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Valencia 1719

Normalerweise hat jeder Mensch ein Vorbild. Eine Person, zu der man aufschaut und sich wünscht so wie sie zu sein.
Für mich war es mein Vater, bis er gestorben ist. Seitdem gibt es solch eine Person nicht mehr für mich. Man könnte nun meinen, eine Tochter hat doch normalerweise ihre Mutter als ihr Vorbild. Da muss ich ihn oder sie aber leider enttäuschen.

Cecilia Suarez ist niemals eine Person gewesen, zu der ich aufsehen konnte. Nicht als mein Vater noch gelebt hat und jetzt schon gar nicht mehr.
Allerdings scheinen die Menschen anderer Überzeugung zu sein.

Wie die Mutter so die Tochter, so heißt es doch schließlich oder nicht?

Es ist also nicht verwunderlich, dass einige Männer bereits auf mich zugekommen sind und davon ausgingen, ich würde mich ihnen genauso anbieten wie es Cecilia tut.
Aber es zeigt mir auf eine verdrehte Weise auch, dass sie meinen Vater wirklich geliebt haben muss. Im Gegensatz zu mir und ihrer anderen Tochter.
Ich sollte mich eigentlich nicht beschweren, immerhin sorgt sie noch dafür, dass wir ein Dach über dem Kopf haben sowie etwas zu essen und trinken. Mehr oder weniger.

Doch dafür zu sorgen, dass der Ruf unserer Mutter nicht auf uns abgestempelt wird ist leichter gesagt als getan. Natürlich gibt es die einen oder anderen, die einen von klein auf kennen und wissen, dass wir alles andere als wie sie sind. Dann gibt es jedoch noch die anderen, überwiegenden Personen, die es eben nicht tun und sich denken, dass sie es ja probieren könnten. Und genau an so Zeitpunkten danke ich meinem Vater, dass er mir und Valeria das eine oder andere beigebracht hat außer mit einem Schwert zu kämpfen.

Nach und nach konnte ich so dafür sorgen, dass Valeria und ich nicht mehr belästigt werden. Doch unter so Voraussetzungen einen Mann zu finden, der einen nicht nur wie eine Eroberung ansieht, stellt sich dann doch als ziemlich schwierig dar.
Einen Vorteil hat das Ganze dann aber doch: Ich werde von den Angeboten verschont irgendwann als eine verheiratete Frau zu enden. Daran will ich einfach noch nicht denken und da kommt mir das ganz recht.

„Hast du es schon gehört?" 
Valeria kommt in das Haus gerannt und bleibt leicht außer Puste vor mir stehen.
„Was soll ich gehört haben?"
„Wir bekommen wieder Besuch von den Adligen aus dem Nachbarort. Anscheinend sind sie auf der Suche nach einer passenden Frau für ihren Sohn."
„Und warum genau kommen sie dann nach Valencia?"
„Keine Ahnung. Aber es wird ein kleines Fest am Marktplatz vorbereitet und ich will da unbedingt hin."

Mit einem Schmollmund sieht sie mich an. Ich weiß genau, was sie vorhat und versuche ihrem Blick auszuweichen.
„Valeria..."
„Bitte bitte bitte. Ich putze auch das ganze Haus, versprochen. Und ohne dich darf ich doch nicht dahin, sonst würde ich alleine gehen."
Ein paar Sekunden lasse ich sie schmoren, dann verdrehe ich seufzend meine Augen und willige ein.
„Danke danke danke. Du bist die Beste.", ruft sie glücklich und fällt mir um den Hals.
„Aber glaub ja nicht, dass ich nicht genau weiß, wieso du dahin willst."
„Jaja."
Sie löst ihre Arme von mir und klatscht begeistert in die Hände.

„Ich muss mich noch fertig machen. Oh und Mariah muss ich Bescheid sagen.", redet sie wie ein Wasserfall drauf los und sprintet in ihr Zimmer. Ich werde wohl ein besonderes Auge auf sie werfen müssen.

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Die nächsten Stunden bekomme ich sie kaum vor die Augen. Und wieso erklärt sich mir als Valeria ein paar Stunden später mit einer Freundin von ihr aus dem Zimmer kommt und im Wohnzimmer steht.
Beide tragen ein wirklich schönes Kleid und haben sich die Haare wohl gegenseitig geflochten. Mariah trägt dazu noch eine blaue Kette, die ihre Augen deutlich betonen.
Und Valeria's Blicke auf diese entgehen mir ebenfalls nicht.

Da erinnere ich mich, wie sie letztens auf dem Markt eine rubinrote Halskette gesehen hatte. Innerlich grinse ich vor mich hin, da ich soeben das perfekt Geburtstagsgeschenk gefunden habe.

„Wollen wir los?", frage ich die zwei aufgeweckten Hühner, die schnell mit ihrem Kopf nicken und bereits zur Tür laufen.
Amüsiert laufe ich den beiden Mädchen hinterher, die sich am laufenden Bande nur über ein Thema unterhalten: Der adlige Besuch und wie wohl der junge Mann aussehen mag.
„Stell dir vor er wählt eine von uns.", flüstert Valeria, worauf Mariah über beide Ohren grinst.
„Natürlich wird er das. Du und deine Schwester werdet schließlich nicht ohne Grund die Schönheitsschwestern genannt."

„Es gibt aber noch anderen schöne Frauen außer uns. Und hast du dich mal angesehen?"
Solche Gespräche lassen mich nur die Augen verdrehen. Roxy und ich sind nie so gewesen, dass wir uns über die Meinung anderer Jungs den Kopf zerbrochen hätten. Stattdessen hätten wir jedem, der nur ein falsches Wort aus seinem Mund gebracht hätte gezeigt, dass man sich mit uns nicht anlegen sollte. Aber die Zeiten sind schneller vorbeigegangen als mir lieb war...

In meinen Gedanken versunken bekomme ich erst gar nicht mit, wie wir bereits auf dem Marktplatz ankommen. Nur die lauten Geräusche der umherrennenden und rufenden Menschen zieht mich zurück und ich lasse meinen Blick über die hetzende Meute fahren.
„So viel Tamtam für einen adligen Jungen?"
„Natürlich, immerhin sucht ein Adelshaus nicht jeden Tag ausgerechnet hier nach einer passenden Braut."
Mariah sieht mich dabei verständnislos an.

Naja, jedem dem seine. 

Ich will keinen Mann nur wegen seines Geldes oder seines Status, sondern wegen seiner selbst willen. Zumindest ist das meine Vorstellung, wie ich mir irgendwann einen Mann an meiner Seite vorstellen würde.

Wir müssen nicht einmal lange warten, bis die bekannten Laute ertönen, die das Adelshaus ankündigen. Die Masse macht den antreffenden Personen genügend Platz, damit sie auf ihre bereitgestellten Plätze kommen können.
Eigentlich hätte ich damit gerechnet, dass der Junge von seinen Eltern begleitet wird, allerdings kann ich nur einen ca. sechzehn jährigen Jungen erkennen, welcher in Begleitung von Wachen auf den Marktplatz schreitet.

Seine arrogante Haltung ist mir jetzt schon zuwider und je schneller dieser Schnösel hier weg ist desto besser ist es meiner Meinung nach. Am besten ohne ein armes Mädchen aus unserer Stadt.

Wie es sich für einen Adligen gehört wird er vorgestellt und die ersten Vorführungen beginnen. Dabei lässt er seinen Blick durch die Menge schweifen und ich kann ganz genau erkennen, wie zig Mädchen versuchen ihm schöne Augen zu machen.
Arme Dinger...

Ich halte Ausschau nach meiner Schwester und ihrer Freundin, die ein paar Meter weiter entfernt stehen und ebenfalls ihren Blick auf dem Jungen zu haben scheinen.
Seufzend fahre ich mir durch mein Haar und treffe beim Weiterschauen ausgerechnet den Blick des Jungen, dessen Augen an mir hängen bleiben.
Gott bewahre....

Als er weiterblickt merke ich, wie meine Hand ins Stocken geraten ist, als ich seinen Blick auf mir gespürt habe und ich hoffe für diesen kleinen Schnösel, dass er sich darauf ja nichts einbildet. Man weiß ja nie, was so in den Köpfen von kleinen Jungen vor sich geht.

Als die Vorführungen enden erhebt sich George der II. von Castellón und es wird mucksmäuschenstill.
Kein Wort verlässt seine Lippen, er zeigt lediglich auf genau vier Mädchen oder Frauen, die er sich anscheinend erwählt hat.
Sobald sein Finger an meiner Schwester hängen bleibt gefriert mir das Blut in den Adern.
Das kann er sich sowas von abschminken.

Doch die Krönung kommt, als die vierte und letzte Frau ausgewählt wird und ich es bereue Valeria zugesagt zu haben zu diesem dummen Fest zu gehen.

Nämlich ich.

Nämlich ich

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Bloody SeductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt