon wieder an den Rand des Bewusstseins treibt. Dann lässt er mich los, steigt ein, und Sekunden später sehe ich dem davonfahrenden Auto mit – wie könnte es anders sein – butterweichen Knien hinterher, die Hand immer noch zum Gruß erhoben. Gut, dass ich noch 10 Minuten Puffer habe. Die, und die Parkbank in 150 Metern, werde ich jetzt wohl brauchen.

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