Lauf der Zeit

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Irgendwo gefangen zwischen Raum und Zeit
Das eine Auge lacht, das andre Auge weint
Immer eingesteckt, selten ausgeteilt
Man sieht die weite Welt nie, wenn man zuhause bleibt

"Lauf der Zeit", MoTrip

"Lauf der Zeit", MoTrip

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Zum ungefähr 10. Mal lese ich den Zeitungsartikel, den mir Moni heute früh zugeschickt hat. Jedes Mal, wenn ich diese wenigen Zeilen lese, beginnt mein Herz wie wild zu pochen. Vermutlich sollte ich aufhören, denn Aufregung ist im Moment nicht gut. Das habe ich gestern gemerkt. Nur abrupte Bewegungen sind noch schlimmer. Also bin ich brav und bleibe im Bett.

Genug zum Nachdenken habe ich ja. Nur leider komme ich damit nicht wirklich weiter. Mir fällt ein Spruch ein, den ich mal irgendwo gelesen habe. „Grübeln ist wie schaukeln: Man ist zwar beschäftigt, aber kommt kein bisschen weiter." Genau so geht es mir gerade. Ich grüble den ganzen Tag darüber nach, warum Michael Patrick mich immer noch nicht zurückgerufen hat. Wenn er das, was er da in diesem Interview gesagt hat, ernst meint, dann hätte er doch auf meine Nachricht antworten müssen, oder?

Aber seit vorgestern Abend bleibt mein Handy stumm. Ich verstehe das nicht. Und ich fühle mich irgendwie ganz seltsam. Natürlich könnte ich ihm einfach schreiben; fragen, ob er Lust hat, zu telefonieren. Aber schließlich habe ich ihn doch schon darum gebeten mich anzurufen, oder nicht? Und nach allem, was ich in den vergangenen 2 Tagen dazugelernt habe, kann ich eigentlich nur schlussfolgern, dass er daran interessiert wäre, wenn es uns wieder gibt. Und das möchte ich wirklich gerne; ich möchte uns diese zweite Chance furchtbar gerne geben, aber irgendwie stehe ich mir selbst im Weg.

Er hat so viele Zugeständnisse gemacht, indem er dieses Interview gegeben hat. Er hat schließlich genau das getan, wovor er sich nach dem Vorfall mit dem Reporter so gefürchtet hat: vor der ganzen Welt zuzugeben, dass es mich gibt, dass er kein Heiliger ist, sogar gelogen hat. Vermutlich hat er damit wissentlich und willentlich seinem Image massiv geschadet und eigentlich genau das getan, was ich vor unserem Zerwürfnis von ihm verlangt habe: Sich zu mir bekannt, komme was wolle; egal, was die Öffentlichkeit davon hält. Diese Geste ist unglaublich groß; das habe ich inzwischen verstanden. Wie kann ich so etwas zurückgeben?

Es gibt absolut nichts, was mir einfällt, was ich tun könnte, das auch nur ansatzweise an diesen Olivenzweig heranreicht. Dabei möchte ich so gerne auch ein Signal aussenden; und ihn wissen lassen, dass ich nun verstanden habe; dass ich das Interview gelesen habe und sehe, was für ein großes Opfer er da gebracht hat. Mir zuliebe. Ich möchte es honorieren, möchte mich revanchieren; nicht, weil ich das als Wettbewerb sehe, sondern weil ich ihm zeigen will, dass ich ihn mindestens genau so sehr liebe, wie er mich. Denn das hat er jetzt zwei Mal gesagt; zwar nicht direkt zu mir, aber sowohl in dem post auf Instagram als auch in dem Interview. Also muss ich es wohl glauben.

Aber warum meldet er sich dann nicht? Dieses Gedanken Ping-Pong spiele ich nun schon den halben Tag, gelegentlich unterbrochen von einem kurzen Moment, in dem ich mich wieder frage, wer wohl die Blumen in mein Zimmer gestellt hat. Als ich sie gestern Nachmittag auf meinem Nachttisch entdeckt habe, bin ich erst mal fast ausgeflippt, weil mir niemand sagen konnte, wer bei mir im Zimmer war. Eine der Schwestern meinte dann, ein Mann hätte sich eine Vase geholt, aber sie konnte ihn nicht beschreiben und hat angeblich auch nicht mit ihm gesprochen. An den Blumen war keine Karte, Grußnote oder sonst irgendetwas, das auf den Käufer schließen lässt, und ehrlich gesagt macht es mir fast ein bisschen Angst, dass eine unbekannte Person anscheinend unerkannt hier ins Krankenhaus spaziert ist und in meinem Zimmer war, während ich geschlafen habe. Also zerbreche ich mir den Kopf darüber, wer noch davon weiß, dass ich hier im Krankenhaus bin, oder ob das irgendein Durchgeknallter war, der einfach wildfremden Frauen im Krankenhaus Blumen bringt.

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