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Jeder kennt sie. Die Legenden und Mythen, die sich um die verschiedensten Dinge und Wesen verbreiten.

Menschen, die sich am Vollmond in ein Tier verwandeln und von ihm kontrolliert werden.
Menschen, die einem durch eine bloße Berührung die Zukunft voraussagen können.
Oder eben ein Pirat, der für seine Grausamkeit und Unbesiegbarkeit auf jeder See schon seit Jahrzehnten gefürchtet wird.

Besonders um Letzteren ranken sich die verschiedensten Legenden. Niemand, der ihm jemals begegnet sein soll, soll es überlebt haben. Eher wurde diese Person nie wieder gesehen. Es soll sich um den skrupellosesten Captain, der je auf den Weltmeeren gesegelt ist, handeln. Jedem Kind, das nicht spurte, wurde erzählt, dass der Captain ab und an auch ans Festland kommen und sich die unartigen Kinder schnappen würde, worauf sie schlagartig brav wurden.

Mein Vater erzählte uns lieber über die glorreichen Kämpfe, die er bestritten haben soll. Natürlich ließ auch er nicht aus wie grausam und rücksichtslos er gewesen sei, doch Valeria und mich hat es nie abgeschreckt. Uns interessierten vor allem die Kämpfe, die uns unser Vater vor dem Schlafen gehen erzählte. Wir sagten uns immer, dass wir genauso gut kämpfen können wollen wie er und wir eines Tages vielleicht das Glück haben würden diesen berüchtigten Piraten, diese Legende, kennen zu lernen. Kinder dachten eben, dass die Geschichten wahr sind.

Und noch heute erzähle ich meiner kleinen Schwester von den Geschichten, die unser Vater ihr nicht erzählen konnte, da er vor uns gegangen ist. Zwar nicht jeden Abend, so wie er es getan hat, sondern eher, wenn wir zusammen abends im Wohnzimmer vor dem Kamin sitzen.

Genauso wie heute. Unsere Mutter streunt irgendwo in den Straßen umher und macht ihrem Ruf alle Ehre.
„Erzählst du mir wieder eine Geschichte über den Captain?", fragt mich Valeria, die mit ihrem Kopf auf meinem Schoß liegt und ich ihr durch ihre Haare streiche.
„Hmmm...was soll ich dir denn erzählen? Eine seiner Seeschlachten?"
„Mir egal. Du hast mir schon länger keine mehr erzählt.", nuschelt sie und wartet darauf, dass ich anfange.

„Gut. Ich weiß nicht, ob du sie schon gehört hast, aber man erzählt sich, dass sich seine letzte Schlacht noch vor kurzem nahe unserer Küste abgespielt haben soll."
Valeria's Kopf dreht sich leicht zu mir und sie sieht mich mit geweiteten Augen an.
„Von wo hast du das denn gehört?"
„Ein Fischer hat es mir erzählt, als ich in der Nähe des Hafens gewesen bin.", antworte ich Schulter zuckend, worauf sie sich wieder wie vorher hinlegt und gebannt meinen Worten lauscht.

„Es heißt, ein Handelsschiff habe sich auf ihrer Route in dem Gebiet von Captain Grant begeben, ohne davon zu wissen. Sobald das riesige Schiff jedoch gesichtet wurde und den Männern klar wurde, um welches Schiff es sich handelt, sollen sie versucht haben umzukehren. Doch es sei zu spät gewesen, denn das Schiff vom Captain habe sofort Kurs auf sie gesetzt und sei so schnell vor ihnen aufgetaucht, dass sie beinahe gesagt hätten, es wäre Zauberei. Als das Schiff vor ihnen stand konnten sie gar nicht so schnell sehen, so schnell waren unzählige Piraten auf ihrem Schiff und haben sich mit ihnen duelliert. Vom Captain sei zunächst nichts zu sehen gewesen sein und die Männer haben um ihr Leben gekämpft. Bis sie ein lautes Gebrüll gehört haben sollen und sich zum Steuerrad umdrehten. Captain Grant soll den Kopf ihres Captains in seiner Hand baumelnd gehalten haben und hat gerufen: "Euer Schiff ist unser! Ergibt euch oder sterbt!"
Die Männer seien jedoch zu stolz gewesen sein, dass sie sich einem Piraten beugen würden und wurden so Mann für Mann abgeschlachtet. Das Schiff wurde danach nie wieder gesehen und man vermutet, dass Captain Grant es erst geplündert und dann gekentert haben soll."

„Und woher will der Fischer das wissen? Ich meine, wenn niemand überlebt haben soll."
„Darauf hatte er auch eine Antwort. Während des Angriffs soll ein weiteres Schiff in sicherer Entfernung auf See gewesen sein und sie haben es angeblich durch ihre Fernrohre beobachtet. Einer von ihnen soll Lippen lesen können, daher würden sie auch wissen, was auf dem Schiff passiert ist und was gesagt wurde."
„Hmmm...ich weiß ja nicht. Kannst du dir das vorstellen? Das klingt für mich irgendwie, ich weiß nicht, komisch? Sie müssten Captain Grant dann ja gesehen haben und jeder weiß, dass niemand weiß, wie er aussieht."

„Das kann ich dir nicht sagen Kleines. Aber stell dir vor, er wäre tatsächlich in der Nähe Valencia's gewesen."
„Ich würde ihn so gerne mal sehen. Denkst du er sieht gut aus?"
Bei ihrer Frage verdrehe ich nur meine Augen.
„Er soll schon Jahrzehnte auf den Meeren umhersegeln. Ich glaube kaum, dass er dann wirklich attraktiv sein kann. Dazu noch die ganzen Kämpfe-"
„Jaja ist ja gut. Zerstör mir nicht meine Vorstellung, die ist zu schön."

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Auch am nächsten Tag höre ich wie einige Menschen über die Gerüchte tuscheln, dass der berüchtigte Piratencaptain angeblich gesehen wurde und ich nähere mich zwei Frauen, die grade in diesem Moment wieder über ihn sprechen.

„Also ich habe gehört, er soll ein alter Mann sein, der nur noch ein Bein besitzt, aber so stark wie zehn Bären sein soll."
„Clara hat mir erzählt, dass ihre Nachbarin meinte, er sähe aus wie dreißig, obwohl er mindestens doppelt so alt sein soll. Angeblich trinkt er einen Verjüngerungstank, damit er so lange jung und stark bleiben kann."

Amüsiert laufe ich unbemerkt an den beiden Frauen vorbei. Es ist erstaunlich, was sich die Menschen alles zusammenspinnen können. Allerdings kann ich es auf eine gewisse Weise verstehen.
Immerhin soll er seit mehreren Jahrzehnten schon die Meere beherrschen, daher muss es doch einen Grund geben, wie er das schaffen kann. Wenn es ihn auch wirklich geben tut. Ich meinerseits kann mich nicht so recht entscheiden ob ich alledem Glauben schenken soll, was der berüchtigte Piratencaptain bereits alles getan haben soll.

Doch erinnern mich jede Gedanken an diesen an meinen Vater und seine Geschichten, die er uns am Bett Abend für Abend erzählt hat und allein deswegen würde er für mich immer auf eine bestimmte Art und Weise existieren.

Unterwegs schnappe ich ein paar weitere Gerüchte auf, die ich jedoch ignoriere, da ich auf der Suche meiner Mutter bin und nicht um die verschiedensten Dinge über ihn zu hören. Valeria zuliebe habe ich mich auf die Suche begeben, da sie sich doch Sorgen um unsere Mutter macht. Macht es aus mir eine schlechte Tochter wenn es mir mittlerweile egal ist was mit dieser Frau passiert?

Ich bemerke, dass es langsam dunkel wird und beschließe daher einen kurzen Blick an dem Hafen zu werfen. Vielleicht habe ich ja Glück und finde sie dort auf.

Doch niemanden bis auf den Fischer finde ich dort vor. Er sitzt am Steg und verstaut grade seine errungene Beute.
„Guten Abend Mario.", rufe ich dem alten Fischer zu, der sich zu mir dreht und mich anlächelt.
Buenas tardes Sophia. Was bringt dich zu so später Stunde hierher?"
Seufzend gehe ich auf ihn zu und helfe ihm die restlichen Utensilien zu verstauen.
„Ich bin auf der Suche nach meiner Mutter. Haben Sie sie vielleicht gesehen?"
Er schüttelt jedoch entschuldigend seinen Kopf.
„Leider nein meine Liebe. Aber du solltest dich nicht in den Gegenden alleine rumtreiben. Vielleicht befindet sich ja dieser Captain hier in Valencia und wartet nur darauf eine so schöne Frau wie dich mit sich zu nehmen."

Lachend schüttel ich meinen Kopf und stehe wieder auf, schlage den Staub von meiner Kleidung.
„Das wage ich doch zu bezweifeln. Genauso wie, dass jemand ihn tatsächlich gesehen haben sollte. Er ist eine Legende, nichts weiter."
„Rede dir das nur weiter ein. Aber ein Gefühl sagt mir, dass es ihn wirklich gibt. Nenn es Fischergabe, wenn du willst."
„Natürlich.", zwinker ich ihm zu und verabschiede mich freundlich von ihm um mich auf die weitere Suche nach meiner Mutter zu begeben.

„Denke an meine Worte: Nichts ist wie es scheint. Auch Legenden und Mythen haben einen Funken Wahrheit in sich, der nur gefunden werden muss."

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Bloody SeductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt