The Flight II

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Es fällt mir schwerer als ich dachte, hier zu sitzen und zu wissen, dass wir uns wohl gleich endgültig verabschieden werden. Das Flugzeug ist soeben gelandet und noch bevor wir das Rollfeld verlassen haben, geht das übliche hektische Gewusel los. Mir ist wie immer schleierhaft, wieso diese Menschen es alle so eilig haben, schließlich läuft das Gepäckband nicht schneller, wenn die Kofferbesitzer früher davorstehen, und ich bezweifle, dass mein Trolley unter den ersten sein wird, da wir ja doch verhältnismäßig früh eingecheckt haben. Ich bleibe deshalb noch sitzen und warte, bis das Flugzeug sich größtenteils geleert hat. Dann lasse ich mich mit den anderen Passagieren hinaustreiben und nehme mir vor, die letzten Minuten mit IHM einfach nur zu genießen und mir nicht so viele Gedanken zu machen.

Er wartet etwas abseits des Getümmels, an einen Pfeiler gelehnt und hat die Hände in den Hosentaschen seiner engen Jeans vergraben. Als er mich kommen sieht, lächelt er und stößt sich von dem Pfeiler ab, um mir entgegen zu gehen.

„Hast du den Flug gut überstanden?", fragt er mich, und ich bin mir nicht sicher, ob er damit auf den etwas übergewichtigen Herren am Fenster neben mir anspielt.

"Cheese-like", sage ich nur, und als ich einen verwirrten Blick ernte, füge ich noch hinzu: "In a sandwich." Das bringt ihn natürlich mal wieder zum Schmunzeln und in gelöster Atmosphäre schaffe ich es, die Frage zu stellen, vor der ich mich schon den halben Tag drücke.

„Wie kommst du denn jetzt nach Hause?"


Nicht das ich wüsste, wo er wohnt. Niederbayrische Pampa ist alles, was in den Medien zu diesem Thema zu finden ist. Jedenfalls ist das meinen Ortskenntnissen zufolge noch ein gutes Stück von München, oder besser, Erding entfernt.

„Mein Auto steht im Parkhaus", antwortet er, während wir gemächlich zum Gepäckband hinüberschlendern, dass sich soeben in Bewegung gesetzt hat und von einer Horde Passagieren umschwirrt wird wie ein Honigtopf von ausgehungerten Bienen.

„Und du?" Ich habe die Frage erwartet und bin bemüht, mir keinerlei Gefühlsregung anmerken zu lassen.

„Mit dem Zug. Beziehungsweise mit der S-Bahn bis zum Hauptbahnhof, dann mit dem ICE. Herr Norton war so spendabel..."

Er sieht mich von der Seite an.

„Du musst leider in die komplett andere Richtung wie ich..."

Er bricht ab, und ich hoffe, er hört nicht, wie laut mein Herz gerade pocht. Entweder spinne ich jetzt komplett, oder da war gerade ein Hauch von Bedauern in seiner Stimme. Ich fühle mich elend. Obwohl ich wusste, dass wir in entgegengesetzte Richtungen müssen, ist das Gefühl, es nun bestätigt zu bekommen, niederschmetternd. Ich muss mir eingestehen, dass ich wohl noch einen Funken Hoffnung hatte. Dass er vielleicht gar nicht nach Hause fährt, und wie durch ein Wunder in meine Richtung muss. Was weiß ich, was ich mir eingebildet habe, jedenfalls muss ich mich von diesem Hirngespinst jetzt verabschieden. Ich schlucke und versuche es mit einem unverbindlichen Lächeln.

„Ja, das muss ich wirklich... Aber ich bin schon groß und schaffe das bestimmt!"

Ich zwinkere ihm zu und hoffe, dass ich überzeugend genug wirke um ihn nicht misstrauisch zu machen. Meinem Schauspieltalent sei dank nickt er lachend und meint dann „Ich habe nicht die geringsten Zweifel!"

Er reckt seinen Kopf, um zu sehen, was sich am Gepäckband tut, und schiebt mich dann ein Stück nach links (Hallo, Schmetterlinge!), wo er offensichtlich einen besseren Blick hat.

„Ich bringe dich noch zur S-bahn", sagt er nachdenklich, und es klingt nicht wie eine Frage, also mache ich mir auch nicht die Mühe, es zu kommentieren. Im Moment bin ich auch einfach nur froh, dass ich noch neben ihm stehen darf und der Abschied sich um hoffentlich mindestens 10 weitere Minuten verzögert.

Leider kommen unsere Koffer viel zu schnell, und Michael Patrick hebt sie, ganz der Gentleman, auf einen Kofferwagen, mit dem wir uns dann den Weg durch die Zollkontrolle bahnen.

Natürlich habe ich keinen Whiskey in meinen Koffer, und schon gar nicht 40 Flaschen, weshalb wir uns wenige Minuten später ohne Zwischenfälle auf der anderen Seite befinden. Stumm folgen wir dem Wegweiser zur S-bahn und werden unterwegs noch den Kofferwagen los.


Erst auf der Rolltreppe nach unten wird mir bewusst, dass er hier gerade einen ziemlichen Umweg auf sich nimmt, denn die Hinweisschilder für das Parkhaus zeigen hartnäckig in die andere Richtung. Ich versuche also, zu protestieren, doch er ignoriert mich einfach und grinst nur vor sich hin. Ich versuche, wütend auf ihn zu werden, denn das würde mir den Abschied (gleich, oh bitte nicht!!) wahrscheinlich erleichtern, aber er gibt mir nicht wirklich einen Grund dazu. Mir wird heiß, und ich nestle an meinem Seidenschal, der auf dem Flug seine Aufgabe erfüllt hat, mir nun jedoch irgendwie die Luft abschneidet. Je tiefer wir mit der Rolltreppe kommen, desto wärmer wird es. Klar, denke ich, es ist August, und der Flughafen war klimatisiert...


Als ob mir die Zeit nicht schon schnell genug durch die Finger rinnt, fährt natürlich genau in dem Moment, in dem wir die Rolltreppe verlassen, eine S-bahn ein. Mit einem kurzen Blick auf die Anzeige stelle ich fest, dass es meine S-bahn ist. Ich laufe etwas hektisch zum Fahrkartenautomaten und bin froh, dass kaum Leute auf dem Bahnsteig sind. Vermutlich ist die letzte S-bahn gerade erst gefahren... Ich stelle meinen Trolly ab und fange an, in meiner Handtasche zu wühlen. Wo ist nur der blöde Geldbeutel?! Ich bin nervös, traue mich nicht, zur Seite zu sehen, weil ich mir sicher bin, dass er mich beobachtet, und ich nicht weiß, wie lange ich meine Gefühle noch unter Kontrolle halten kann. Mann, ist das heiß hier! Ich zerre mir den Seidenschal vom Hals und setze die Suche in meiner Handtasche fort. Labello, Taschentücher, Sonnenbrille,...

Plötzlich spüre ich eine Hand, die mich sanft am Oberarm berührt.

„Hey, die S-bahn fährt erst in 7 Minuten", sagt er leise aber eindringlich. „Kein Stress!"

Ich blicke zur Seite und schaue in sein leicht besorgtes Gesicht. Jetzt bloß nicht losheulen...

„Ich nehm das", sagt er, als ich ihn weiterhin nur anstarre, und nimmt mir vorsichtig den Seidenschal ab. Geistesgegenwärtig vergrabe ich die Hände wieder in meiner Handtasche und spüre endlich den gesuchten Geldbeutel zwischen meinen Fingern.

„Brauchst du denn überhaupt ein Ticket?", fragt er mich da plötzlich, und im selben Moment fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich Idiot!

Ich könnte mich ohrfeigen dafür, dass ich hier so einen Zirkus veranstalte. Natürlich brauche ich kein Ticket, schließlich hat Herr Norton beziehungsweise seine Sekretärin Rail&Fly gebucht, sodass ich mich im gesamten Großraum München nicht um eine Fahrkarte kümmern muss. Ich will am liebsten im Boden versinken, so peinlich ist mir das. Ich werfe den Geldbeutel kraftlos zurück in meine Tasche und schlucke einmal. Dann sollte ich es jetzt schnell hinter mich bringen, bevor mir doch noch die Tränen kommen.

„Natürlich nicht!", versuche ich zu scherzen. „Diese blöde S-bahn hat mich gerade völlig aus dem Konzept gebracht..."

Er schaut mich immer noch etwas skeptisch an, lacht dann aber mit. Ich schnappe mir meinen Trolly und gehe langsam ein Stück am Bahngleis entlang, um mir ein möglichst leeres Abteil zu suchen. Er folgt mir eifrig, und bleibt im selben Moment wie ich stehen. Tief durchatmen, Jasmin.

This one lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt